Frauen gestalten Caritas
Marie Le Hanne Reichensperger
Bürgerlich, katholisch, engagiert für Mädchen und Frauen
Marie Reichensperger wurde am 8. November 1848 in Koblenz geboren. Nachdem ihr Vater August Reichensperger, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, 1849 zum Kammergerichtspräsidenten ernannt worden war, zog die Familie nach Köln. Marie Reichensperger wuchs in einer gebildeten, kunstinteressierten, hoch angesehenen katholischen Familie auf. Sie besuchte wie andere Mädchen der Kölner Gesellschaft Privatschulen und beendete ihre Ausbildung in einem Klosterinternat in Brügge. Anders als vielfach üblich, wurde in der Familie Reichensperger auf die Ausbildung der Töchter Wert gelegt. Wenn sie auch keinen Beruf ergreifen konnten, sollten sie doch mehr sein als die schmückende Ehefrau an der Seite eines Mannes.
Im Jahr 1878 heiratete Marie Reichensperger Jakob Le Hanne. Das Paar zog mehrfach um, reiste viel und pflegte Freundschaften in ganz Europa, bis Jakob Le Hanne im März 1889 plötzlich starb. Im Juli 1889 kam ihr gemeinsames Kind zur Welt und überlebte seine Geburt nur um einen Tag.
Nach diesen Schicksalsschlägen suchte Marie Le Hanne Reichensperger nach einer sinnvollen Aufgabe und fand sie 1891 im Engagement für Frauen und Kinder in Not.
In Ermangelung politischer und gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten waren zu dieser Zeit überall in Deutschland Frauenvereine entstanden, die sich für mehr Frauenrechte, Bildungschancen und gegen Frauenarmut engagierten.
Inspiriert von dieser Idee und getragen von der katholischen Soziallehre, begann Marie Reichensperger, damals noch in Koblenz, mit dem Aufbau von Hilfen für Familien, für Mütter und ihre nichtehelichen Kinder und von Ausbildungsprojekten für weibliche Jugendliche.
1895 erweiterte sie ihre Arbeit um die Betreuung weiblicher Strafgefangener und Haftentlassener.
1899 entschied sich Marie Reichensperger, nach Köln zurückzukehren. Immer noch gut vernetzt mit den Familien des Kölner Bürgertums, gelang es ihr bald, eine Gruppe gleichgesinnter Frauen um sich zu scharen und ihre Koblenzer Arbeit in Köln fortzusetzen.
In Dortmund hatte kurz vorher Agnes Neuhaus den "Verein vom Guten Hirten" gegründet, um Mittel für die Unterbringung von haftentlassenen Mädchen und Frauen in den Klöstern der "Schwestern vom Guten Hirten" zu beschaffen.
Im August 1900 trafen sich die beiden Frauen im Haus der Familie Reichensperger am Klapperhof 14 in Köln. Agnes Neuhaus überzeugte Marie Reichensperger von der Notwendigkeit der Vereinsgründung, die im Dezember 1900 vollzogen wurde. Der Impuls, den Vereinsnamen zum Jahreswechsel 1901/1902 in "Katholischer Fürsorgeverein für Mädchen und Frauen" zu verändern, ging dann wieder von Köln aus.
In den folgenden Jahren baute Marie Le Hanne Reichensperger systematisch die Angebote des Vereins aus. Sie und ihre Mitstreiterinnen übernahmen Vormundschaften über Waisen und vernachlässigte Kinder, in ihrem Elternhaus richtete sie die Jugendschutzstelle "Reichenspergerhaus" und das Mädchenwohnheim "Haus Maria Schutz" ein. Im "Josefshaus" entstand eine erste Mutter-Kind-Einrichtung.
Marie Le Hanne Reichensperger starb am 02.10.1921. Agnes Neuhaus war Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und von 1920 bis 1930 Abgeordnete der Zentrumspartei im Reichstag. Sie engagierte sich insbesondere für das 1924 verabschiedete Reichsjugendwohlfahrtsgesetz und die Jugendhilfe in freier, konfessioneller Trägerschaft und starb schließlich 1944.
Der von ihr gegründete Verband trägt heute den Namen Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), er ist als sogenannter Personalfachverband dem Deutschen Caritasverband angeschlossen.
Anne Rossenbach
Clara Hellraeth
Die Frau der ersten Stunde
In die Wiege gelegt war es Clara Hellraeth nicht, dass sie den Katholischen Fürsorgeverein (KFV), heute Sozialdienst katholischer Frauen, im Bistum Münster aufbauen und in ihrer Funktion als Vorsitzende 1916 Mitgründerin des Caritasverbandes für die Diözese Münster werden sollte. Gutbürgerlich kann man ihre Herkunft nennen. 1865 wurde sie als älteste von vier Töchtern des Ochtruper Textilindustriellen Laurenz geboren und heiratete den Justizrat Hermann Hellraeth, mit dem sie 1900 nach Münster zog.
Sie führte den Haushalt standesgerecht, öffnete das große Haus an der Fürstenbergstraße "der vornehmen Gesellschaft", wie es heißt, und bekam vier Kinder. Ihr soziales Engagement kam überraschend. Die Arbeit des KFV war ihr nicht bekannt, bis Domkapitular Hermann Rüping sie ansprach. Er hatte sie gleich als Vorsitzende der neuen Ortsgruppe des KFV ausersehen und dies auch schon mit ihrem Mann besprochen. Clara Hellraeth war erschrocken, traute sich das nicht zu. Wurde dann aber ab 1903 über Jahrzehnte bis zu ihrem Tod 1942 der Motor des Katholischen Fürsorgevereins in der Diözese, der zu einem der aktivsten bundesweit wurde.
Agnes Neuhaus, Begründerin des KFV, nahm Clara Hellraeth und ihre Mitstreiterinnen vor allem am Anfang an die Hand. Auf der Geschlechtskrankenstation des Clemens-Hospitals, die sie zusammen besuchten, lernte Hellraeth ein junges "bedauernswertes Opfer der furchtbaren Krankheit" kennen, für das sie die Vormundschaft übernahm.
Der Einsatz des KFV unter anderem für ledige Mütter blieb allerdings vor dem Hintergrund der damaligen moralischen Vorstellungen nicht ohne Kritik. Es werde dem "Laster" Vorschub geleistet, warfen Kritiker Hellraeth und ihren Mitstreiterinnen vor. Ganz gefeit vor diesen Einstellungen war sie selbst nicht. Um die "schwer gefallenen" und "verwahrlosten" Mädchen und Frauen der "Außenwelt" zu entziehen, gründete Clara Hellraeth Anfang der 1920er-Jahre das Anna-Katharinen-Stift einige Kilometer vor den Toren von Dülmen, heute ist es eine Behinderteneinrichtung in Trägerschaft des SkF-Gesamtvereins.
Das starke Engagement und die vielfältigen Erfahrungen in der sozialen Arbeit legten es nahe, dass Clara Hellraeth die Gründung des Caritasverbandes für die Diözese Münster mit vorantrieb. Sie arbeitete mit im geschäftsführenden Vorstand und war das einzige weibliche Mitglied im ersten Vorstand.
Clara Hellraeth nahm ihre caritativen Aufgaben trotz aller gesellschaftlichen Verpflichtungen und ihrer Rolle als Mutter voll an. Unterstützt wurde sie von ihrem Mann, der selbst 1924 den Sozialdienst Katholischer Männer im Bistum Münster gründete. Über fast 40Jahre baute sie auch dank organisatorischem Geschick den KFV bis auf 79 Ortsgruppen im Jahr 1933 auf. Ab dann schränkten die Nationalsozialisten die Aktivitäten ein, übernahmen Einrichtungen und Dienste. Im Krieg wurde nicht nur 1941 das Vereinsbüro mit allen Unterlagen zerstört, sondern auch unter anderem das Antoniusstift und das Gertrudenhaus in Münster. Wohl auch diese Rückschläge griffen Clara Hellraeths Gesundheit mit an. 1942 starb sie auf ihrem Landgut Waldhof bei Burgsteinfurt, auf das sie sich zuletzt zurückgezogen hatte.
Harald Westbeld
Elisabeth Denis und Maria Steenken
Wandernde Kirche
Arbeitsdienst, Landjahr, Pflichtjahr, Umschulungslager, Dienstverpflichtungen in Munitionsfabriken - lang ist die Liste der Zwangsdienste, die sich die Nazis für junge Menschen im Dritten Reich ausdachten. "Du bist nichts, dein Volk ist alles", mit diesem Anspruch sollten Jugendliche erst gar nicht auf die Idee kommen, ihre Persönlichkeit frei entfalten zu wollen. Wer ihnen dennoch dabei half, geriet in Lebensgefahr. So wie die Mitarbeiterinnen des katholischen Mädchenschutzvereins, heute IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit.
Eine Kernaufgabe des katholischen Mädchenschutzes war die Betreuung von jungen Frauen, die in Scharen in die Städte strömten, um Arbeit zu suchen, in der Regel in Privathaushalten, in Hotels oder der Gastronomie. Die Bewahrung vor "sittlicher Gefährdung", wie die Aufgabe des Vereins oft zusammengefasst wird, gibt nur unzureichend wieder, worin die eigentliche Arbeit bestand: Vermittlung in geprüfte Stellen und damit Schutz vor Ausbeutung und Gewalt, preiswerter Wohnraum sowie Bildungs- und Freizeitangebote. Selbst Hilfen bei der Weiterwanderung in andere westeuropäische Länder waren möglich. Die jungen Frauen sollten sich heimisch fühlen in der Fremde, auch aufgehoben im Schoß der ihnen von zu Hause vertrauten katholischen Kirche.
Genau solche Rückzugsorte und "ideologische Inseln" wollten die Nazis um jeden Preis verhindern. Umgekehrt hielt der katholische Mädchenschutz zäh an seiner Aufgabe fest und setzte alles daran, die jungen Frauen auch weiterhin zu erreichen und in den Zwangsdiensten des Dritten Reiches zu begleiten. Der Aufwand war enorm. Allein im Erzbistum Paderborn gab es 18 hauptamtliche Mitarbeiterinnen, die vor allem im Ostteil des Bistums, also im Raum Magdeburg und Halle, tätig waren. Unter dem Schutz von mutigen Priestern und bisweilen als Seelsorge-Helferinnen getarnt, gingen die Fürsorgerinnen ans Werk. Sie organisierten Treffen und Gottesdienste, überbrachten Nachrichten aus der Heimat. "Wandernde Kirche" hieß die Aktion etwas verharmlosend. Motor war auf nationaler Ebene Elisabeth Denis (1900-1969), von 1928 bis zu ihrem Tod Generalsekretärin des Verbandes. Unter den engagierten Frauen im Erzbistum Paderborn sticht die junge Maria Steenken heraus, Geschäftsführerin des Mädchenschutzes in Dortmund. Ihre Texte und Briefe spiegeln die tiefgläubige Motivation für diese gefährliche Arbeit wider. Am 27. März 1945 wurde die promovierte Fürsorgerin mit nur 33 Jahren Opfer des schweren Bombenangriffs auf Paderborn.
Die Nazis konnten Mädchen ab dem 16. Lebensjahr zu einem Einsatz in der Landwirtschaft zwingen. Offiziell zwar nur für ein halbes Jahr, doch konnte dieser Zeitraum immer wieder verlängert werden. Wer Pech hatte, landete in Massenunterkünften wie den berüchtigten "Schnitterkasernen" in Sachsen-Anhalt, die ursprünglich für Saisonarbeiterinnen aus Schlesien gebaut waren. Allein im Dekanat Eisleben gab es 110 dieser "Kasernen" für rund 10000 Personen. Die Mädchen litten unter Heimweh, Einsamkeit, körperlichen Strapazen und auch unter Übergriffen männlicher Mitbewohner. Eine enorme Herausforderung für den Mädchenschutz. Allein die Mädchenschutzstelle in Halle/Saale betreute 1938 fast 4000 Arbeiterinnen. Nach Kriegsausbruch mischten sich unter die dienstverpflichteten jungen Frauen Zwangsverschleppte aus halb Europa. Die Gruppenarbeit mit den jungen Frauen wurde immer gefährlicher. Es gab sogar konspirative Treffpunkte der Mädchenschutzfrauen wie das "Dufthäuschen", eine Drogerie in Halberstadt.
Hochgefährlich war vor allem die Betreuung von reinen Zwangsarbeiterinnen-Lagern. Auch hier war der katholische Mädchenschutz aktiv - in Zusammenarbeit mit Ordensfrauen, die nach Schließung der Klosterschulen nicht mehr als Lehrerinnen tätig sein durften. Sie schleusten sich im Auftrag des Mädchenschutzes inkognito in die Lager ein, verrichteten bisweilen dieselbe Arbeit wie die Lager-Insassen, auch unter Tage in den Rüstungsbetrieben. Manche kamen dabei ums Leben. Insgesamt wurden nach Angaben von Benedicta M. Kempner ("Nonnen unter dem Hakenkreuz") rund 400 Ordensfrauen Opfer des Dritten Reiches.
Jürgen Sauer
Maria Elisabeth Schwingen
Am Anfang waren zwei Pfirsichkerne
Der VW-Käfer war ihr Markenzeichen, schwarz, Brezelfenster, knallrote Sitze. Es soll in den 50er- und 60er- Jahren in Muffendorf am Rhein nur eine Person gegeben haben, die einen Käfer in dieser Farbkombination fuhr: Maria Elisabeth Schwingen, geboren am 12. September 1914. Aber was heißt schon: fuhr. Frau Schwingen raste. Durch die Muffendorfer Hauptstraße, vorbei an der Kirche St. Martin und an den Obstplantagen, ihren Obstplantagen.
Es war Johann Peter Schwingen, der Urgroßvater, der Mitte des 19. Jahrhunderts den Grundstein für die wohl größte Obstplantage von Muffendorf gelegt hatte. Mit zwei Pfirsichkernen, die er in den Boden pflanzte. Jahre später glänzt das beschauliche Fachwerkdörfchen als eines der schönsten Obstdörfer am Rhein mit seinen am Hang wachsenden Pfirsichbäumen. Hier, auf einem Gutshof mit großem Hoftor, wächst Maria Elisabeth Schwingen bei ihren Eltern und ihrem Onkel auf. Nach dem Tod des Vaters 1938 bewirtschaftet ihr Onkel die landwirtschaftlichen Flächen und die Obstplantage. Elisabeth, von klein auf der Natur verbunden, hilft bei der Ernte der Pfirsiche.
Obwohl sehr heimatverbunden, ist Maria Elisabeth Schwingen neugierig auf die Welt. Afrika hat es ihr angetan. Die Menschen, die Gastfreundschaft und die Leichtigkeit, mit der sie ihr Leben meistern, begeistern sie. Nach dem frühen Tod ihrer einzigen Schwester und ihres Vaters reist sie seltener. Sie hilft ihrem Onkel bei der Arbeit auf dem Hof und kümmert sich um ihre Mutter. Als diese 1961 stirbt, ist Maria Elisabeth Schwingen allein.
Zeitlebens soll sie von einer eigenen Familie geträumt haben, doch dazu kommt es nicht. Wann immer sie kann, umgibt sie sich mit den Kindern ihrer Freundinnen. Maria Elisabeth Schwingen ist großherzig und offen. Die Menschen suchen ihre Nähe, weil sie so gut erzählen kann von ihren Reisen und dabei oft so laut lacht. Nur beim Thema Geld, da ist sie zurückhaltend und verschwiegen. Kaum einer ahnt, dass sie es ist, die schnell mal hilft, wenn das Geld bei Freunden und Bekannten knapp ist.
Maria Elisabeth Schwingen ist ein tiefgläubiger Mensch, ihr Geld soll irgendwann in eine Stiftung fließen. Als sie am 4. Juni 2002 stirbt, wird gemäß ihrem letzten Willen die "CaritasStiftung Elisabeth Schwingen - Hilfe für Kinder in Not" gegründet. Mehr als die Hälfte der Erträge des Stiftungsvermögens kommen regelmäßig bedürftigen Kindern in Entwicklungsländern zugute. In Sierra Leone unterstützt die "CaritasStiftung Elisabeth Schwingen" Projekte, die dazu beitragen, die Kindersterblichkeit zu senken und den Gesundheitszustand der Mütter zu verbessern. In Jordanien werden aus Stiftungsmitteln Kurse finanziert, die traumatisierte Flüchtlinge therapeutisch behandeln, ihnen eine Schulausbildung ermöglichen und die Chancen auf ein geregeltes Leben deutlich verbessern.
Mit den übrigen Mitteln werden Projekte im Erzbistum Köln gefördert wie beispielsweise Hilfen für sehr junge Eltern in schwierigen Lebensbedingungen, die von der Geburt ihres Kindes an in Alltags- und Erziehungsfragen unterstützt und begleitet werden.
Seit ihrer Gründung hat die Stiftung fast eine halbe Million Euro für Kinder in Not zur Verfügung gestellt.
Corinna Heratsch
Schwester Nikola (Renate) Ackfeld
Umbruch in der Jugendhilfe mitgestaltet
Streng konnte Schwester Nikola sein. Wenn es notwendig war. Aber auch Freiheiten gewähren, wenn "ihre" Jugendlichen nach Münster in die Disco wollten. Das ging nicht so weit, dass sie einen Schlüssel mitbekamen, die Abmachung war, an ihr Fenster unten links im "Landhaus" des Vinzenzwerks Handorf zu klopfen. Sie stand dann mitten in der Nacht auf und wusste, dass ihre Schützlinge wieder gut "zu Hause" angekommen waren.
Schwester Nikola hat keine Einrichtung oder einen Verband geleitet, so dass über sie wenig Archivmaterial vorliegt. Aber es gibt Zeitzeugen für die fast 50 Jahre, in denen sie in der Jugendhilfeeinrichtung in Münster-Handorf Kinder und Jugendliche begleitete. Sie steht in den 16 Lebensbildern der Festschrift zum 100-Jährigen des Diözesan-Caritasverbandes Münster für die vielen Tausend Mitarbeitenden, die ihr Leben mit großem Engagement der sozialen Arbeit gewidmet und sie beständig fortentwickelt haben.
Als Schwester Nikola 1963 vom Orden "Unserer Lieben Frau" mit 25 Jahren in den Dienst entsandt wurde, war sie gefestigt im Glauben und eingeschworen auf die Ordensregeln. Aber wie damals üblich, hatte sie keine pädagogische Ausbildung. Erst vier Jahre später besuchte sie einen entsprechenden Kurs. Das Umdenken in der Jugendhilfe hatte aber schon begonnen, und Schwester Nikola stand dafür, die neuen Ansätze im Vinzenzwerk umzusetzen. 15 bis 20 Mädchen, untergebracht in einem Schlafsaal, betreute sie anfangs. Einzel-und Doppelzimmer in einer von Alter und Geschlecht gemischten, eher familienähnlichen Gruppe waren 2005 der Standard, als sie in den Ruhestand wechselte.
Ging es Anfang der 60er-Jahre noch im Wesentlichen darum, den Kindern Schutz vor Verwahrlosung und Missbrauch zu bieten und sie zu versorgen, so wurde auch Schwester Nikola bald klar, dass Erziehung und Vorbereitung auf ein selbstständiges Leben hinzukommen mussten.
Auch im Ruhestand bis zu ihrem Tod 2011 hielt Schwester Nikola Kontakt zu Ehemaligen des Vinzenzwerks. Auch das ein "familienähnlicher Ansatz", der ihr aus der eigenen Großfamilie nicht fremd war. Sie stammte aus einer bäuerlichen Familie und wuchs als eines von zehn Kindern in Wadersloh auf. Wie üblich ging sie nach der Volksschule zur Hauswirtschaftsschule und legte 1958 ihr Examen als Hauswirtschaftsgehilfin ab. Ihr Vater tat sich zwar schwer damit, dass sie sich wenig später entschloss, in den Orden der Schwestern Unserer Lieben Frau einzutreten, aber dass Töchter aus bäuerlichen Großfamilien diesen Weg einschlugen, war in den ersten Nachkriegsjahrzehnten nicht unüblich.
Harald Westbeld
Kölner Diözesan-Caritasverband feiert 100-jähriges Bestehen
Der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Am 27. Februar 1916 wurde der Verband vom damaligen Kölner Erzbischof Felix Kardinal von Hartmann im Kölner Gürzenich gegründet - mitten im Ersten Weltkrieg, in einer Zeit von Hunger, Angst und Unsicherheit. Heute, 100 Jahre später, sind dem Diözesan-Caritasverband mehr als 2 000 Dienste und Einrichtungen angeschlossen. Unter dem Motto "Wir werden 100 - Sie feiern!" sind angeschlossene Einrichtungen eingeladen, Feste für ihre Klienten, Kunden und Besucher zu veranstalten, die der Diözesan-Caritasverband finanziell unterstützt. Mit einer Ausstellung "100 Jahre Leben" im Kölner Domforum wurden bereits Porträts und Lebensgeschichten von 100-Jährigen aus Caritas-Pflegeeinrichtungen gezeigt (www.100-jahre-leben.com). Ein Film zeigt außerdem Einrichtungen der Caritas im Erzbistum und lässt Prominente zu Wort kommen. Die Geschichte des Diözesan-Caritasverbandes wird in einer Chronik aufbereitet. Auch youngcaritas wird mit einer Aktion das Jubiläum aufgreifen. Vom 11. bis 13. Oktober findet dann die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes in Köln statt.
Weitere Informationen zum Jubiläum: www.caritasnet.de/jubilaeum
100 Jahre Caritasverband für die Diözese Münster
Am 26. Juli 1916 wurde in Münster die Gründungsurkunde für den Diözesan-Caritasverband unterzeichnet. In einem kleinen Büro begann als erster Caritassekretär Kaplan Heinrich Weber mit der Aufbauarbeit. Mit der Vertretung von rund 2 600 Diensten und Einrichtungen ist der Caritasverband für die Diözese Münster einer der größten Verbände unter dem Dach der deutschen Caritas. Die Jubiläumsfeiern begannen Ende April mit einer Pilgerreise von Mitarbeitenden nach Rom (s. S. 43), es folgte der zentrale Festakt zum 100-Jährigen am 24. Juni (nach Redaktionsschluss). Geplant ist auch eine Wallfahrt gemeinsam mit dem Diözesan-Caritasverband Osnabrück (9. Juli). Unter dem Motto "100 Millionen Schritte - Menschen bewegen" wird eine Caritas-Jubiläums-Tour (31. August bis 6. September) mit Wanderungen und Begegnungen an zahlreichen Stationen in der gesamten Diözese Münster einer der Höhepunkte im Jubiläumsjahr sein. Am 18. September findet dann in Münster die bundesweite Eröffnung des Caritas-Sonntages statt.