Flächendeckend etabliert
Im Jahr 2003 tat die nordrhein-westfälische Landesregierung den ersten Schritt zur Einrichtung offener Ganztagsschulen im Primarbereich, um den Schülerinnen und Schülern mehr Bildungschancen zu eröffnen und Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
Die Gesellschaft verändert sich stetig, das hat Auswirkungen auf die Lebenssituation von Eltern und Kindern. Über 82 Prozent der Frauen in Deutschland zwischen 25 und 54 Jahren sind berufstätig (OECD; 2013; 77 Prozent im Jahr 2000). Erst das Angebot entsprechender Betreuungsplätze, also auch einer Nachmittagsbetreuung in den Schulen, ermöglicht es vielen Müttern, ihren Beruf nach der Elternzeit wieder auszuüben.
Die Skepsis über die Schließung der "guten alten Horte" und das als "Billigmodell" etikettierte Angebot der offenen Ganztagsgrundschule war 2003 groß. Heute diskutiert man beim Ausbau des Ganztags nur noch selten über das "Ob", geblieben sind allerdings die Debatten über das "Wie".
Mit dem flächendeckenden Ausbau und einem flexiblen und bedarfsgerechten Umbau von Schulen zu Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen sind nämlich längst höhere Zielsetzungen verknüpft als eine reine Über-Mittag-Betreuung: Die Angebote im Ganztag sollen dazu dienen, ein ganzheitliches Bildungs-, Erziehungs-, Betreuungs- und Förderangebot vorzuhalten.
Anders als in anderen Bundesländern ist in Nordrhein-Westfalen die Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Partnern ein grundlegendes Prinzip in der Entwicklung von Ganztagsschulen. Die Kooperation von Schule und Jugendhilfe ist im Schulgesetz und im Kinder- und Jugendfördergesetz gesetzlich verankert. Die Kooperation zweier durchaus unterschiedlicher Systeme mit gehörigen Eigendynamiken sollte ein verändertes Verständnis von Schule fördern, eine neue Lernkultur sollte sich entwickeln und die bessere Förderung von Schülerinnen und Schülern ermöglichen. An diesen Zielen muss sich auch die konkrete Politik im Hinblick auf die OGS messen lassen.
Rahmenbedingungen, -vereinbarungen
Die nordrhein-westfälische Landesregierung stellt Lehrerstellen und Personalkostenzuschüsse für den Betrieb der OGS zur Verfügung und setzt Rahmenbedingungen. Mit zentralen zivilgesellschaftlichen Partnern wie den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, aber auch Trägerverbänden aus Kultur, Sport, Museumspädagogik und Bibliotheken sowie Natur- und Umweltverbänden hat die Landesregierung Rahmenvereinbarungen abgeschlossen. Bislang fehlen jedoch landesweit verbindliche Mindeststandards wie beispielsweise ein verbindlich festgelegter Personalschlüssel, ein verpflichtendes Fachkräftegebot, ein vorgeschriebenes bindendes Raumkonzept, so dass die Qualität der Ganztagsangebote in unterschiedlichen Kommunen und an verschiedenen Standorten häufig sehr weit auseinanderklafft. Denn die konkrete Planung und Umsetzung werden vor Ort geleistet, weil der Ganztag ein wesentlicher Gegenstand einer aufeinander abzustimmenden Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung in den Kommunen ist.
Ganztagsangebote bei der Caritas
Die Caritas setzt sich ein für ein multiprofessionelles Team aus pädagogischen Mitarbeiter(inne)n (Dipl.-Sozialpädagog[inn]en/Sozialarbeiter[inne]n, Erzieher[inne]n, Dipl.-Pädagog[inn]en), die von Ergänzungskräften (z. B. Kinderpfleger[inne]n oder sonstigen geeigneten Kräften, Studenten, hauswirtschaftlich Tätigen und Ehrenamtlichen) unterstützt werden. Die meisten Angestellten verfügen über ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Lehrer(innen) der Schule wirken im Rahmen der vorgesehenen Lehrerstunden im Ganztag mit.
Sozialraumbezug/Migration/Inklusion
Der professionelle Anspruch, für alle gleichermaßen zugänglich und unterstützend zu sein, immer wieder kreativ nach den jeweils angemessenen Zugangsstrategien und methodischen Herangehensweisen zu suchen, ist die grundsätzliche Aufgabe aller Bildungseinrichtungen.
Aktuell muss der offene Ganztag auf den Flüchtlingszuzug, die Herausforderungen bei der Umsetzung der Inklusion und eine stärkere Sozialraum-Orientierung reagieren. Interkulturelle Öffnung stellt eine Querschnittsaufgabe dar. Dazu gehört zum einen die Weiterqualifizierung der Mitarbeiterschaft und zum anderen die Besetzung neuer Stellen mit Professionellen, die interkulturelle Kompetenz mitbringen.
Die Mindeststandards für ein dem Recht eines jeden Kindes auf Erziehung, Bildung und Betreuung entsprechendes Ganztagsangebot bedingen eine auskömmliche Finanzierung. Zu beklagen ist jedoch, dass selbst das Kernangebot OGS, d. h. die Mindestqualität ohne zusätzliche individuelle Förderangebote, Inklusionskräfte etc., wesentlich teurer ist, als die Fördersummen von Land und Kommunen vorsehen.
Die LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW hat in einem Positionspapier zur (Unter-)Finanzierung der offenen Ganztagsschule im Primarbereich Stellung genommen und eigene Berechnungen vorgelegt. Zu beziehen unter diesem Link.
Der kommunale Beitrag
422 Euro ist derzeit der verpflichtende Minimalbeitrag. Er wird in der Regel von den Kommunen durch Elternbeiträge erbracht. Einige Kommunen stellen darüber hinaus einen freiwilligen Zusatzbeitrag für die OGS zur Verfügung. Dies gilt vor allem für eher finanzstarke Kommunen, aber nicht ausschließlich.
Die Elternbeiträge
Elternbeiträge sind für die OGS im Ganztagserlass des Ministeriums geregelt. Sie sollen sozial gestaffelt erhoben werden. Die Kommunen sollen einen Ausgleich zwischen Schulen mit höherem und niedrigerem Elternbeitragsaufkommen erbringen. Sie können Geschwisterkinder berücksichtigen. Viele Kommunen, aber nicht alle gewähren besonders finanzschwachen Familien Beitragsfreiheit. Die Elternbeiträge für die OGS sind im Unterschied zu den Elternbeiträgen für Kindertageseinrichtungen derzeit auf 180 Euro pro Monat gedeckelt. Für Ferienangebote und Mittagessen können zusätzliche Beiträge erhoben werden.