Abkoppeln vom Armutszeugnis
Immer wichtiger in der Bildungskette junger Menschen ist die vor zwölf Jahren eingeführte offene Ganztagsschule. Sie ist weder als reine Übermittagsbetreuung gedacht noch als Fortsetzung des Unterrichts am Nachmittag. Für uns als Caritas ist sie ein ganzheitliches Begleiten junger Menschen in einer Lebensphase, in der sie besonders intensiv nach Orientierung suchen.
Allein im Erzbistum Köln legen mehr als 300 offene Ganztagsschulen in kirchlicher Trägerschaft ein deutliches Zeugnis dieses Engagements ab.
Durch den voranschreitenden Ausbau der Ganztagsangebote verbringen Kinder mittlerweile einen Großteil ihres Tages in der Schule. Schule entwickelt sich zunehmend zur zentralen, die Kinder prägenden Lernwelt. Hier machen sie abseits ihrer Rolle als Schülerinnen und Schüler Selbst- und Gemeinschaftserfahrungen, die sie für das Miteinander in der Gesellschaft stärken. Der offene Ganztag dient nicht nur der reinen Betreuung. Er ist ein Ort des Lebens und des Lernens, somit ein Ort der ganzheitlichen Bildung. Dafür braucht es eine pädagogische Kultur, die die Kinder in ihren Lebensfragen nicht alleinlässt - und die gibt es nicht zu Dumping-Preisen.
Die Qualität der Ganztagsschulen hängt aktuell maßgeblich von den freiwilligen Leistungen der einzelnen Städte und Kommunen ab. Große regionale Ungleichheiten mit Blick auf die Finanzierung, Standards und Strukturen sind die Folge. Das lässt sich auch durch die pauschale Erhöhung der kommunalen Pflichtanteile nicht ausgleichen. Das Land NRW ist gefordert, eine angemessene Finanzierungsgrundlage für Ganztagsschulen zu gewährleisten - unabhängig vom Finanzstatus der Kommunen und Städte. Nur so ist auch die Qualität landesweit vergleichbar, so dass alle Kinder eine ähnliche Förderung erhalten.
Eine ausreichende Grundfinanzierung ist jedoch nur die Basis. Für eine gute offene Ganztagsschule ist es wichtig, dass die Ausstattung sach- und kindgemäß ist und dass die Räumlichkeiten an die Bedürfnisse der offenen Ganztagsschule angepasst sind. Es bedarf dringend eines verbindlichen Raumkonzeptes, das alle in der Schule zur Verfügung stehenden Räume einbezieht und die Barrierefreiheit im Blick hat.
Aktuell baut die OGS kräftig am deutschen Armutszeugnis mit, wonach der Bildungserfolg der Kinder an ihre soziale Herkunft gekoppelt ist. Die Abschaffung der Elternbeiträge sollte also kein Tabu mehr sein; denn die Beiträge erweisen sich für immer mehr Kinder als Hürde auf dem Weg zur Chancengleichheit.
Nur wer angemessen zahlt - beispielsweise innerhalb der kirchlichen Tarifstruktur -, bekommt auch qualifiziertes pädagogisches Personal. In den offenen Ganztagsschulen sollten multiprofessionelle Teams von Schule und Jugendhilfe auf Augenhöhe zusammenarbeiten; mit Lehrkräften und ausgebildeten pädagogischen Fachkräften. Ergänzend können auch andere Kräfte tätig sein, die durch Fort- und Weiterbildungen für die Arbeit qualifiziert werden. Qualitativ hochwertige Förderung der Kinder kann es nur geben, wenn auch Zeit für die Förderung des Personals berücksichtigt wird: Dazu gehören Fortbildungen, Teamentwicklung, vermehrte Zusammenarbeit von Lehrern und pädagogischen Mitarbeitern, zum Beispiel durch die Teilnahme an Lehrerkonferenzen.
Im Rahmen des Gesamtkonzeptes des offenen Ganztags kommt der Gestaltung der Mittagszeit eine besondere Bedeutung zu - Tischsitten, Rituale und das leibliche Wohl(befinden) der Kinder sind kulturprägend. An der Qualität und am Küchenpersonal zu sparen, sollte also gar nicht erst zur Debatte stehen.
Damit die schlechte Finanzierung nicht immer mehr Träger vor die Wahl stellt, mindere Qualität anzubieten oder aus dem offenen Ganztag aussteigen zu müssen, fordert die verbandliche Caritas in NRW für die Zukunft bessere und geregelte Rahmenbedingungen für dieses Bildungsangebot. Die Lern- und Lebensbildung unserer Kinder sollte das uns allen wert sein!