Rechtmäßig hier
Sie sind aus der ärmsten Gegend in Rumänien gekommen, um für ihre Familien Geld zu verdienen. Doch dabei haben sie kaum selbst genug, um in der Stadt zu überleben. So hausen sie in Erdlöchern und unter Planen.Arton Krasniqi
In Köln sind mittlerweile rund 10.000 Rumänen und Bulgaren gemeldet, es dürften weitaus mehr sein. Es wird höchste Zeit für intelligente gemeinsame Konzepte von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und Selbsthilfeorganisationen, um diesen Menschen zu helfen, die sich als EU-Staatsbürger legal in Deutschland aufhalten.
Wenn von Rumänen und Bulgaren in Deutschland die Rede ist, tauchen sofort Bilder auf. Bilder von Menschen, die betteln, von Menschen, die im Elend hausen, sich am "Arbeiterstrich" als Tagelöhner anbieten oder als Zwangsprostituierte ausgebeutet werden. Auch wie über diese Menschen geschrieben wird, trägt zur Stimmungsmache bei. Wenn Medien angesichts der vollständigen Arbeitsmarktöffnung seit Januar von einer "Einwanderungswelle, die auf uns zurollt", schreiben, von einem "Zustrom von Zuwanderern" berichten, schüren sie Ängste. Solche Bilder und Worte setzen sich in unseren Köpfen fest und werden übermächtig.
Daher lautet eine zentrale Forderung der Caritas: Wir brauchen eine andere Kommunikation zu diesem Thema, wir brauchen keine Skandalisierung, die diese Menschen weiter diskriminiert. Wir brauchen eine Kultur und Kommunikation über Zuwanderer, die respekt- und würdevoll ist und die Bereicherung wahrnimmt.
Eines ist klar: Rumänen und Bulgaren sind als EU-Staatsbürger rechtmäßig hier. Es war ein gewollter politischer Prozess, dass die Europäische Union 2007 um Rumänien und Bulgarien erweitert wurde. In Deutschland profitieren wir von den qualifizierten Fachkräften aus diesen Ländern, die 80 Prozent aller hier lebenden Rumänen und Bulgaren ausmachen. Und wir haben eine humanitäre Verantwortung für die 20 Prozent der Menschen, die zuwandern und nichts haben. Es ist nur zu verständlich, dass auch diejenigen zu uns kommen, die in ihren Heimatländern in Armut leben und sich hier ein besseres Leben erhoffen.
Vor ihren drängenden Problemen kann niemand die Augen verschließen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. In Köln ist vor allem die Wohnungssituation prekär. Viele sind obdachlos, oder ihre Elendssituation wird ausgenutzt, indem sie für ein Bett in überbelegten Wohnungen Wucherpreise zahlen, sich verschulden und dadurch in Abhängigkeit geraten.
Hungerlöhne auf dem Schwarzmarkt
Bei einer Podiumsdiskussion auf Einladung der Kölner Caritas nahm die Sozialdezernentin der Stadt, Henriette Reker, dazu Stellung: "Wir haben zurzeit bereits Probleme, die Flüchtlinge unterzubringen, aber sie werden untergebracht, dazu besteht eine rechtliche Verpflichtung. Rumänen und Bulgaren müssen wir keinen Wohnraum zur Verfügung stellen und können es auch nicht." Sie kämpfe aber "mit Klauen und Zähnen" gegenüber der Politik für angemessene finanzielle Mittel zur Lösung der sozialen Probleme, aber auch Land, Bund und EU sind gefordert, die Kommunen ausreichend bei diesen Aufgaben zu unterstützen.
Diejenigen, die aus großer Armut in ihren Heimatländern nach Deutschland kommen, wollen arbeiten, egal was, Geld verdienen, um ihre Familien zu Hause zu unterstützen. Sie arbeiten als Tagelöhner in prekären Arbeitsverhältnissen, bekommen einen Hungerlohn, nicht selten wird ihnen dieser auch noch vorenthalten. Es braucht konsequente Maßnahmen gegen solche Arbeitgeber und gegen Schwarzarbeit, um den Teufelskreis für die betroffenen Menschen zu durchbrechen. Hier ist zu hoffen, dass sich mit der vollständigen Öffnung des Zugangs zum Arbeitsmarkt die Lage entspannen wird.
Bei den zuwandernden Familien sind meist die Kinder die besonders Leidtragenden. Viele Kinder werden schulisch nicht erreicht, oder es dauert Monate, bis sie einen Platz in einer Schule zugewiesen bekommen, der nicht immer wohnortnah ist. Kürzlich haben Wohlfahrtsverbände und Vereine in Köln die Initiative "Schulplätze für alle" gegründet, die von der zuständigen Landesbehörde fordert, die unmittelbare Beschulung der Kinder sicherzustellen. Für gelungene Integration sind an den Schulen zudem muttersprachliche Beratung und Integrationslotsen erforderlich.
Die Krankenversicherung ist in der Regel unzureichend und deckt nicht die tatsächlich vorhandenen Nöte und Bedarfe ab. In Köln helfen die ehrenamtlich tätigen Ärzte und Ärztinnen der Malteser Migranten Medizin. Allerdings werden sie geradezu überrannt und kommen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, berichtet Mitarbeiterin Ulla Klocke.
"Sollen wir sie zurückschicken in die Gosse?"
Die Wohlfahrtsverbände versuchen nach Kräften zu helfen. Existenzielle Angebote wie Lebensmittelausgaben, Kleiderkammern, Notschlafstellen, Dusch- und Waschmöglichkeiten werden intensiv genutzt. Die freien Träger der Beratungsstellen und Hilfeangebote können den zusätzlichen Bedarf aber nicht von sich aus finanzieren, mit der jetzigen Infrastruktur sind sie angesichts der großen Nachfrage überfordert. Eindrücklich richten Mitarbeiterinnen der Bahnhofsmission bei der Kölner Veranstaltung einen Appell an Sozialdezernentin Reker: "Mittlerweile sind ein Fünftel der Menschen, die bei uns nach Hilfe fragen, aus Rumänien und Bulgarien. Was sollen wir ihnen sagen, wo sollen wir sie hinschicken? Wieder in die Gosse zurück?"
Uli Lange von der Kontakt- und Beratungsstelle für Wohnungslose des SKM Köln berichtet von täglich 70 Rumänen und Bulgaren, die kommen. Mittlerweile verdrängen sie die anderen Hilfesuchenden. Es fehlen Konzepte in der Stadt, wie diese Menschen aufgefangen werden können.
Angesichts der Notlagen fordern die Freien Wohlfahrtsverbände in Köln vom Bund, dass ein ausreichender Zugang zu medizinischer Versorgung gewährleistet wird und die besonders belasteten Kommunen einen stärkeren Ausgleich bekommen. Das Land NRW muss schulische Versorgung und sprachliche Unterstützung für Kinder sicherstellen und darf in seinem Engagement gegen "Zweckentfremdung" von Wohnraum aufgrund wirtschaftlicher Interessen nicht nachlassen.
Und die Stadt Köln? Statt Kürzung von Projektmitteln in den Sozialräumen sollten diese Mittel für integrative Maßnahmen zugunsten benachteiligter Einwanderergruppen genutzt werden.
In den Beratungsstellen werden Integrationshelfer und Kulturmittler gebraucht, die die Sprache sprechen. Dafür muss die Finanzierung sichergestellt werden. So kann Zugang zu den Hilfesuchenden gefunden werden, sie können leichter Informationen erhalten und motiviert werden, Deutsch- und Integrationskurse zu besuchen und sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Vor allem Kinder und Jugendliche müssen unterstützt werden, damit sie in Kitas und Schule Fuß fassen. Dafür ist ein Ausbau der Schulsozialarbeit notwendig.
Seit den Beitritten im Jahr 2007 hat die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien stark an Dynamik gewonnen. 2007 waren es 64000, 2012 kamen 175000 Bulgar(inn)en und Rumän(inn)en nach Deutschland. Von diesen Zuwanderer(inne)n blieb die Mehrheit nicht langfristig, der Wanderungssaldo von Bulgar(inn)en und Rumän(inn)en lag 2012 bei 70000. Damit lebten Ende 2012 offiziell ca. 118000 Bulgar(inn)en und ca. 204000 Rumän(inn)en in Deutschland. Die Erwerbstätigenquote liegt bei den erwerbsfähigen Bulgar(inn)en und Rumän(inn)en bei ca. 80 Prozent. 2012 gingen ca. 100000 Bulgar(inn)en und Rumän(inn)en einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Der Anteil der sogenannten Solo-Selbstständigen ist auch wegen der Beschränkungen beim Zugang zu unselbstständiger Beschäftigung relativ hoch.
Quelle: Deutscher Caritasverband
Kulturmittler: Beispiel für andere Städte?
Der Caritasverband Köln hat vor Kurzem Mihaly Lakatos als sogennannten Kulturmittler für Recherchen und Bedarfsermittlung der EU-Zuwanderer aus Rumänien eingestellt.
Er spricht rumänisch und kann sich inzwischen vor lauter Anfragen kaum noch retten.