Nicht anschauen – mitmachen!
Hinter dem nüchternen Namen verbirgt sich das "Herz" dieses Projektes, das gemeinsam vom Caritasverband Dortmund und dem Spar- und Bauverein getragen wird und als Musterbeispiel selbst organisierter Nachbarschafts-Aktivierung in der südwestlichen Innenstadt gilt.
Über 500 Bewohner besuchen pro Monat die Angebote des Treffs, etwa jeder fünfte Bewohner des Althoffblocks hat damit Kontakt mit dem Nachbarschaftstreff. Umfang und Inhalt des Angebotes erinnern auf den ersten Blick an eine Mini-Volkshochschule: Von Sprachen bis Computer, von Spielen bis Rückentraining - jeden Tag finden bis zu sechs Veranstaltungen statt. Alles ist "selbst gemacht". Wer etwas anbieten kann, stimmt dies mit der Konzeptgruppe ab. Im Notfall bekommt er einen Schlüssel des Treffs, so dass auch abends oder an Wochenenden der Treff geöffnet ist.
Die beiden hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Caritasverbandes, Gerlind Domnick und Petra Emig, wurden für so viel Vertrauen noch nie enttäuscht. "Begleiten und moderieren", fasst Gerlind Domnick ihre Aufgaben zusammen. Neben Bildung spielt die gemeinsame Freizeitgestaltung eine wichtige Rolle. Der grüne Innenhof lädt zu Aktivitäten wie Boccia ein, für die Krabbelgruppe gibt es einen gepflegten Spielplatz. Das Gelände eignet sich ideal für Feste und Feiern. Ein Highlight ist der "Verschenke-Tag", eine Art Gratis-Flohmarkt für den Althoffblock. Mit dem Althoffblättchen ist der Treff außerdem Herausgeber einer respektablen kleinen Wohnviertel-Zeitschrift, natürlich auch ehrenamtlich erstellt. Über Bildung und Begegnung wachsen tragfähige nachbarschaftliche Beziehungen - die eigentliche "nachhaltige" Wirkung des Projektes.
Die Konzeptgruppe des Nachbarschaftstreffs trifft sich jeden Monat. Die 14 Ehrenamtlichen beraten vor allem über neue Angebote, müssen darüber entscheiden, was geht oder was nicht zum Treff passt, weil etwa die Räumlichkeiten zu klein sind oder bestimmte Zielgruppen wie Jugendliche nicht adäquat mit selbst organisierten Angeboten bedient werden können. Weil fast alle Mitglieder der Konzeptgruppe auch im Althoffblock wohnen, kennen sie die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner in ihrem besonderen, denkmalgeschützten Viertel. Ursprünglich ab 1914 als Mustersiedlung für Arbeiter und kleine Angestellte errichtet, sind die sieben Wohnkarrees mit den grünen Innenhöfen heute eine beliebte Wohnadresse. Verschmierte Graffiti-Hauswände gibt es hier nicht. Die rund 2000 eher kleineren Wohnungen sind bei Alleinlebenden begehrt, bei Senioren ebenso wie bei jungen Singles.
Klaus Lübbers ist mit seinen 50 Jahren in dieser Altersgruppe eine Ausnahme. Bewusst ist er als Frührentner wieder an den Ort seiner Kindheit zurückgezogen. "Hier kennt man sich und achtet aufeinander", fasst Lübbers die Vorteile des Althoffblocks zusammen. "Das gibt Sicherheit." Er liebt den täglichen Morgenspaziergang durchs Viertel, freut sich auf die Gespräche mit anderen Frühaufstehern. Lübbers organisiert für die Besucher des Nachbarschaftstreffs Tagesausflüge, etwa zum "Dortmunder U" oder zum Phoenixsee. "Vor allem Senioren wollen sehen, wie sich ihre Stadt verändert." Kunst und Kultur für den kleinen Geldbeutel, das ist Lübbers’ Spezialität. Alle Ausflüge kosten rund zehn Euro pro Person. Jeder erhält damit die Chance, dabei zu sein. Die Touren enden regelmäßig mit einem gemeinsamen Abendessen im Nachbarschaftstreff. Auch darum kümmert sich Klaus Lübbers. "Das macht mir einfach Spaß."
Mehr als Lust denn als Last empfindet auch Olga Ulrich ihr Ehrenamt im Nachbarschaftstreff. Seit den Anfängen im Jahr 1998 ist sie dabei, hat zunächst dafür gesorgt, dass vereinsamte Senioren über den Nachbarschaftstreff wieder ins Leben zurückfinden, etwa durch Sonntagsspaziergänge oder ein Erzählcafé. Wer kaum noch aus seiner Wohnung kommt, für den sind diese Kontakte Balsam für die Seele, hat Frau Ulrich festgestellt. "Die alten Menschen strahlen, wenn man sie ganz einfach mal in den Arm nimmt", sagt sie. Von Anfang an engagiert sie sich auch in der Konzeptgruppe, muss dort mitentscheiden, warum es aus Platzgründen keine Angebote für Jugendliche geben kann oder aber ein Bingo-Spiel mit bescheidenen Einsätzen durchaus drin ist. Wie hatte ihr doch eine Mitarbeiterin des Spar- und Bauvereins zur Gründung des Nachbarschaftstreffs geraten: "Nicht anschauen - mitmachen!" Olga Ulrich musste man das nicht zweimal sagen.
Eine "hohe Zufriedenheit" und ein "positives Selbstwertgefühl" - beides zählt zum persönlichen Gewinn, den Ehrenamtliche aus ihrem Engagement im Nachbarschaftstreff ziehen. In einer Befragung unter den Aktiven wurden aber auch die Grenzen des Engagements deutlich, etwa zeitliche Überforderung oder psychische Belastung. Gerlind Domnick: "Die Strategien sind dann verbale Absagen bis hin zum Rückzug aus dem Ehrenamt." Und noch etwas hat die Befragung gezeigt: Ohne Unterstützung und Begleitung, sei es durch andere Gruppenteilnehmer oder durch die hauptamtlichen Mitarbeiter, wäre ehrenamtlicher Einsatz in diesem Ausmaß nicht leistbar.