Eine Oase des Friedens
Shihab erfährt die Clown-Therapie im Caritas Baby Hospital Bethlehem.Meinrad Schade
Der Blick schweift von Jerusalem nach Süden zur Grenze: Wachtürme, eine acht Meter hohe Mauer und bewaffnete Militärs am Checkpoint prägen das Bild. Bethlehem liegt im palästinensischen Autonomiegebiet, nur wenige Kilometer von Jerusalem entfernt. Auf den Hügeln rund um die Stadt mit ihren 30000 Einwohnern befinden sich illegale jüdische Siedlungen. Immer mehr Palästinensern wird Land enteignet, und sie werden so ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt. 46 Prozent der Palästinenser leben unterhalb der Armutsgrenze. Eine gesetzliche Krankenversicherung gibt es nicht, private Versicherungen sind für die meisten unerschwinglich.
Etwa eine Autostunde entfernt von Bethlehem: In ärmlichsten Verhältnissen lebt in Hebron die Familie des 14 Monate alten Shihab mit seinen sechs Geschwistern. Der Vater kann mit dem spärlichen Einkommen als Tagelöhner die Familie kaum ernähren. Shihab leidet zudem an Cerebralparese, einer unheilbaren Behinderung. Es braucht viel Kraft, in einer kleinen, ständig feuchten Wohnung ein behindertes Kind rund um die Uhr zu pflegen. Wo das Wasserangebot immer knapp und von sauberem Trinkwasser keine Rede ist. Und die kinderärztliche Versorgung in der Westbank ist mit europäischem Standard nicht zu vergleichen. Shihab hat das Glück, im Caritas Baby Hospital Hilfe zu finden. Hier erhält er kostenlose medizinische Hilfe nach westlichem Standard. Seine Familie könnte sich die Therapien und Medikamente, die er braucht, nicht leisten. Schon neunmal war er hier mit verschiedenen Symptomen und akuten Infektionen.
Die permanente politische Instabilität und Unsicherheit macht Menschen zusätzlich krank. Der Nahostkonflikt bestimmt hier den Alltag: Auf dem Weg zum Caritas Baby Hospital begegnen uns demonstrierende palästinensische Jugendliche, später bricht der Verkehr zusammen. Es heißt, die Jugendlichen seien zur Mauer gezogen, hätten Steine geworfen, und israelische Soldaten hätten zurückgeschossen. Unser palästinensischer Taxifahrer ist außer sich, schließlich gelangen wir über große Umwege zum Hospital.
Inmitten von gepflegten Blumenrabatten empfängt uns eine Oase des Friedens. "Genau das wollen wir sein: eine Insel der Hoffnung für die Menschen, deren Lage immer verzweifelter wird", erzählt Reto Mischler, PR-Manager im Hospital. Praktisch autonom und unabhängig von der Realität außerhalb der Klinikmauern, ist hier eine andere Welt. Es gibt eine eigene Apotheke, Wasseraufbereitungsanlage, Energieversorgung und Sauerstoffproduktion - und vor allem medizinisch hochstehende Leistungen und eine ausgezeichnete Pflege.
Shihabs Mutter bleibt während der ganzen Behandlungen Tag und Nacht bei ihrem Sohn. Mütter erfahren während des Klinikaufenthaltes ihrer Kinder viel über richtige Pflege, Ernährung und Hygiene, Erste-Hilfe-Maßnahmen und Prävention. Sozialarbeiterinnen begleiten Familien, die in besonders schwierigen sozialen Verhältnissen leben.
Die Krankenstatistik des Caritas Baby Hospitals in Bethlehem zeigt: Armut macht vor allem Kinder krank. Bereits harmloser Durchfall kann zur lebensgefährlichen Bedrohung werden, weil schlechte hygienische Verhältnisse den Krankheitsverlauf beschleunigen. In Palästina ist die Kindersterblichkeit um zehn Prozent höher als in Europa.
In der Klinik herrscht aber auch ein besonderer Geist, der auf die Stimmung durchschlägt. Zum Beispiel dann, wenn Shihab plötzlich anfängt zu lachen, weil auf der Station die Clowns zu Besuch sind. Seit zwei Jahren setzt das Caritas Baby Hospital auf diese Therapieform, bei der im Rhythmus von zwei Wochen ein Clownspaar zum Einsatz kommt, ausgewählt aus zwölf Mitarbeitenden, die neben ihrer eigentlichen Aufgabe in der Kinderklinik für die Clown-Therapie speziell geschult wurden.
Zurück am Checkpoint, wo die westliche europäische und die orientalische Welt sehr schroff aufeinanderstoßen, kommt mir der Leitsatz des Caritas Baby Hospitals wieder in den Sinn: "Wir sind da" - als Hoffnungsträger für die Menschen der Westbank.
Caritas Baby Hospital
Bethlehem, Heiligabend 1952: Auf dem Weg zur Geburtskirche sieht Pater Ernst Schnydrig, wie ein verzweifelter Vater sein totes Kind in der Nähe eines palästinensischen Flüchtlingslagers im Morast begräbt. Pater Ernst Schnydrig, Sohn eines Walliser Bauern, ist tief erschüttert und handelt: Er mietet ein Haus, stellt 14 Betten hinein und nennt es "Caritas Baby Hospital". Er gewinnt den palästinensischen Arzt Dr. Antoine Dabdoub und die Schweizerin Hedwig Vetter für sein Projekt. Nie wieder soll einem Kind am Geburtsort Jesu medizinische Hilfe verwehrt bleiben. In der Schweiz gründet Schnydrig 1963 die Kinderhilfe Bethlehem als unabhängigen Verein mit Mitgliedern aus verschiedenen Ländern, um die Arbeit in Bethlehem finanziell zu sichern. Mitglieder sind u. a. der Deutsche Caritasverband, der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, die Diözesen Essen und Münster.
Spenden:
Kinderhilfe Bethlehem
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