Mit Herzenswärme
Familienpaten – ein großer GlücksfallMarkus Vahle
Wenn gemeinsame Lebensentwürfe zerbrechen oder Partnerschaften scheitern, so sorgt dies in der Regel nicht nur für eine emotionale Achterbahnfahrt auf beiden Seiten. Für die meisten Paare bedeutet eine Trennung eine tiefe Zäsur. Mit dem Partner geht nicht nur die gewohnte Stabilität verloren, sondern häufig auch das soziale Netz aus Familie und gemeinsamen Freunden, das im Alltag bislang trug.
Besonders Alleinerziehende bekommen das Wegbrechen der sozialen und familiären Strukturen im Alltag schmerzlich zu spüren. Plötzlich lastet sämtliche Verantwortung auf ihnen alleine. "Alles hatte sich durch die Trennung plötzlich verändert", erzählt Birgit W. (37), alleinerziehende Mutter einer zehnjährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes. Neben dem eigenen Trennungsschmerz, den es zu verarbeiten gilt, muss das Familienleben völlig neu organisiert werden. Gerade kurz nach einer Trennung kein leichtes Unterfangen. Doch um möglichst schnell gleichwertige Ersatzstrukturen zu schaffen, bedarf es viel Energie und Zeit, was fast zwangsläufig zu Überforderungen führt. Wenn in dieser Situation nicht auf Eltern, Großeltern oder andere Bezugspersonen zurück gegriffen werden kann oder auch die finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt sind, um etwa alternative Entlastungs- und Betreuungsangebote in Anspruch zu nehmen, gerät das Familienleben schnell aus den Fugen.
Einzelberatung und konkrete Hilfe
"Was schlicht fehlt, ist das soziale Ursprungsnetzwerk aus Familie und Freunden, auf das man im Bedarfsfall zurückgreifen kann und das gerade in der Großstadt häufig fehlt", hat die selbstständige Texterin schmerzlich erfahren müssen. Als Freiberuflerin ist die 37-Jährige besonders darauf angewiesen, während ihrer Arbeitszeiten entlastet zu werden und den Kopf möglichst frei zu haben. "Wenn die Kinder mal krank werden, ist eine Woche im Nu weg. Und wenn man in dieser Situation einen Oma- oder Opa-Ersatz hat, ist das eine tolle Sache", berichtet eine andere Alleinerziehende von ähnlichen Erfahrungen.
Daher wandten sich die Mütter an das Projekt "Familienpatenschaften", eine gemeinsame Initiative vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und des Katholischen Vereins für Soziale Dienste (SKM) im Aachener "Bündnis für Familien", die seit 2006 in diesem Bereich eine wichtige Angebotslücke schließt. Dort kennt man die vielfältigen Belastungen und Alltagsnöte von Familien und speziell von Alleinerziehenden nur allzu genau. Den bei vielen Gesprächskontakten von den Müttern geäußerten Wunsch nach Entlastung vom Alltagsstress und einem geregelteren Familienleben versucht man dort durch gezielte Einzelberatung, aber auch durch konkrete Hilfe gerecht zu werden.
Einfühlungsvermögen gefordert
"Der Wunsch nach Familie ist ein Bedarf, den man auch bei den Kindern nicht unterschätzen darf", sagt Projektmitarbeiterin Eva-Maria Wagner. Durch die Vermittlung geeigneter, ehrenamtlicher Paten, die stundenweise in die Familien gehen und kostenlos ihre Unterstützung und Erfahrung anbieten, versucht die Initiative den größten Belastungen von vornherein die Spitze zu nehmen und die Familien wirksam zu entlasten - nicht beliebig und nicht nur Kinderbetreuung. "Vielmehr geht es um den Aufbau von dauerhaft tragfähigen, sozialen Beziehungen mit nachhaltiger Entlastung", betont Wagner. Zuvor schauen sie und ihre Kollegin Marion Scheins ganz genau hin, wer zu wem passen könnte und welche Bedürfnisse auf beiden Seiten bestehen. Wenn Menschen in das System Familie hineingehen, ist das immer eine hochsensible Angelegenheit. "Unsere Paten, die aus ganz unterschiedlichen Gruppen und Altersschichten kommen, sind da in ihrem Einfühlungsvermögen mitunter sehr stark gefordert", erklären die beiden Projektverantwortlichen. Da könne es gerade am Anfang manchmal auch holprig werden. Bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe in den Familien werden die ehrenamtlichen Paten jedoch keineswegs allein gelassen, sondern in Form von Fortbildungsangeboten und Gesprächsmöglichkeiten jederzeit fachkundig begleitet und unterstützt.
Auch im Fall von Birgit W. konnte das Patenschaftsprojekt schnelle und unbürokratische Hilfe leisten, indem es eine passende Patin fand. Damit hatte die 37-Jährige noch großes Glück, denn die Wartezeiten können aufgrund der großen Nachfrage bisweilen sehr lang sein. "Wir können anfangs nie sagen, in zwei oder drei Wochen haben wir jemand Passendes gefunden. Manche Familien warten bis zu anderthalb Jahren", so Wagner. Schließlich sei niemandem damit gedient, wenn beide Seiten bereits nach kurzer Zeit zu der Einsicht kommen müssen, dass die Chemie nicht stimmt. Scheins: "Wir machen unseren Ehrenamtlichen in der Anbahnungsphase immer Mut, rechtzeitig anzusprechen, wenn sich irgendwelche Probleme ergeben. Die Offenheit ist ganz wichtig und schließlich soll das Ehrenamt ja vor allem Spaß machen." "Ich weiß nicht, wie Sie es fertig gebracht haben. Aber es ist einfach super", schwärmt Birgit W. "Meine Kinder können sich auf die Betreuung verlassen und umgekehrt. Das ist einfach wunderbar." Sie ist nicht nur heilfroh, dass ihre Kinder in der Patin eine neue Bezugsperson gefunden haben, die mit ihren regelmäßigen Besuchen das Familienleben entscheidend stabilisiert und entlastet. Auch die Tatsache, in ihr eine persönliche Ansprechpartnerin und Vertrauensperson bei Problemen aller Art zu haben, weiß die junge Mutter zu schätzen.
Wenn fremde Menschen in das System Familie hineingehen, ist das eine hochsensible Angelegenheit.Markus Vahle
Auch Marion C. ist von der Initiative hellauf begeistert. Ihr sei es besonders wichtig gewesen, jemanden zu haben, der ein enges Beziehungs- und Vertrauensverhältnis zu den Kindern aufbaut, etwas Herzenswärme mitbringt und nicht irgendeinen x-beliebige Babysitter zu engagieren, der seine Dienste nur gegen Bares anbietet. "Bei mir muss niemand die Spülmaschine ausräumen oder Fenster putzen. Was ich brauche, ist jemand, der meine Kinder gern hat und der uns gut tut", so die allein erziehende Mutter zweier Kinder. Patin "Oma Gabi" (62), die inzwischen schon wie selbstverständlich am Familienleben teilnimmt, haben ihre beiden zwölf und zehn Jahre alten Kinder schon fest in ihr Herz geschossen. "Unsere Kinder beten unsere Patin regelrecht an und das Geheul ist groß, wenn der Gabi-Tag mal ausfällt", erzählt die 48-Jährige. Für sie sei die 62-Jährige ein großer Glücksfall und "wie Weihnachten und Ostern zusammen". "Ich empfinde mein Leben als sehr reich, vor allem seit wir Gabi haben. Meine Kinder sind jetzt viel besser versorgt als in der alten Zweierbeziehung", ist die Alleinerziehende voll des Lobes.
Weiter Informationen finden Sie unter www.familienpatenschaften-aachen.de!