In der Grauzone
Der Artikel wurde für die gedruckte Fassung der Zeitschrift mit freundlicher Genehmigung aus der Zeitschrift "Publik-Forum, kritisch - christlich - unabhängig", Oberursel, Ausgabe Nr. 2/2022 entnommen.
Die Webfassung des Artikels finden Sie unter dem folgenden Link:
www.publik-forum.de/Religion-Kirchen/in-der-grauzone
Zur Grundordnung, zum kirchlichen Arbeitsrecht und zu seiner Weiterentwicklung siehe auch Folge #49 im Podcast CARItalks mit Heinz-Josef Kessmann, Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission.
Trans, queer, schwul, lesbisch - katholisch
Beim größten Coming-out in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche haben Mitte Januar 125 Menschen im Kirchendienst offen ausgesprochen, dass sie nicht heterosexuell leben und lieben. Priester, Gemeindereferentinnen, Krankenpfleger, Religionslehrerinnen oder pastorale Mitarbeiter verkündeten öffentlich, dass sie sich als schwul, lesbisch, queer, non-binär oder als Transpersonen verstehen. "Wir alle waren schon immer Teil der Kirche und gestalten und prägen sie heute mit", heißt es im Manifest der Bewegung #OutInChurch. Sie fordern, dass sich kirchliches Arbeitsrecht ändert und sich ihre Kirche mit der Realität anfreundet. Niemand im Kirchendienst solle mehr wegen seiner Sexualität und Identität die Kündigung fürchten müssen.
Die katholischen Bischöfe hatten das kirchliche Arbeitsrecht, das auch für die Caritas gilt, zuletzt 2015 reformiert. Darin heißt es seitdem zum Thema Loyalitätsobliegenheiten: "Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Im pastoralen und katechetischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre erforderlich; dies gilt in der Regel auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im erzieherischen Dienst."
Ein Verstoß gegen diese Loyalitätsanforderungen kann Konsequenzen haben, "wenn diese Handlung nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen". Was diese und andere Formulierungen im Einzelfall bedeuten, ist oftmals Auslegungssache. Und was Auslegungssachen so an sich haben: Für diejenigen, die es betrifft, entsteht Unsicherheit. Davon handelt #OutInChurch: von einer Kirche der Angst. Inzwischen haben etliche Bistümer den Verzicht auf Kündigungsdrohungen bekräftigt und Reformen des Arbeitsrechts angekündigt.