Lösungen aus dem Leben
In der Musterwohnung, die seit vier Jahren im Möbelhaus Hardeck in Senden-Bösensell eingerichtet ist, kann Marcus Hopp nicht nur Herdsensor und Notrufsysteme, sondern auch eine breite Palette an Hilfsmitteln zeigen.Harald Westbeld
Eine entscheidende Frage: Lässt der Sensor über der Herdplatte das zweistündige Garen des Sonntagsbratens zu, ohne dass ihm mit Bewegung Leben und die Aufmerksamkeit des Kochenden signalisiert werden? Kein Problem, sagt Marcus Hopp, Leiter des Geschäftsbereichs Varia Assistenz. Solange Wasser im Topf ist, wird die kritische Temperatur nicht überschritten. Erst wenn ein Brand droht und niemand mehr in der Nähe ist, schalten die kombinierten Sensoren den Strom ab. Eine im Prinzip einfache technische Lösung, die fast unsichtbar angebracht ist, aber den Unterschied ausmachen kann, ob ein Mensch bei leichter Demenz noch allein leben und sich versorgen kann.
Was Respekt heischend als "Ambient Assisted Living" - kurz AAL - daherkommt, ist eine intelligente Kombination aus analogen und digitalen Lösungen. Hopp und sein Team in der Varia, einem Integrationsunternehmen des Stiftes Tilbeck, setzen das um. Seit 2009 ist dies in Deutschland ein Baustein, um die Auswirkungen des demografischen Wandels aufzufangen. Das muss sich nicht auf ältere Menschen beschränken. Stift Tilbeck, ein traditionsreiches Sozialunternehmen der Alten- und Behindertenhilfe vor den Toren von Havixbeck, hat dies "erst selbst in die Behindertenhilfe eingebracht", erklärt Hopp.
Ob behindert oder alt und pflegebedürftig, sei letztlich egal. Immer gehe es um Funktionseinschränkungen, die ausgeglichen werden müssten. Die Varia habe zwar inzwischen eine vielseitige Broschüre mit Hilfsmitteln, aber "wir bieten keine Lösung aus dem Katalog, sondern aus dem Leben", betont Hopp. Sowohl in Altenheimen oder Behinderteneinrichtungen als auch in Privathaushalten analysieren die Varia-Mitarbeiter die Situation und stellen individuelle Kombinationen aus analogen und digitalen Hilfen zusammen. Dazu gehört neben der Technik, nach Möglichkeit Nachbarn oder Angehörige einzubeziehen.
Digitalisierung wird die Sicherheit erhöhen
Die technischen Lösungen sind vielfach noch unbekannt. Das Stift Tilbeck hat deshalb mit Unterstützung des Möbelhauses Hardeck im nahen Bösensell eine Musterwohnung einrichten können. Hier lassen sich Herdsensor, Notrufsysteme und vieles mehr am Objekt demonstrieren. Die Beratung soll ausgebaut werden. Die Aktion Mensch wird dazu das Projekt "TAT - Technische Assistenz Tilbeck" fördern, um Bürger in Münster und im Kreis Coesfeld zu informieren.
Dass die Digitalisierung in der Alten- und Behindertenhilfe in den kommenden Jahren verstärkt Einzug halten wird, ist für Hopp keine Frage. Sie werde viel Sicherheit bringen. Menschen könnten beispielsweise mit individuell angepassten Notrufsystemen aktiv Hilfe holen. Hopp denkt an einen jungen Mann, der sich jetzt über einen Atemsensor bemerkbar macht. Seit er dort hineinpusten kann, geht er ohne Angst entspannt ins Bett. Was natürlich auch seine Betreuer freut und entlastet.