Ohne Unterstützung geht es nicht
Familie Meßing ist eine "working poor family". Übersetzt: eine Familie, die an der Armutsgrenze lebt, obwohl beide Eltern arbeiten und eigenes Geld verdienen. Zwischen 200 und 400 Euro bleiben der Familie monatlich zum Leben.
Dabei versucht Vater Markus alles, um wirtschaftlich unabhängig zu sein. Viele Jahre arbeitete er selbstständig für einen Zustelldienst. In drei Jahren leistete er sich nur eine einzige arbeitsfreie Woche. 85 Cent gab es für ihn als Selbstständigen pro Paketzustellung, 36 Cent für Kataloge, 79 Cent für Retouren.
Nicht vergütet wurden die kleinen Päckchen, die Markus Meßing für sich selbst zu tragen hatte: psychischer Druck, körperliche Anstrengung bis an die Grenze der Belastbarkeit und zuletzt Depressionen. Die blanke Existenzangst saß ihm ständig im Nacken.
Seit Anfang des Jahres ist der Familienvater, ausgebildet als Fachkraft im Gastgewerbe, bei einem Paketdienst fest angestellt. Und das ist schon eine große Erleichterung für die Meßings. Benzin oder Fahrzeugreparaturen - dafür müssen sie nicht mehr selbst aufkommen. Auf staatliche Unterstützung wie etwa Wohngeld ist Familie Meßing trotzdem angewiesen - nicht zuletzt wegen der Schulden, die es aus den Zeiten der Selbstständigkeit noch abzutragen gilt. Der Familienvater stützt seinen Kopf in die Hände: "Manchmal kann ich es selbst kaum glauben. Ich arbeite von morgens bis abends, gehe an meine Grenzen, und es reicht einfach nicht. Ich arbeite nicht, damit wir gut leben können, sondern nur, um unsere Rechnungen zu bezahlen."
Hartz IV kommt für Markus Meßing trotzdem nicht in Frage: "Ich will das Geld selbst verdienen, wissen, wo es herkommt, und meinen Kindern ein Vorbild sein." Sohn Juliano versteht seinen Vater nicht. "Uns geht es doch gut. Wir haben alles, was wir brauchen", sagt er, zeigt auf den Fernseher, das Sofa und die Süßigkeiten, die seine Eltern letzte Woche von der Tafel mitgebracht haben. Dass ein berufstätiger Familienvater am Ende eines Tages jedoch nicht zur Tafel gehen möchte, sondern in den Supermarkt, mal mit seiner Familie in den Urlaub fahren und seinen Kindern auch einmal neue Kleidung kaufen möchte, wird Juliano erst verstehen können, wenn er älter ist. Vater Meßing versucht zu erklären: "Man strengt sich an, gibt sich Mühe. Deshalb wäre es einfach gerechter, wenn das, was man tut, ausreichen würde. Dann wäre es fair."
Als Familie zusammenhalten – das sagt sich leicht. Wenn immer Geld fehlt, sinken die Chancen für die Kinder.Anna Woznicki
Daran denkt er auch, wenn er mit seiner Familie in der langen Schlange zur Lebensmittelausgabe der Tafel steht. Die meisten, die da mit ihm stehen, arbeiten nicht. Die bekommen Hartz IV. Markus Meßing nicht - und reiht sich trotzdem ein. Eine noch größere Überwindung kostet ihn der Mittagstisch. "Da schäme ich mich manchmal richtig. Und es tut mir leid für meine Kinder, dass sie dort sitzen müssen", gesteht er. "Deshalb nehmen wir sie auch so selten wie möglich mit." Markus Meßing hat die große Hoffnung, dass sie bald wenigstens auf den Mittagstisch verzichten können. "Das wäre schon eine große Erleichterung."
Mutter Sabrina unterstützt ihren Mann, wo sie nur kann. Sie fährt die Pakete mit ihm aus und trägt sie, wenn Markus keine Kraft mehr hat. "Die Selbstständigkeit hat ihn kaputtgemacht", erklärt sie. Schöne Kleider, ein Restaurantbesuch, vielleicht einmal in die Disco - Wünsche, die für die junge Frau unerreichbar scheinen. "Ich war nie große Sprünge gewohnt. Das alles ist in meinem Leben nicht drin. Noch nicht." Ihr großer Traum ist es, bald selbst einen Führerschein machen zu können und ebenfalls im Zustelldienst zu arbeiten. Die Strecken und die Abläufe kennt sie. Das wäre ein Vorteil für ihren Arbeitgeber - und für sie. Dann müsste ihr Mann weniger schuften, könnte psychisch und körperlich wieder zu Kräften kommen, und sie könnte die Familie finanziell unterstützen. Für ihren Führerschein spart die junge Frau deshalb jeden Cent. Die Hoffnung, als Familie unabhängig leben zu können, treibt sie an. "Ferien machen, vielleicht sogar unsere Hochzeitsreise nachholen, das kaufen, was einem schmeckt, oder einfach mal Eis essen gehen, einfach so, weil man gerade Lust drauf hat. Ja, das wäre Leben!"
Der monatliche Haushaltsplan von Familie Meßing
Einnahmen |
Ausgaben | ||
Nettogehalt | 1200 Euro |
Miete (kalt) |
900 Euro |
Kindergeld | 804 Euro |
Gas | 110 Euro |
Wohngeld |
400 Euro |
Strom | 170 Euro |
weitere Nebenkosten |
180 Euro |
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Kfz-Steuer | 60 Euro |
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Versicherungen |
80 Euro | ||
Telefon, Rundfunkgebühren etc |
80 Euro |
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monatliche Tilgungsrate der Schulden | ca. 500 Euro | ||
Gesamt | 2404 Euro |
Gesamt | ca. 2080 Euro |
ca. 324 Euro bleiben der Familie durchschnittlich monatlich zum Leben. |