Die Angst vor der Behörde überwinden
Marlies Teiting (75) und Leonie Thauern (76) aus der 1.300 Einwohner zählenden Ortschaft Marienmünster-Vörden im Kreis Höxter können ein Lied davon singen. Für die örtliche Caritas-Konferenz leisten sie seit fast 25 Jahren genau diese Arbeit. Ehrenamtlich kümmern sie sich darum, dass Menschen in ihrem Umfeld nicht verwahrlosen und aus schwierigen Situationen heraus wieder auf die Beine kommen. "Immer häufiger geht es um Fälle von Altersarmut", erzählt Marlies Teiting. "Insbesondere wenn der Ehepartner gestorben ist und einer alleine zurückbleibt und die verbliebene Rente nicht mehr ausreicht. Die Scham, aufs Sozialamt zu gehen, ist so groß, dass sie lieber trockenes Brot essen, als um Hilfe zu bitten." Die beiden Behördenbegleiterinnen sind im Ort gut vernetzt. "Wenn wir davon hören, dass jemand in Not ist, nehmen wir behutsam Kontakt auf, und wenn wir sagen, dass wir als ehrenamtliche Helfer der Caritas kommen, ist das Eis meist schnell gebrochen, und man kommt mit den Menschen auf einer persönlich-familiären Ebene ins Gespräch", erklärt Leonie Thauern.
In die Aufgaben der Behördenbegleitung sind sie im Zuge des Kroatienkrieges hineingewachsen. "Da kamen plötzlich diese Flüchtlingsfamilien zu uns, und man hat gesehen, dass man mehr für diese Menschen tun musste, als sie einfach nur irgendwo unterzubringen", sagt Marlies Teiting. Insbesondere die Kinder haben die Behördenbegleiterinnen im Blick gehabt. Es gab damals eine Empfehlung des Schulamts, Flüchtlingskinder nicht zur Schule gehen zu lassen, denn die seien ja bald wieder weg. "Das konnten wir auf keinen Fall so stehen lassen. Wir haben eine regelrechte Protestbewegung ins Leben gerufen, mit der wir uns nicht überall beliebt gemacht haben. Aber wir haben durchgesetzt, dass alle Kinder zur Schule gehen und Sprachförderung erhalten haben", erzählt Leonie Thauern.
Behörden nicht als Gegner, sondern als Partner
Die Initiative der Caritas-Frauen hat sich ausgezahlt. Fast alle Familien leben bis heute in Deutschland. Die Kinder haben alle einen Schulabschluss gemacht und eine solide berufliche Laufbahn eingeschlagen. "Auf diese Aktion sind wir bis heute sehr stolz, denn diese Kinder haben durch uns eine Perspektive für ihr Leben erhalten. Ich möchte nicht wissen, was geworden wäre, wenn wir uns damals nicht so vehement eingesetzt hätten", sagt Marlies Teiting.
Aber es gab nicht nur Erfolgserlebnisse. "Es war oftmals auch sehr frustrierend, denn man hat mitunter das Gefühl, gegen Wände zu laufen, wenn man sich wieder und wieder für Menschen einsetzt und doch nicht weiterkommt", weiß Leonie Thauern. An einem solchen Punkt stießen sie auf ein Fortbildungsangebot des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn. "Es war ein zweitägiger Kurs, wo man zum ehrenamtlichen Behördenbegleiter ausgebildet wurde, und wir dachten uns, das sei ein Ort, um einmal richtig Dampf ablassen zu können", erinnert sich Leonie Thauern. Aber das Seminar hat noch mehr gebracht. "Eine wichtige Erkenntnis war, den Behördenvertreter nicht als Gegner zu sehen, sondern als Partner in der Sache zu betrachten", erklärt Marlies Teiting.
Das bestätigt auch Fachreferentin Elisabeth Völse von der Geschäftsstelle der Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn. "Eine wichtige Aufgabe des Behördenbegleiters ist, das Gespräch zu versachlichen, wobei der Behördenbegleiter die Funktion hat, zwischen Antragsteller und Behörde zu vermitteln", erklärt Elisabeth Völse. Ein Job mit Anspruch. "Bei der Behördenbegleitung geht es auch um die Vermittlung bei Auseinandersetzungen mit Banken, Versicherungen und anderen Institutionen", sagt Völse. Zweimal im Jahr bieten die Caritas-Konferenzen inzwischen Kurse zur Behördenbegleitung an. "Gerade auch für Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Ehrenamt sind, ist das ein attraktives Betätigungsfeld."
Kontakt
Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn
Telefon: 0 52 51/2 09-2 80
E-Mail: ckd@caritas-paderborn.de
Aus der Praxis einer Behördenbegleiterin: Mietschulden
Frau X., 63 Jahre alt, durch den Ex-Mann verschuldet, lebt von Hartz IV und hat zusätzlich einen Mini-Job. Die ARGE hatte die Leistungen eingestellt; dies konnte Frau X. nicht verstehen. Inzwischen hatten sich Mietschulden in Höhe von 2500 Euro angesammelt. Durch den allgemeinen Sozialdienst des SKM wurde ich gebeten, Frau X. zur ARGE zu begleiten. Frau X. redete wie ein Wasserfall, war furchtbar aufgeregt - allerdings beantwortete sie keine Frage des Sachbearbeiters. Als sie endlich in der Lage war zuzuhören, stellte sich heraus, dass sie ihrer "Mitwirkungsverpflichtung" nicht nachgekommen war und aufgrund dessen ihre Bezüge gestrichen wurden.
Es war Frau X. nicht klar, dass sie sich bei der ARGE vertraglich verpflichtet hat, sich wöchentlich mindestens einmal zu bewerben und dies unaufgefordert nachzuweisen. Außerdem lebte sie in einer Wohnung, die für sie aus Sicht der ARGE zu groß war. Letztendlich konnten wir den Antrag neu stellen - aber die 2500 Euro Mietschulden standen im Raum. Der Sachbearbeiter beim Jobcenter war bereit nach Klärung mit der Wohnungsbaugesellschaft, ein Darlehen einzuräumen.
Nach dem Gespräch gingen wir sofort zur Wohnungsbaugesellschaft, um dort zu klären, ob eine kleinere Wohnung zur Verfügung steht und eine Ratenzahlung möglich ist. Es bedurfte ziemlicher "Überredungskunst", um für sie eine kleinere Wohnung zu bekommen. Durch eine "Anschubfinanzierung" in Höhe von 750 Euro (durch den Topf "Mendener in Not"), Hilfen der Caritas-Konferenz und Gewährung eines Darlehens (ARGE) bekommt sie jetzt die kleinere Wohnung und kann die restlichen Mietschulden in Raten zurückzahlen.
Elisabeth Adler
Mitarbeiterin der Caritas-Konferenz St. Walburgis, Menden, und CKD-Regionalleiterin Menden