Graue Schläfen, harte Tritte
Trotz seiner 76 Jahre bekommt Dieter Klöckner das Bein weit nach oben.Anna Bossy
Kaum hat der 24-Jährige sie an den Handgelenken gepackt, windet sie sich und verdreht ihm die Arme, bis er sein Gesicht schmerzvoll verzieht. "Ha", ruft die kleine 66-Jährige und fängt an zu lachen: "Das hast du dir wohl so gedacht!" Auch Angreifer Kai Hauprich schmunzelt und sagt: "Richtig so, Eva! Vor dir muss man ja richtig Angst haben."
Etwas stolz ist Hauprich schon auf seine Senioren. Seit Februar leitet er den Selbstverteidigungskurs, und seine Schülerinnen und Schüler fortgeschrittenen Alters setzen sich immer selbstbewusster zur Wehr. Beim Caritasverband Düsseldorf üben sie in Kooperation mit der Kampfkunstschule Düsseldorf einfach umzusetzende, aber effektive Verteidigungstechniken und ein selbstsicheres Auftreten im Alltag, das für viele ältere Menschen gar nicht mehr so selbstverständlich ist.
"Ich gehe nun viel aufrechter"
Im vergangenen Jahr sind deutlich mehr Seniorinnen und Senioren Opfer von Straftaten geworden als noch 2003 - die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnete einen Anstieg um 41 Prozent. Die Zahl der über 60-Jährigen hat im selben Zeitraum nur um knapp fünf Prozent zugenommen. Die Wahrscheinlichkeit, als älterer Mensch Opfer einer Straftat zu werden, steigt also. Auch Maria Peters, Leiterin eines Caritas-Senioren-Zentrums in Düsseldorf, hört immer häufiger von Senioren, die sich bedroht fühlen. Beim monatlichen Seniorenfrühstück erzählen die Teilnehmer von ihren Ängsten. "Vor allem in zwei sozial problematischen Stadtteilen von Düsseldorf werden ältere Menschen statistisch häufiger angepöbelt, bedroht oder beraubt als anderswo", erzählt Maria Peters. Nachdem sie zunächst einen dreitägigen Kurs angeboten hatte, zeigte sich schnell: Die Nachfrage war enorm. Inzwischen hat sich der Kurs daher dauerhaft etabliert.
Helene Maqua, Leiterin der Abteilung Altenhilfe im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln, unterstreicht die Bedeutung von Selbstbehauptungskursen für Senioren: "Ältere Menschen möchten am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sich nicht in ihren Wohnungen verschanzen. Deshalb ist alles, was dazu beiträgt, dass sie sich wieder trauen, zum Einkauf oder zum Friedhof zu gehen, Gottesdienste oder Konzerte zu besuchen, ausgesprochen hilfreich. So bleibt das selbstbestimmte Leben auch im Alter eine Selbstverständlichkeit."
Maria Peters hofft, dass solche Kurse bald vermehrt angeboten werden. "Älteren Menschen muss geholfen werden, sich aus der Opferperspektive zu befreien. Und dafür müssen sie lernen, sich mit kritischen Situationen schon im Vorhinein auseinanderzusetzen."
Eva Bös (66) schärft ihren Blick für bedrohliche Situationen.Anna Bossy
Und das machen die zehn Kursteilnehmer zwischen 56 und 84 Jahren beherzt. Gerötete Handgelenke, blaue Flecken an Armen. Doch auch wenn hier und da ein Gesicht schmerzvoll verzogen wird - die Senioren sind hart im Nehmen. "Aber bitte keine Bud-Spencer-Nummern. Da brecht ihr euch wahrscheinlich nicht nur die Finger", warnt Kai Hauprich. Um dem fortgeschrittenen Alter gerecht zu werden, trainiert er seine Schüler in der Street-Combat-Kunst. Bei dieser Selbstverteidigung finden sich Techniken aus allen möglichen Kampfstilen wieder, die von den Schülern auch zu leisten sind. Denn natürlich gilt für die meisten Senioren: Die Zeiten schneller und wilder Verrenkungen zur Abwehr von Ganoven sind vorbei.
Trotzdem fühlt sich Heinz Meyer (64) nun sicherer: "Ich habe nicht mehr so große Angst, wenn ich zum Beispiel an einer Gruppe Jugendlicher vorbeikomme. Ich gehe nun viel aufrechter." Dabei ist es gar nicht so lange her, da stand er noch ängstlich einem jungen Mann gegenüber, der ihn bedrohte und sein Portemonnaie stehlen wollte. "Jetzt hätte ich anders reagiert", vermutet er. Und Edmund Seiler (60) ist sich nun zudem seiner körperlichen Fitness ziemlich sicher: "Und wenn ich merke, ich habe gar keine Chance, dann sage ich: Mein Name ist Fritzemann, was meinst du, wie ich flitzen kann!"
Mehr Informationen zu dem Selbstverteidigungskurs in Düsseldorf gibt es unter Tel. 02 11 / 74 67 11.
Auch in Erkrath gibt es einen Kurs, der dabei helfen soll, sich mit Verteidigungstechniken zu behaupten. Das Seminar nennt sich "WenDo" und richtet sich an Frauen jeden Alters.
Mehr Informationen unter Tel. 0 20 58 / 7 82 18 16.
Tipps
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Führen Sie nicht mehr Geld mit als nötig. Zeigen Sie nicht, wenn Sie doch einmal einen größeren Geldbetrag dabeihaben. Bewahren Sie größere Geldmengen gesondert auf und nicht in der Geldbörse in der Handtasche.Keine Angst vor dem roten Gürtel. Mit einfachen Handgriffen können sich die Senioren vom Angreifer lösen. Der Trainer zeigt, wie es funktioniert.Anna Bossy
- Heben Sie größere Geldbeträge möglichst in Beratungsräumen abseits des Kassenschalters und in Gegenwart einer Person Ihres Vertrauens ab.
- Bewahren Sie, wenn Sie das Haus verlassen, Haus- und Wohnungsschlüssel immer getrennt von Papieren und Wertsachen auf.
- Geld, Wertsachen und wichtige Papiere sollten Sie nur in verschlossenen Kleidungsinnentaschen mitnehmen - keinesfalls aber in Außentaschen, Einkaufstaschen oder Einkaufskörben.
- Bezahlen Sie größere Beträge per Zahlkarte oder per Überweisung - keinesfalls bar.
- Bewahren Sie Zahlkarte und PIN (persönliche Identifizierungsnummer) getrennt auf. Lernen Sie am besten Ihre PIN auswendig.
- Lassen Sie Handtaschen, Geldbörsen oder Wertgegenstände in Kaufhäusern oder Restaurants niemals unbeaufsichtigt liegen.
- Wählen Sie Wege auf belebten Straßen, und benutzen Sie nach Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel.
- Unternehmen und erledigen Sie möglichst viele Dinge gemeinsam mit vertrauten Personen.
- Ein Mobiltelefon (Handy) gibt Ihnen die Möglichkeit, in kritischen Situationen die nächstgelegene Polizeidienststelle kostenfrei über den Notruf 110 zu benachrichtigen.
- Nehmen Sie (soweit möglich) an Selbstbehauptungskursen für Senioren teil, welche auch von der Polizei angeboten werden.