Armut macht krank
Das hat Ursachen. Die Lebenslagen armer Menschen sind objektiv ungünstiger, ihre Wohnungen schlechter, ihre Arbeitsplätze gesundheitlich belastender und ihre Freizeit- und Erholungschancen eingeschränkt. Wer wenig verdient, ist zudem durch die Praxisgebühr oder Zuzahlungen für Medikamente und Hilfsmittel benachteiligt, die längst nicht mehr in Gänze von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden und im Regelsatz nicht angemessen berücksichtigt sind.
Aber das ist nicht alles. Menschen in prekären Lebenslagen gelingt es auch aus subjektiven Gründen nur schwer, Zugang zu Angeboten zu finden, die ihnen trotz materieller Armut eigentlich offenstehen. Warum gehen Arme selbst dann seltener zum Arzt, wenn es für sie kostenlos ist, etwa zu Vorsorgeunter-suchungen oder Impfungen? Warum ernähren sie sich nicht aus eigenem Antrieb gesünder, bewegen sich mehr, rauchen weniger oder gar nicht? Es gibt einen erschreckend klaren Zusammenhang zwischen Armut, mangelnder Bildung und schlechter Gesundheit. Um nicht vorschnell Stigmatisierungen aufzusitzen, gilt es hinzuschauen, welche Ursachen dieses Verhalten hat.
Fest steht: Ein bloßer Verweis auf die Möglichkeiten unseres institutionellen, professionellen und hochkomplexen Gesundheitswesens genügt nicht. In ihm finden sich arme und ausgegrenzte Menschen allein nicht zurecht. Und klassische vorbeugende und früh erkennende Angebote erreichen erfahrungsgemäß leider diejenigen, die sie besonders nötig hätten, besonders schlecht. Gefragt sind deshalb zielgruppenorientierte, diskriminierungsfreie und aufsuchende Angebote, die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung armer Menschen für die eigene Gesundheit stärken. Im Sinne der Salutogenese geht es darum, mit benachteiligten Menschen gemeinsam Ressourcen zu erschließen, um gesund zu bleiben oder zu werden. Hierzu braucht es Netzwerke und ein gutes Quartiersmanagement, angebunden etwa an Familienzentren, Arbeitslosenberatungsstellen oder Seniorentreffs. Gemeinden und Caritas vor Ort sind im Kampagnenjahr 2012 einmal mehr aufgefordert, sich in der Verbesserung von Gesundheitsverhalten und Gesundheitsverhältnissen von Benachteiligten zu engagieren - damit Armut nicht krank macht.