Ersatz für den Zivi
Der Reihe nach: Die Bundesregierung hat beschlossen, ab 1. Juli 2011 die Wehrpflicht auszusetzen. Dann können auch keine Zivildienstleistenden mehr einberufen werden. Stattdessen soll es einen Bundes-freiwilligendienst (BFD) mit rund 35000 Plätzen bundesweit geben. Zum Vergleich: 2009 gab es noch 90000 Einberufungen zum Zivildienst, zehn Jahre zuvor gar noch knapp 130000 (detailliert aufbereitete Statistiken zum Zivildienst auf der Homepage des Bundesamtes für Zivildienst). Die neuen Freiwilligen werden also die Zivis nicht komplett ersetzen, auch wenn man die geplanten 35000 Stellen im freiwilligen sozialen Jahr (FSJ) berücksichtigt, das es allerdings auch schon vorher gab.
Der BFD soll - wie das FSJ - ein Lerndienst sein mit Seminaren und pädagogischer Begleitung. Diese soll soziale, ökologische, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen vermitteln und das Verantwortungs-bewusstsein für das Gemeinwohl fördern. In der Praxis soll die unterschiedliche Organisation von FSJ und BFD für den einzelnen Freiwilligen überhaupt nicht mehr erkennbar sein. Jeder Interessent kann sich direkt an den Stellenanbieter wenden.
Der Zivildienst war zuletzt auf nur noch sechs Monate verkürzt worden, der neue Bundesfreiwilligendienst soll dagegen in der Regel ein Jahr dauern, allerdings scheint - bei Redaktionsschluss Anfang März - auch eine Dauer von minimal einem halben Jahr und maximal zwei Jahren möglich zu sein. Der BFD soll flexibel ausgestaltet, muss allerdings arbeitsmarktneutral sein. Neu ist, dass der BFD nicht nur ein Dienst für junge Menschen sein soll, sondern sich auch Personen, die älter sind als 27, verpflichten können. Diese müssen den Dienst mindestens ein Jahr lang 20 Wochenstunden leisten.
Große Verunsicherung bei vielen Trägern hat in den letzten Monaten die geplante Koppelung des BFD auf Bundesebene an die bestehenden Jugendfreiwilligendienste wie FSJ und FÖJ ausgelöst. Damit will die Bundesregierung sicherstellen, dass sich der BFD nicht zu Lasten des FSJ auswirkt. Die Koppelung sicherstellen müssen die Zentralstellen; das sind Verwaltungseinheiten, denen sich die Träger und Einsatzstellen zuordnen. Ob und bis auf welche Ebene die Zentralstellen die Koppelung von BFD-Stellen an FSJ-Stellen weitergeben, ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Manche Träger, die bisher Zivildienstplätze eingerichtet hatten, sehen sich außerstande, im gleichen Umfang FSJ-Plätze einzurichten.
Die neuen Freiwilligen erhalten ein Taschengeld, sie sind sozialversichert, und ihnen werden - je nach Einsatzstelle - Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung gestellt. Insgesamt will die Bundesregierung die Freiwilligendienste künftig mit jährlich 350 Millionen Euro fördern.
Für das FSJ und FÖJ gab es früher regelmäßig deutlich mehr Bewerber als freie Plätze. Doch nun kommen die rund 160000 Einsatzplätze des Zivildienstes hinzu. Freiwillige könnten "knapp" sein und müssen heftig umworben werden. Für viele junge Männer war der Zivildienst ein erster und wichtiger Kontakt mit sozialer Arbeit. Experten in den Wohlfahrtsverbänden schätzen, dass bis zu 20 Prozent der Zivis nach ihrer Ausbildung wieder beruflich in Kontakt zu sozialer Arbeit kommen. Schon um einer Verschärfung des Fachkräftemangels vorzubeugen, haben die Wohlfahrtsverbände großes Interesse, junge Menschen für einen freiwilligen Dienst zu begeistern. Ein freiwilliges Jahr für Bedürftige bietet jungen Menschen zudem eine gute Chance, sich selbst beruflich zu orientieren. Deswegen nutzen die Wohlfahrtsverbände derzeit jede Gelegenheit, um für den neuen Dienst zu werben. Auch die Bundesregierung bereitet eine Öffentlichkeitskampagne vor. Diese startet am 10. bzw. 11. April am Tag eines Jubiläums: Vor 50 Jahren trat der erste Kriegsdienstverweigerer seinen Zivildienst an.