Auf Sammlung
Günter Schmitz auf seiner Tour für die Caritas an der Haustür einer möglichen SpenderinMarkus Lahrmann
Klingel drücken, warten. Noch mal drücken und horchen. Günter Schmitz wartet. Von weit oben ertönt Hundegebell. "Ah, da ist doch jemand zu Hause", sagt er. Jetzt geht der Türsummer. Schmitz steigt die Treppen in den vierten Stock. "Guten Abend, Frau Lodewig*, die Caritas sammelt wieder. Darf ich Sie auch um einen Obulus bitten?", sagt er außer Atem. Die Frau in der halb offenen Wohnungstür hält ihren immer noch kläffenden Hund zurück. "Ach, der Herr Schmitz, na, da muss ich mal mein Portemonnaie holen", sagt sie. Schmitz wird hereingebeten, steht in der Diele, während die Frau nach ihrer Börse kramt. "Wie geht es Ihrem Rücken?", fragt er noch. Ein kleiner Plausch über Beschwerden im Alter schließt sich an, dann erhält er einen 5-Euro-Schein, trägt den Namen der Spenderin und die Summe in eine Liste ein und verabschiedet sich: "Alles Gute noch, bis bald wieder!" Auf zur nächsten Adresse in der Liste.
Drei Dinge fallen auf, wenn man eine halbe Stunde mit Günter Schmitz unterwegs ist. Sammeln ist manchmal ein mühsames Geschäft. Die Begegnung mit den Menschen ist bereichernd und erfüllend. Und: Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, braucht man ein gewisses Pflichtgefühl.
"Die Leute wissen, dass ich zweimal im Jahr komme", sagt Schmitz. Seit zehn Jahren geht er in diesem Bezirk in Bergisch Gladbach, Ortsteil Schildgen sammeln. "Manchmal liegt das Geld für die Caritas schon in der Diele auf einem Schrank bereit, manchmal kramt der Spender erst im Portemonnaie. Wir wissen natürlich auch, wo wir nichts bekommen", sagt Schmitz. Früher wurde jede Straße im Stadtteil "besammelt", das ist heute nicht mehr möglich. "Wir haben unsere feste Klientel", sagt Schmitz. Es gibt Listen von der Pfarrgemeinde, auf denen die Katholiken verzeichnet sind, bei den Protestanten sammelt die Diakonie.
Man muss Zeit mitbringen. Dabei liegt der Zeitaufwand in der Entscheidung des Sammlers. Es gibt welche, die gehen ein- oder zweimal in den Sammlungswochen, andere rasten nicht, bis sie auch den letzten irgendwann erreicht haben. "Ich gehe zweimal, wen ich dann nicht getroffen habe, dem lege ich einen vorbereiteten Zettel in den Briefkasten mit einem Überweisungsträger", sagt Günter Schmitz. Natürlich gibt es auch Straßenzüge, in denen die Fluktuation hoch ist, wo die Bindung zur Gemeinde, zur Kirche so gut wie nicht vorhanden ist, da kann man als Sammler auch schon mal ein böses Wort ernten. "Wir wünschen dann im Winter trotzdem eine schöne Adventszeit und sagen: ‚Wenn Sie mal Not haben, wir sind auch für Sie da.‘" Diese Leute gucken dann meist ein bisschen irritiert, aber es wirkt meistens. Mit seiner Freundlichkeit, Beständigkeit und dem guten Anliegen verkörpert Schmitz das gute Image der Caritas.
"Wir brauchen das Geld"
Bei den Einfamilien-Reihenhäusern am Ende der Straße wird der Sammler freundlich aufgenommen. "Wir kennen ihn schon ewig, und dem machen wir auch die Tür auf", sagt Familienvater Thomas Rohde. Er spendet regelmäßig für die Caritas, "so zwischen fünf und zehn Euro". Die Caritas hat hier ein gutes Image. "Weil wir die Institution befürworten", sagt Rohde zur Begründung für seine Spende. Ähnliches hört man immer wieder an diesem Tag. "Wir sind zufrieden, und es gibt Menschen, die weniger haben als wir", sagt das Rentnerehepaar in der Mietwohnung, das auch für die Diakonie und das Rote Kreuz spendet. "Ich finde es wichtig, für die Caritas zu spenden", sagt die gestresste junge Mutter zwei Etagen darüber. "Ich habe ein weiches Herz, das Geld ist gut angelegt", sagt der alleinstehende alte Mann, der einsam vor dem lauten Fernseher sitzt. Viele geben gern, auch wenn sie selbst nicht viel haben. Aber auch das Gegenteil trifft der Sammler an: den gutsituierten Pensionär im Eigenheim, der sich gerade 80 Flaschen "guten Roten" hat liefern lassen, für die Caritas aber gerade mal fünf Euro spendet. Schmitz nimmt’s, dankt und bleibt freundlich. Nur die Einladung auf ein Glas, die schlägt er aus. Er will weiter.
Niemand fragt genauer nach, wofür das Geld verwendet wird. Dabei könnte Schmitz mit der Antwort noch besonders punkten. Er leitet nämlich - inzwischen nur noch vertretungsweise - einen Caritaskreis mit 47 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den es schon seit 1970 gibt. Davon sammeln 36 Mitglieder regelmäßig zweimal im Jahr. "Wir brauchen dieses Geld und diese Spenden, denn am Caritaskreis hängt ein Beratungsbüro, das wir mit der Diakonie zusammen betreiben", sagt Schmitz. Damit leistet der Caritaskreis ehrenamtliche Sozialberatung, organisiert eine Sprechstunde und allgemeine Sozialberatung. Aber auch materielle Hilfen für Bedürftige werden gegeben: hier mal ein Zuschuss zur Jugendfahrt, dort eine unbezahlte Rechnung beim Stromversorger, es gibt Gutscheine für Winterschuhe für kinderreiche Familien. "Wir prüfen das, und wenn wir meinen, dass das eigene Verschulden nicht allzu groß ist, dann übernehmen wir die Rechnung." Angegliedert ist zudem ein Netzwerk von Helferinnen, die Familien besuchen, die offensichtlich dauernde Hilfen benötigen. "Die gucken in die Haushalte rein: Ist da alles in Ordnung, oder können wir noch helfen?", sagt Schmitz. Dann gibt die Caritas Lebensmittelgutscheine aus oder hilft mit Sachen von "Body & Kleid", dem Secondhandladen der Caritas in Bergisch Gladbach. "Die ganze Arbeit, die da geleistet wird, ist ehrenamtlich, und über das Geld verfügt der Caritaskreis in Eigenregie." Überall versuchen die Mitglieder, Spenden zu akquirieren. Der Lions Club hat gespendet, das Erzbistum hat etwas für kinderreiche Familien gegeben, man arbeitet mit der Hilfsaktion Lichtblicke zusammen, und auch die Sammlungen sind meistens sehr erfolgreich.
Kontaktfreudig und kommunikativ
"Allerdings haben wir jetzt Probleme mit dem Nachwuchs", sagt Schmitz. Zum Caritaskreis gehören fast nur ältere Gemeindemitglieder, es kommt wenig nach. Manche Straßen können nicht mehr aktiv "besammelt" werden. Man behilft sich dann mit Überweisungsträgern, die dem Gemeindebrief beigelegt werden, aber das klappt nicht immer so gut. "Wir brauchen Ehrenamtliche, die kontaktfreudig und kommunikativ sind", sagt Schmitz. Leute, die bereit sind, an den Haustüren zu klingeln und zu sagen: "Wir sind von der Caritas, wir brauchen das Geld. Wollen Sie auch ein paar Euro geben?"
Sammeln ist manchmal mühsam, aber nicht undankbar. Er führe sehr viele interessante Gespräche, sagt Schmitz. "Wir haben den Kontakt zu den Menschen und wissen, wo es mal wieder klemmt." Die Gespräche sind die schönsten Erlebnisse. Die können sehr ernst sein, können traurig sein, es kann um Krankheit oder Verlust gehen, um den eigenen Brustkrebs im Stadium der Ungewissheit oder den tödlichen Motorradunfall des Sohnes in jungen Jahren. "Und wenn man dann ein halbes Jahr später wiederkommt und der Krebs ist besiegt, dann freut man sich mit den Leuten." Das Leben in seiner ganzen Vielfalt begegnet dem Sammler.
* Name von der Redaktion geändert
Caritas und Diakonie sammeln zweimal im Jahr gemeinsam. Hier ist Günter Schmitz in der Adventszeit unterwegs. Informationen zur Sammlung unter www.wirsammeln.de.