Mehr Prävention, keine Werbung!
Stefanie Siebelhoff ist Direktorin des Caritasverbandes für das Bistum Essen.Foto: Nicole Cronauge
Letztens fielen mir in einer Tankstelle Feuerzeuge in der Auslage mit diesem Spruch auf: "Life happens - wine helps". Die Werbung suggeriert ganz klar: "Wenn du Alkohol trinkst, geht alles leichter, kann man den Tag besser genießen."
Viele Menschen erliegen den Versprechen der Alkoholwerbung, die ein problemfreies Leben und maximale Coolness verspricht. Für einige endet diese Illusion tragisch - in der Abhängigkeit. Wege aus der Sucht sind von häufigen Rückfällen und von viel Leid - auch für Angehörige und den Freundeskreis - geprägt.
Nicht zu vergessen: die immensen gesellschaftlichen Folgen von Sucht: Gesundheits- und Unfallkosten, eingeschränkte Arbeitsfähigkeit, Beziehungsabbrüche und vieles mehr. Am eindrücklichsten lässt sich das am Beispiel von Nikotin verdeutlichen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) stellt im Jahrbuch 2022 fest: "Das Rauchen ist in den Industrienationen das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache vorzeitiger Sterblichkeit." Tabakkonsum sei für ein Fünftel aller Krebserkrankungen verantwortlich. Im Jahr 2018 starben in Deutschland 127000 Menschen infolge des Rauchens, besagt die Statistik des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die direkten Kosten für die Versorgung von Krankheiten und Gesundheitsproblemen, die auf das Rauchen zurückgehen, beliefen sich auf 30,3 Mrd. Euro, die indirekten Kosten auf 97,2 Mrd. Euro.
Nicht nur um die enormen gesellschaftlichen Auswirkungen und Kosten von Sucht zu minimieren, sondern auch um unermessliches menschliches Leid zu verhindern, ist Prävention das Gebot der Stunde! Das gilt nicht nur für Alkohol, sondern auch für andere legale Drogen, wie zum Beispiel Cannabis.
Bei allen erhofften Vorteilen, die eine Teillegalisierung des Cannabiskonsums mit sich bringen kann, muss Prävention an erster Stelle stehen. Denn obwohl für Jugendliche das Kiffen weiterhin verboten bleibt, haben immerhin 7,6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen laut DHS-Jahrbuch im Jahr 2022 Cannabis konsumiert. Jugendliche sind besonders gefährdet, langfristig nicht nur körperliche, sondern auch psychische Schäden davonzutragen.
Doch die im Rahmen des Cannabisgesetzes angekündigte Kampagne zur Suchtprävention beschränkt sich offenbar auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Das ist zu wenig. Hinzu kommt, dass in Nordrhein-Westfalen auch die Landesmittel für Prävention im Haushalt 2024 um 1,5 Mio. Euro gekürzt wurden, statt sie aufzustocken. Dabei wäre es so wichtig, die Präventionsarbeit vor Ort auszubauen und dafür finanzielle Mittel bereitzustellen - für Aufklärungsarbeit in Schulen und Universitäten, für Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. Es sind vor allem unsere Caritas-Suchtberatungsstellen und der Kreuzbund, die hier wertvolle Arbeit leisten und darauf angewiesen sind, dass diese auskömmlich finanziert ist.
Prävention kann aber nur gelingen, wenn sie nicht von der Werbung konterkariert wird, in der etwa der Genuss von Alkohol nur allzu oft idealisiert wird. Solche Werbung sollte aus unserem Alltag verschwinden, ebenso wie die Flachmänner im Kassenbereich der Supermärkte, die dort vor allem für die Zielgruppe alkoholkranker Menschen platziert sind. Oder eben wie besagte Feuerzeuge, die es an der Tankstelle zu kaufen gibt. Ja, life happens, und zwar nicht immer nach Plan.
Ein Ausstieg aus der Sucht ist möglich, aber er ist schwer. Er wird häufig von Rückfällen begleitet. Dabei sind professionelle Begleitung, therapeutische Angebote, Selbsthilfegruppen, Freunde und Tagesstruktur wichtig. Aber als Caritas haben wir Hilfen und Rat für Menschen, deren Leben nicht nach Plan läuft - jenseits von Rausch und Betäubungsmitteln.