Bei den Menschen auf der Treppe
Als Quartierslotse hat Uwe Browatzki zwar ein Büro im Iserlohner Haus der Caritas. "Da bin ich aber nur selten anzutreffen", schmunzelt er. Das gepflegte weiße Gebäude sei für seine Kunden "viel zu hochschwellig". "Die meisten trauen sich gar nicht in so ein Haus hinein." Zu finden ist Uwe Browatzki meist in der Innenstadt, bei einer Treppe am Fritz-Kühn-Platz. An manchen Tagen sind es 60 bis 70 Menschen, die sich an der Treppe treffen.
In seine Klienten kann sich Uwe Browatzki gut einfühlen. Er entstammt, wie er selbst sagt, "dem Iserlohner Sozialadel". "Mein Vater war Trinker, Geld gab es vom Amt." Mit 13 landete er in einem Erziehungsheim in Hannover. "Im gleichen Jahr hatte ich meinen ersten alkoholbedingten Filmriss." Später ging es richtig ab. "Ich habe gesoffen, Tabletten genommen, habe geklaut, Einbrüche begangen, Urkunden gefälscht, stand vor Gericht." Vier Entzugstherapien absolvierte er.
1997 kriegte er die Kurve. "Ich wachte am Morgen in einem fremden Garten auf, vollgepinkelt. Vor mir standen eine Frau und ihre kleine Tochter und hatten Angst vor mir. Das war schlimm. Und mein Weckruf", erzählt Browatzki, der damals wohnungslos war. Mit Hilfe seiner Schwester und der Schuldnerberatung der Caritas kam er wieder auf die Beine, fand eine Wohnung und einen Job. 2003 gründete er eine Selbsthilfegruppe für Alkoholiker: "Eins, Zwei, Dry.".
Als Uwe Browatzki zur Treppe kommt, wird er freundlich begrüßt. Einige Männer und eine Frau sitzen dort zusammen. Bierflaschen sind nicht zu übersehen. Einer erzählt, dass sie seit einiger Zeit versuchen, die Treppe halbwegs sauber zu halten. "Es ist ja so was wie unser Wohnzimmer", sagt er. Den Menschen Aufgaben geben, ihnen das Gefühl vermitteln, dass niemand auf sie herabschaut, das gehört zu Uwe Browatzkis Arbeit wie das Streitschlichten.
Da er sich schon seit Jahren ehrenamtlich engagiert hatte, wurde ihm 2014 eine Stelle als Quartierslotse bei der Caritas angeboten. "Caritas ist wichtig, weil die Caritas eben nicht die Stadt ist. Zu den Behörden haben die Menschen oft kein Vertrauen. Zur Caritas schon." Uwe Browatzki ist mit allen Hilfseinrichtungen vernetzt. Iserlohn, erklärt er anerkennend, verfüge über ein hervorragendes Hilfsnetz.
Und doch werden davon nicht alle erreicht. "Die Menschen auf der Treppe", sagt er nachdenklich, "das sind ja nur die Gestrandeten, die wir sehen." Er weiß, wie es sich anfühlt, ganz unten zu sein. Er ist der, dem man vertraut.