Aufbauhilfe in Georgien
Der gekachelte Warteraum ist dicht gefüllt. In Mänteln und Jacken sitzen die Menschen auf Holzbänken, andere stehen, in der Hand Plastiktüten und große Einkaufstaschen. In der georgischen Hauptstadt Tiflis ist es jetzt ungemütlich kalt, auch dieser Raum erwärmt sich nur durch die Ausdünstungen der Menschen, die hier warten, bis sich die feste Holztür öffnet. Im länglichen Raum dahinter ist es laut: Unterhaltungen, Essensgeräusche, Stühlescharren, Anweisungen hallen von der Wänden wieder. An kleinen Vierertischen sitzen Hungrige und essen. Heute gibt es eine kräftige Rote-Bete-Suppe, panierte Putenbrust und weich gekochten Reis. Kernige Küchenmitarbeiterinnen schaufeln das Essen mit großer Kelle aus Blech-Bottichen auf die Teller, geben Weißbrot und Wasser dazu.
"Ich mag das Essen hier", sagt Cisanna Bazadze (84). Sie war Professorin für Mikrobiologie und Virologie an einem zoologischen Institut in der damaligen Sowjetunion, hat sogar im Ausland, an einem Laboratorium in Brighton, geforscht und publiziert. "Als die Zeiten gut waren, war ich in Deutschland, in Berlin, Dresden und Frankfurt", sagt sie. Warum ist sie heute hier? "Meine Pension ist sehr klein und reicht nicht für Essen und Medikamente", sagt sie. In solchen Momenten wird die Armut in Georgien greifbar. Alte Menschen erhalten nur eine Einheitsrente von 180 Lari, das sind umgerechnet etwa 70 Euro. Das reicht nicht, um über die Runden zu kommen, wenn man Wasser und Energie, Essen und teure Medikamente bezahlen muss. Bazadze lebt allein, sie hat noch einen Neffen, der aber nicht in Tiflis ist. Seit 16 Jahren kommt sie zur Caritas, weil sie hier auch Kontakt zu anderen Menschen findet.
Im Altenzentrum "Harmonie" der Caritas, eine Etage über der Suppenküche, verbringen die einsamen Alten den Tag miteinander. Sie lesen in Zeitschriften, die sie sich privat nicht leisten können, spielen Schach, lösen Kreuzworträtsel, handarbeiten ein wenig oder singen gemeinsam. Mit mächtigem Anschlag haut Meri Memanishvili (65) in die Tasten eines Klaviers und spielt mit großer Bewegung Stücke von Beethoven oder Chopin. Ein Zimmer weiter sitzt im leichten Mantel ihre 95-jährige Mutter Ivlita Kuchaidze und liest. An das Revers ihres leichten Mantels hat sie stolz einen Orden angesteckt, der ihre Verdienste im Krieg würdigt. Damals als Krankenschwester hat sie Dienst getan im großen vaterländischen Krieg für die Sowjetunion gegen Hitlerdeutschland.
800000 Rentner gibt es in Georgien. Wer nicht von der Familie mitversorgt wird, ist auf fremde Hilfe angewiesen. Ivlita und ihre Tochter leben so arm, dass die Caritas ihnen einen Kühlschrank gekauft hat. Wenn es das Zentrum nicht gäbe, könne sie nicht überleben, es sei wie eine zweite Familie, sagt sie.
Schwerpunkt Jugendfürsorge
Noch ein Stockwerk höher und nur über einen anderes Treppenhaus mit separatem Eingang zu erreichen, liegen die Räume des Kinderzentrums. Die Caritas betreut verhaltensschwierige und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Nika macht gerade seine Hausaufgaben, Jedi sitzt in einer Kleingruppe mit einer Psychologin, Tamar spielt am Computer. Nebenan liegt eine Keramikwerkstatt, daneben ein Friseurzimmer, in dem junge Mädchen zur Friseurin ausgebildet werden, und eine Holzwerkstatt, in der Kinder und Jugendliche den Umgang mit Schnitzmessern und Schleifpapieren lernen. In der Metallwerkstatt stellen sie Kunstgewerbegegenstände und Schmuck her, lernen, das Metall zu bearbeiten, Gravuren auszuführen. Manche Kinder malen Aquarelle, andere knüpfen kleine schmuckvolle Wandteppiche, stellen Handarbeiten aus Wollfilz her. Die Erzeugnisse dürfen offiziell nicht verkauft werden, aber gegen eine kleine Spende kann man gerne etwas mitnehmen.
In den postsowjetischen Ländern liegt Georgien in der Jugendfürsorge an der Spitze. Die hohe Qualität der Caritas-Arbeit erkennt auch der Staat an und beteiligt sich mittlerweile an der Kosten für Betreuung und Qualifizierung von Kindern und Jugendlichen. Das Land, dessen wirtschaftliche Strukturen nach dem Ende der Sowjetunion zusammengebrochen sind, fährt klaren Westkurs und arbeitet angestrengt für die Partnerschaft mit der EU. Mit guten Erfolgen: Korruption und Kriminalität sind stark zurückgegangen, wirtschaftlicher Fortschritt ist sichtbar. Der Staat hat erkannt, dass die hohe Arbeitslosigkeit nur durch eine gute Ausbildung der jungen Generation bekämpft werden kann. Die deutsche Caritas unterstützt seit Jahren den Aufbau der Hauskrankenpflege, die Einrichtung von Suppenküchen und vor allem Projekte für Kinder und Jugendliche.
"Fundraising … ist in Georgien bisher nicht üblich, Menschenfreundlichkeit muss erst entwickelt werden."
Anahit Mkhoyan, Direktorin der Caritas Georgien
Drei Riten
208 Mitarbeiter hat die Caritas Georgien. Mit einem Jahresbudget von 1,5 Millionen Euro setzt sie etwa 30 Projekte in unterschiedlichen Landesteilen um. Seit 2016 wird die Caritas Georgien als 3-Riten-Caritas geführt, in der die römisch-katholische, die chaldäisch-katholische und die armenisch-katholische Kirche vereint sind.
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