Familie und Corona: Umgangsrecht, Urlaubsreisen, Schutzimpfungen
Umgangsrecht
Das elterliche Sorge- und Umgangsrecht und das Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Eltern sind durch Art. 6 Grundgesetz geschützt. Deshalb gelten Empfehlungen und gesetzliche oder behördlich angeordnete Kontaktbeschränkungen grundsätzlich nicht für die Kernfamilie, selbst wenn Kinder in verschiedenen Haushalten leben.
Bei Getrenntleben der Eltern gelten eine Umgangsregelung oder eine gerichtliche Entscheidung über das Umgangsrecht grundsätzlich unbeschränkt weiter.
Ausnahmsweise können coronabedingte Abweichungen vereinbart werden, beispielsweise wenn das Kind bei den persönlichen Begegnungen mit dem umgangsberechtigten Elternteil in dessen Haushalt oder wegen der An-/Abreise gefährdet werden könnte.
Wird eine Einigung nicht erreicht, darf der sorgeberechtigte Elternteil nur aufgrund einer gerichtlichen Umgangsentscheidung von der bisherigen Vereinbarung bzw. der gerichtlichen Entscheidung abweichen. Lässt er eigenmächtig einen Umgang nicht zu und beschränkt er die Kontakte auf Telefonate und Balkongespräche, kann gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt werden.
Die Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Schleswig-Holstein haben Ordnungsgelder in Höhe von 250 bzw. 300 Euro verhängt.1
Ist für das Kind amtlich Quarantäne angeordnet, ist ein persönliches Treffen mit dem umgangsberechtigten Elternteil unzulässig; denn ein schuldhafter Verstoß gegen eine Quarantäne-Anordnung ist strafbar (§§ 30, 75 IFsG).
Jedoch hat der sorgeberechtigte Elternteil dem Kind die Nutzung anderer Kontaktmöglichkeiten möglichst in vergleichbarem Umfang zu gestatten und es notfalls dabei zu unterstützen.
Urlaubsreisen
Über Urlaubsreisen des Kindes bzw. mit dem Kind entscheidet in der Regel der Elternteil allein, der mit dem Kind zusammenlebt. Bei Reisen im Rahmen des Umgangsrechts entscheidet der umgangsberechtige Elternteil.
Sind allerdings coronabedingt erhöhte Gefährdungen des Kindes bei Hin- und Rückreise, am Aufenthaltsort oder durch eine Quarantäneverpflichtung zu erwarten, kann es sich bei der Reise um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handeln, bei der abzuwägen ist, ob die Vorteile der Durchführung einer Reise für die kindliche Entwicklung die Nachteile überwiegen, die z. B. mit einer Flugreise eines Kindes nach Mallorca in Zeiten der Corona-Pandemie verbunden sein können. Hierfür ist ein gewichtiges Indiz, ob Reisewarnungen des Auswärtigen Amts vorliegen.2
In diesem Fall steht die Entscheidung über die Durchführung der Reisen dem allein Sorgeberechtigten bzw. den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern zu. Können diese sich nicht einigen, kann das Gericht auf Antrag einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis für die Urlaubsreise übertragen.
Schutzimpfung eines Kindes/Jugendlichen
Jede Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Die rechtliche Befugnis des Arztes setzt eine wirksame Einwilligung des informierten Patienten voraus. Für die Wirksamkeit der Einwilligung gibt es kein Mindestalter. Es kommt darauf an, ob der Minderjährige "nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag". Allgemein wird angenommen, dass Minderjährige unter 14 Jahren nur in Ausnahmefällen einwilligungsfähig sind. Dagegen werden Jugendliche ab 15/16 Jahren bei nicht besonders gefährlichen Eingriffen in der Regel einwilligungsfähig sein.3 In diesem Fall besteht keine Ablehnungs-/Einwilligungsbefugnis der Eltern.
Geht es um die Impfung jüngerer Kinder, kommt es für die Einwilligung zur Impfung darauf an, ob das Sorgerecht beiden Eltern oder nur einem Elternteil zusteht: Die Impfung ist nach der Rechtsprechung auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn eine gesetzliche Impfpflicht nicht besteht und es sich um eine so genannte Standard- oder Routineimpfung handelt.
Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Steht nur einem Elternteil das Sorgerecht für das Kind zu, kann dieser allein entscheiden.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken ist in der Regel nicht erforderlich,4 wenn die Impfung von einem Arzt durchgeführt wird, der nach den Empfehlungen der ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut und der Schutzimpfungs-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses Kontraindikationen zu beachten und damit eine Prüfung der Impffähigkeit vor der jeweiligen Impfung vorzunehmen hat.5
1 Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.05.2020 - 10 WF 77/20;
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.07.2020 - 1 WF 102/20.
2 Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 30.07.2020 - 2 UF 88/20, Rn 10.
3 www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Aufklaerung/FAQ-Liste.html
4 Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.05.2017 - XII ZB 157/16, Rn 20ff.
5 Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.03.2021 - 6 U 2/15, Rn 16-18.