Existenzsicherung in Corona-Zeiten
Der Beitrag wurde unter Punkt 3 zum Kurzarbeitergeld am 2. Juni 2020 aktualisiert.
Übersicht
1. Verbot der Kündigung von Mietverhältnissen - Wohngeld -
2. Beschränkung der Kündigung von Verbraucherdarlehensverträgen
3. Kurzarbeitergeld
4. Notfall-Kinderzuschlag
5. Entschädigung bei Quarantäne oder Tätigkeitsverbot
6. Entschädigung wegen Kinderbetreuung
7. Existenzsicherung durch Grundsicherung
Existenzsichernde Leistungen werden schneller und einfacher bewilligt.
1. Verbot der Kündigung von Mietverhältnissen
- Wohngeld -
Bis zum 30. Juni 2020 darf der Vermieter das Mietverhältnis nicht allein aus dem Grunde kündigen, dass der Mieter die fällige Miete nicht leistet. Allerdings gilt dies nur, wenn der Mieter glaubhaft macht, dass die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht beispielsweise auf dem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der Einkünfte (§ 2 des Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch).
Die nichtgezahlte Miete wird allerdings am 1. Juli 2022 fällig. Wird sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht gezahlt, kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der nichtgezahlte Betrag eine Monatsmiete übersteigt (§ 565a Abs. 1 Nr. 1 BGB).
In jedem Fall sollte geprüft werde, ob ein Anspruch auf Wohngeld besteht. In vielen Kommunen ist der Antrag per Download verfügbar. Beizufügen sind dem Antrag die folgenden Unterlagen:
- Mietvertrag
- Meldebestätigung
- Kopie des Personalausweises
- Mietbescheinigung des Vermieters
- Einkommensnachweise
Das Wohngeld wird frühestens ab Antragstellung gezahlt. Deshalb ist eine schnellstmögliche Beantragung dringend anzuraten.
2. Beschränkung der Kündigung von
Verbraucherdarlehensverträgen
Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, gelten mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist (§ 3 des Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch).
Die nichtgezahlten Zins- und Tilgungsleistungen müssen nach Ablauf der Stundung zusammen mit den zu diesem Zeitpunkt fälligen Leistungen nachgezahlt werden.
3. Kurzarbeit: Kurzarbeitergeld und/oder Arbeitsentgelt
Kurzarbeitergeld (Kug) können beispielsweise die Mitarbeiter/innen eines Betriebes erhalten, der aufgrund einer behördlichen Anordnung vorübergehend schließen muss, weil das Risiko einer Übertragung des Corona-Virus zu hoch wäre.
3.1 Kurzarbeit
Kurzarbeit d. h. die vorübergehende Kürzung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer im Betrieb bzw. in bestimmten Betriebsbereichen kann durch klare und eindeutige Tarifregelung, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag zugelassen werden.1
Für die private Wirtschaft ist in § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz bestimmt, dass Kurzarbeit aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt werden kann. Der Betriebsrat darf die Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit aber nicht davon abhängig machen, dass der Arbeitgeber zur Ergänzung des sozialrechtlichen Kurzarbeitergeldes finanzielle Ausgleichsleistungen gewährt; denn Arbeitsbedingungen, die wie das Arbeitsentgelt üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt, dürfen nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, sofern dies nicht ausdrücklich zugelassen ist § 77 Abs. 3 BetrVG.2
Für kirchliche Einrichtungen gelten teilweise abweichende Regelungen.
In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht aufgrund seines Direktionsrechts anordnen. Er muss deshalb mit allen Arbeitnehmern über die Einführung und Ausgestaltung der Kurzarbeit sowie über die Höhe des für die ausfallende Arbeitszeit zu zahlenden Arbeitsentgelts eine einzelvertragliche Vereinbarung treffen.
3.2 Arbeitnehmer mit Anspruch auf Kurzarbeitergeld
Die Bundesagentur für Arbeit zahlt Kurzarbeitergeld, wenn in Betrieben/Einrichtungen oder Betriebsabteilungen
- der Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist,
- die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit infolge wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses vorübergehend verkürzt wird,
- im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens 10 Prozent der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer/innen von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoarbeitsentgelts betroffen sind,
- der Arbeitgeber den Arbeitsausfall der Bundesagentur für Arbeit schriftlich in dem Monat angezeigt hat, in dem die Kurzarbeit beginnt (§ 99 SGB III).
Das Kurzarbeitergeld wird dem Arbeitgeber auf Antrag ausgezahlt. Der Arbeitgeber zahlt den arbeitslosenversicherten Arbeitnehmern einen Betrag in Höhe des Kurzarbeitergeldes, erfüllt insoweit seine arbeitsrechtliche Entgeltzahlungspflicht und wird durch Lohnkosten für ausfallende Arbeit nicht belastet. Für eine Kündigung des Arbeitnehmers besteht dann kein Anlass.
In mehr als 30 Prozent der Betriebe, die Kurzarbeit eingeführt haben, zahlen Arbeitgeber aufgrund von tariflichen Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder einzelarbeitsvertraglichen Vereinbarungen den Arbeitnehmern zusätzlich "Aufstockungsbeträge" bis in Höhe von 100 Prozent zum Ausgleich des Lohnausfalls.3
3.2.1 Höhe des Kurzarbeitergeldes
Arbeitnehmer/innen erhalten 60 Prozent des während der Kurzarbeit ausgefallenen Nettolohns. Arbeitnehmer/innen, die mindestens ein Kind haben, bekommen 67 Prozent des ausgefallenen Nettolohns (§ 105 SGB III).
Um die Einkommenseinbußen, die Arbeitnehmern insbesondere bei einem erheblichen Ausfall der Arbeit und damit des Entgelts erfahren, abzufedern, wird das Kurzarbeitergeld für die Monate, in denen der Entgeltausfall mindestens 50 Prozent beträgt, bis zum Jahresende 2020 gestaffelt erhöht:
- ab dem vierten Monat des Bezugs auf 70 Prozent, für Arbeitslose mit einem Kind auf 77 Prozent und
- ab dem siebten Monat des Bezugs auf 80 Prozent, für Arbeitslose mit einem Kind auf 87 Prozent (§ 421c Abs. 2 SGB III).
3.2.2 Hinzuverdienstgrenze für Kurzarbeiter 2020
Alle Arbeitnehmer in Kurzarbeit können befristet bis zum Jahresende 2020 bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens hinzuverdienen (§ 421c Abs. 1 SGB III).
3.3 Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld
Die gesetzliche Regelung des Kurzarbeitergeldes gilt nur für Arbeitnehmer, die arbeitslosenversichert sind (§ 98 SGB III).
Nicht arbeitslosenversichert sind nach den gesetzlichen Vorschriften fast ausschließlich teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter mit niedrigem Arbeitsentgelt, die durch Kurzarbeit Null oder teilweise Kürzung des Arbeitsentgelts in Existenznot geraten können:
- Arbeitnehmer in einer geringfügigen Beschäftigung (ca. 18 Prozent aller Arbeitnehmer),
- Arbeitnehmer, die das Lebensalter für den Anspruch auf Regelaltersrente vollendet haben,
https://rentenbescheid24.de/keine-antworten-zu-fragen-wegen-kurzarbeit-und-bezug-einer-rente/ - Arbeitnehmer, denen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt ist,
- Schüler und Studierende, die während der Dauer einer Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule oder während ihres Studiums als ordentlich Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule eine Beschäftigung ausüben,
- Arbeitnehmer in einer Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit nach § 16i SGB II,
- Arbeitnehmer während des Bezugs von Krankengeld.
3.3.1 Anspruch der nicht arbeitslosenversicherten Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt
Der gesetzliche Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts bleibt ungekürzt bestehen, wenn die vereinbarte Arbeitsleistung wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht bzw. nur teilweise erbracht wird (§ 615 Satz 3 in Verbindung mit § 326 Abs. 2 BGB); denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber - und nicht der Arbeitnehmer - das Betriebsrisiko zu tragen.4
Die sozialrechtliche Regelung des Kurzarbeitergeldes für die arbeitslosenversicherten Arbeitnehmer hat keine Auswirkungen auf den gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsentgelt, der allen Arbeitnehmern und damit auch den nicht arbeitslosenversicherten Arbeitnehmern zusteht. Sie führt insbesondere für die nicht arbeitslosenversicherten Arbeitnehmer nicht zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt.
Zu vermuten ist aber, dass einer großen Zahl der Mitarbeiter, die kein Kurzarbeitergeld erhalten, kein Ausgleich für ihren Lohnausfall gewährt wird, obwohl Arbeitgeber arbeitsrechtlich dazu verpflichtet sind.5
3.3.2 Einzelvertragliche Vereinbarung von Kurzarbeit
Gibt es im Arbeitsvertrag keine Kurzarbeitsklausel und im Betrieb keinen Betriebsrat und/oder keine einschlägige Betriebsvereinbarung, kann der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht durch einseitige Weisung einführen.
Die Kürzung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und die entsprechende Kürzung der Bezüge kann der Arbeitgeber nur mit Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers erreichen.
Ob es für die Zustimmung ausreicht, dass der Arbeitgeber z. B. auf einer Betriebsversammlung Kurzarbeit ankündigt und der Arbeitnehmer entsprechend der Weisung vorbehaltlos Kurzarbeit leistet, hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zwar 1994 angenommen,6 ist aber wegen der inzwischen erhöhten Anforderungen an die Klarheit und den Inhalt einer derartigen Einigung der Arbeitsvertragsparteien recht fraglich.
Mitarbeiter sind auch bei unabwendbarem Arbeitsausfall nicht verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers der Änderung ihres Arbeitsvertrags durch Kürzung ihrer Arbeitszeit und Vergütung zuzustimmen. Sie sind deshalb auch nicht verpflichtet, ihre Weigerung zu begründen.
Arbeitgeber, bei denen durch die Fortzahlung der vereinbarten Vergütung Arbeitsplätze oder der Fortbestand des Betriebs gefährdet sein würde, dürfen die Arbeitnehmer darauf hinweisen. Die Androhung bzw. Erklärung einer betriebsbedingten Änderungs- oder Beendigungskündigung wegen vorübergehender Kurzarbeit wäre für den Arbeitgeber sehr riskant, weil die Arbeitsgerichte bisher davon ausgehen, dass nur bei umfassendem Nachweis einer akuten Existenzgefährdung eine Kündigung zur Entgeltabsenkung sozial gerechtfertigt sein kann.
3.3.3 Notwendiger Inhalt der vertraglichen Vereinbarung
Der Änderungsvertrag muss klar, deutlich und verständlich sein und darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB).7
Er muss - wie eine Betriebsvereinbarung - die Regelungen enthalten, die zum Schutz des Arbeitnehmers erforderlich sind und alle für ihn wesentlichen Arbeitsbedingungen enthalten: Voraussetzungen der Einführung von Kurzarbeit, angemessene Ankündigungsfrist, Dauer der Kurzarbeit.8
Beispiel: Unwirksam wäre die Vereinbarung "Kurzarbeit kann, wenn sie vom Arbeitsamt anerkannt wird, für den Betrieb, eine Betriebsabteilung oder einzelne Arbeitnehmer nach deren Ankündigung eingeführt werden".9
Die Höhe des Arbeitsentgelts, das die nicht arbeitslosenversicherten Arbeitnehmer für ausfallende Arbeitszeit erhalten, kann nicht durch Betriebsvereinbarung bestimmt werden (§ 77 Abs. 3 BetrVG: siehe oben).
3.3.4 Höhe des Lohnausgleichs bei Arbeitsausfall
Eine Kürzung der vereinbarten Arbeitszeit und Vergütung aufgrund von Änderungsvereinbarung für die Dauer der Kurzarbeit ist zulässig. Dabei muss aber das gesetzliche Angemessenheitsgebot beachtet werden (§ 307 Abs. 2 Nr.1 BGB).
Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der völlige Ausschluss des Entgeltanspruchs für ausfallende Arbeitszeit unangemessen und unwirksam ist.10 Nicht abschließend entschieden ist aber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine Kürzung noch als angemessen angesehen werden kann.
Vermutlich werden die arbeitslosenversicherten Arbeitnehmer durchweg zufrieden sein, wenn sie während der Kurzarbeit ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Kurzarbeitergeldes erhalten.
Dagegen würde ein Wegfall des Arbeitsentgelts bzw. ein die Höhe des Kurzarbeitergeldes erheblich unterschreitender Lohnausgleich für die geringfügig Beschäftigten von den Betroffenen und den Arbeitsgerichten kaum als angemessen anerkannt werden.
3.4 "Ein starker Sozialstaat in Zeiten der Krise"?
Die Einführung von Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung bzw. einzelvertragliche Vereinbarung für die Arbeitnehmer, die kurzarbeitergeldberechtigt sind, wird in der Regel unproblematisch sein.
Dagegen kann die Einführung für die Mitarbeiter Probleme bereiten, denen der Arbeitgeber keinen angemessenen Ausgleich für ausfallende Arbeitszeit gewähren kann oder will, weil die Zahlung die Fortexistenz des Betriebes und damit die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer akut gefährden würde.
In diesen Fällen kann für beide Seiten ein unlösbares Problem bestehen:
- Arbeitnehmer, die ihren Anspruch auf angemessenen Lohn einklagen, gehen das Risiko ein, ihren Arbeitsplatz auf Dauer zu verlieren.
- Arbeitgeber würden durch Änderungs- bzw. Beendigungskündigungen der ablehnenden Mitarbeiter ein kaum abzuschätzendes Erfolgs- und Kostenrisiko eingehen und evtl. eingearbeitete Mitarbeiter ohne sichere Ersatzmöglichkeit verlieren.
Der Gesetzgeber hat versagt, weil er es trotz jahrzehntelanger Kritik unterlassen hat, für inzwischen über sieben Millionen geringfügig Beschäftigte einen sozialen Mindestschutz gegen Arbeitslosigkeit und Arbeitsausfall zu gewährleisten.
Die immer noch geltende gesetzliche Regelung zielte bei ihrer Einführung auf sich im Haushalt langweilende Frauen ab, die durch ihre berufstätigen Männer finanziell und sozial abgesichert waren und durch eine geringfügige und gering qualifizierte Tätigkeit den Familienurlaub und den "Mercedes" mitfinanzieren wollten. Der Gesetzgeber förderte sie durch weitgehenden Verzicht auf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge.
Viele tausende Arbeitgeber profitieren davon, indem sie ein Geschäftsmodell praktizieren, das auf geringfügiger Beschäftigung aller oder einer großen Zahl ihrer Arbeitnehmer beruht. Für diese hat der Bund ein umfassendes Sozialschutzpaket als Corona-Notfall-Zuschussprogramm in Höhe von 50 Milliarden Euro beschlossen.
"Unser Sozialschutz-Paket zeigt: Auf den Sozialstaat kann man sich verlassen. Wir schaffen die Voraussetzungen, um den Menschen in unserem Land wirksam und schnell das Vertrauen zu geben, das wir jetzt alle so dringend brauchen". Es soll niemand aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise in existenzielle Not geraten.11
Für die Menschen, die in geringfügiger, meist niedrigbezahlter Tätigkeit einen unverzichtbaren Dienst für die Gemeinschaft leisten, hat der Gesetzgeber kein umfassendes "Sozialschutzpaket" und kein Notfallprogramm beschlossen. Für viele Minijobber gibt es deshalb kein Arbeitsentgelt aus der geringfügigen Beschäftigung mehr, dass wichtiger Bestandteil ihrer Selbsthilfe zur Existenzsicherung war und ihr sonstiges unzureichendes Einkommen, ihre niedrige Rente oder ihre Ausbildungsförderung aufstockte.
Um ihr Existenzminimum zu sichern, müssen Minijobber nun Sozialleistungen, häufig auch Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen. Tafeln haben bereits bemerkt, dass eine neue, durchweg jüngere Gruppe von Hilfesuchenden zu ihnen kommt, die Minijobber.
4. Notfall-Kinderzuschlag
Bisher mussten Eltern für den Antrag auf Kinderzuschlag an die Familienkassen ihr Durchschnittseinkommen der letzten sechs Monate nachweisen. Ab April 2020 ist nur noch der Monat vor Antragstellung ausschlaggebend. Die Regelung ist zunächst bis September 2020 gültig.
Einen Kinderzuschlag in Höhe von 185 Euro je Kind erhalten Elternpaare oder Alleinerziehende, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Kind ist jünger als 25 Jahre, unverheiratet und lebt mit den Eltern/dem Elternteil zusammen.
- Kindergeld wird für das Kind gezahlt.
- Die Eltern verdienen im Monat mindestens 900 Euro oder 600 Euro, wenn ein Elternteil das Kind alleine erzieht.
- Mit dem Einkommen, dem Kinder- und Wohngeld sowie dem Kinderzuschlag wird der Bedarf der ganzen Familie gedeckt (siehe Abschnitt)
- Sie beziehen kein Arbeitslosengeld II.
Ob Anspruch auf Kinderzuschlag (KiZ) besteht, kann mit dem "KiZ-Lotsen" geprüft werden:
www.arbeitsagentur.de/familie-und-kinder/kiz-lotse
Der Antrag auf Notfall-Kinderzuschlag kann direkt online gestellt werden:
https://con.arbeitsagentur.de/prod/kiz/ui/start
5. Entschädigung bei Quarantäne oder Tätigkeitsverbot
Personen, die aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom Ordnungsamt oder Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt oder mit einem Tätigkeitsverbot belegt wurden und einen Verdienstausfall erleiden, ohne krank zu sein, erhalten grundsätzlich eine Entschädigung (§ 56 IfSG). Die Schließung einer Einrichtung ist kein Tätigkeitsverbot und keine Quarantänestellung im gesetzlichen Sinn und begründet deshalb keine Entschädigungsansprüche.
Besteht für einen Arbeitnehmer ein Tätigkeitsverbot oder ist der Arbeitnehmer unter Quarantäne gestellt, hat der Arbeitgeber für längstens sechs Wochen die Entschädigung auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag erstattet. In Nordrhein-Westfalen wird die Entschädigung ab der siebten Woche von den Landschaftverbänden auf Antrag des Betroffenen direkt an diesen gezahlt (§ 56 Abs. 5 IfSG).
Der Antrag auf Entschädigung muss schriftlich innerhalb von drei Monaten nach Einstellung des Tätigkeitsverbots oder Ende der Absonderung beim LVR-Fachbereich Soziale Entschädigung gestellt werden (56 Abs. 11 IfSG).
Ausführliche weitere Informationen unter:
www.lvr.de/de/nav_main/soziales_1/soziale_entschaedigung/taetigkeitsverbot/taetigkeitsverbot.jsp
6. Entschädigung wegen Kinderbetreuung
Anspruch auf Entschädigung in Geld besteht nach § 56 Abs. 1a Bundesinfektionsgesetz,
- wenn eine Einrichtung zur Betreuung von Kindern oder eine Schule, die von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten Gesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt werden und
- erwerbstätige Sorgeberechtigte ihre Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, während der Dauer der Schließung bzw. des Betretungsverbots selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können.
Der Anspruch auf Entschädigung steht anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern, wenn das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt der Pflegeeltern aufgenommen wurde.
Die Entschädigung wird in Höhe von 67 Prozent des dem erwerbstätigen Sorgeberechtigten entstandenen monatlichen Nettoeinkommens für längstens sechs Wochen gewährt; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2.016 Euro gewährt (§ 56 Abs. 2 Bundesinfektionsschutzgesetz).
Der Antrag muss in Nordrhein-Westfalen vom Arbeitgeber beim zuständigen Landschaftsverband gestellt werden. Eine Frist ist nicht einzuhalten.
7. Existenzsicherung durch Grundsicherung
Nach der allgemeinen gesetzlichen Regelung hat grundsätzlich jeder Mensch, der den Unterhalt für sich und seine Familie mit seinem Einkommen und Vermögen nicht decken kann, Anspruch auf Grundsicherung in Höhe seines angemessenen Bedarfs.
Abweichend davon schließen Sparguthaben und ein vorhandenes Durchschnittsvermögen den Anspruch auf Grundsicherung nicht aus, wenn Grundsicherung vor dem 30.06.2020 beantragt und für bis zu sechs Monate bewilligt wird. Dadurch soll insbesondere Arbeitnehmern und deren Familien ein Ausgleich für durch den Corona-Virus bedingte Einkommensverluste gewährt werden.
Regelbedarfe 2020 |
Monatsbetrag (Mehrbetrag) |
|
Stufe 1 |
Alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte (Eckregelsatz) |
432 Euro |
Stufe 2 |
Zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, jeweils |
389 Euro |
Stufe 3 |
Sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben bzw. für erwachsene Leistungsberechtigte unter 25 Jahren, die ohne Zusicherung des Jobcenters umziehen |
345 Euro |
Stufe 4 |
Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre |
328 Euro |
Stufe 5 |
Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres |
308 Euro |
Stufe 6 |
Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres |
250 Euro |
Mehrbedarfe
Hinzu kommen Mehrbedarfe für verschiedene Personengruppen beispielsweise
- in Höhe von 17 Prozent = 73 Euro für Menschen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und
- in Höhe von 36 Prozent = 155 Euro für Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren bzw. zwei oder drei Kinder unter 16 Jahren.
Kosten der Unterkunft und Heizung
Zusätzlich werden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen: Bei Anträgen, die bis zum 30.06.2020 gestellt werden, wird in den ersten sechs Monaten des Leistungsbezugs nicht geprüft, ob die Wohnung zu groß oder zu teuer ist.
Berechnungsbeispiele
Die folgenden Beispiele sollen nur eine erste Einschätzung ermöglichen, ob ein Anspruch besteht. Im Einzelfall wird sich häufig ein höherer Betrag ergeben: Siehe dazu den Beitrag "SGB II und SGB XII: Regel-, Mehr- und sonstige Bedarfe 2020".
Alleinerziehende mit einem Kind unter 7 Jahren |
|
Alleinerziehende Regelsatz: |
432 Euro |
Kind unter 7 Jahre Regelsatz: |
250 Euro |
Mehrbedarf für Alleinerziehende: |
73 Euro |
Unterkunft und Heizung (geschätzt): |
600 Euro |
1.325 Euro |
|
Anrechenbares Kindergeld: |
204 Euro |
Anspruch besteht in Höhe von |
1.121 Euro |
Ehepaar mit zwei Kindern unter 16 Jahren |
|
Zwei Partner je 389 Euro: |
778 Euro |
Zwei Kinder unter 14 Jahren: |
616 Euro |
Unterkunft und Heizung (geschätzt): |
1.000 Euro |
2.394 Euro |
|
Anrechenbares Kindergeld: |
408 Euro |
Anspruch besteht in Höhe von |
1.986 Euro |
Rentnerehepaar (65+) |
|
Zwei Partner je 389 Euro: |
778 Euro |
Mehrbedarf je 17 Prozent: |
132 Euro |
Unterkunft und Heizung (geschätzt): |
800 Euro |
Anspruch besteht in Höhe von |
1.710 Euro |
1 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2008 - 9 AZR 164/08, Rn 33; Urteil vom 18.11.2015 - 5 AZR
491/14, Rn 15.
2 Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 13.11.2019 - 19 Sa 1721/18; Richardi, BetrVG, 2018, § 87
Rn 383.
3 Institut der Deutschen Wirtschaft, IW-Kurzbericht 56/2020 vom 28.04.2020; Überblick über
tarifliche Regelungen unter www.wsi.de/de/kurzarbeit-22444.htm.
4 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.07.2008 - 5 AZR 810/07, Rn 26-28.
5 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.11.2015 - 5 AZR 491/14, Rn 15.
6 Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.10.1994 - 10 Sa 1194/94, Absch. III
7 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.07.2008 - 5 AZR 810/07, Rn 27.
8 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010 - 2 Sa 1230/10, Rn 24ff.
9 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010 - 2 Sa 1230/10, Rn 6.
10 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.07.2008 - 5 AZR 810/07, Rn 27.
11 www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/sozialschutzpaket.html