Miete: Menschenunwürdige Wohnverhältnisse
Übersicht
1. Pflichten der Vermieter und der Kommunen
1.1 Mindestausstattung von Wohnraum
1.2 Zusatzausstattung
2. Pflichten und Befugnisse der Kommunen
2.1 Ermittlungs- und Prüfpflicht
2.2 Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Missständen
2.3 Unbewohnbarkeitserklärung und Räumungspflicht
2.4 Überbelegung und Räumungspflicht
3. Beratung und Unterstützung durch die Caritas
1. Pflichten der Vermieter und der Kommunen
Wohnraum ist vom Verfügungsberechtigten (Vermieter) so auszustatten, zu erhalten und wiederherzustellen, dass der ordnungsgemäße Gebrauch zu Wohnzwecken gewährleistet ist (§ 5 WAG).
Wohnraum ist jeder Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und vom Verfügungsberechtigten dazu bestimmt ist (Wohngebäude, Wohnung, einzelner Wohnraum). Auch Nebengebäude und Außenanlagen müssen Mindestanforderungen erfüllen.
Die gesetzlichen Vorschriften gelten für öffentlich geförderten und für freifinanzierten Wohnraum.
1.1 Mindestausstattung von Wohnraum
Wohnraum muss insbesondere über folgende funktionsfähige und nutzbare Mindestausstattung verfügen:
- ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung,
- Schutz gegen Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit,
- Anschluss von Energie-, Wasserversorgung und Entwässerung,
- Feuerstätte oder Heizungsanlage,
- Anschluss für eine Kochküche oder Kochnische und
- sanitäre Einrichtung.
Die Mindestanforderungen sind im 5. und 6. Abschnitt des Dritten Teils der Landesbauordnung präzisiert (www.nrw.recht.de).
1.2 Zusatzausstattung
Auch eine über die Mindestausstattung hinausgehende Ausstattung des Wohnraums muss funktionsfähig und nutzbar sein:
- Dies gilt insbesondere für Balkone, Loggien und Treppen, Aufzugs-, Haustür-/Türschließ- oder Beleuchtungsanlagen in allgemein zugänglichen Räumen.
- Bei zentralen Heizungsanlagen muss die Versorgung mit Heizenergie sichergestellt sein; dies gilt entsprechend für die zentrale Strom- und Wasserversorgung.
- In den Außenanlagen müssen insbesondere die Zugänge zu Wohngebäuden sowie, soweit vorhanden, Innenhöfe und Kinderspielflächen funktionsfähig und nutzbar sein.
2. Pflichten und Befugnisse der Kommunen
Die Kommunen haben auf die Beseitigung von Missständen an Wohnraum hinzuwirken. Sie sind verpflichtet, Wohnungssuchende, soweit sie der Hilfe bedürfen, bei der Beschaffung von Wohnraum zu unterstützen. Ein Rechtsanspruch auf Beschaffung einer Wohnung besteht nicht (§ 2 Abs. 1 WAG).
2.1 Ermittlungs- und Prüfpflicht
Werden einer Kommune Missstände bekannt oder ihnen derartige Mängel angezeigt, sind sie verpflichtet zu prüfen, ob und welche Missstände vorliegen und welche Maßnahmen ggfs. zur Beseitigung erforderlich sind (§ 6 WAG).
2.2 Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Missständen
Die Kommunen haben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn Verwahrlosung vorliegt oder ein Missstand besteht (§ 7 WAG). Als Maßnahmen kommen in Betracht: Ermahnung, Abmahnung unter Fristsetzung, Anordnung von Reparaturen, Anordnung der sofortigen Durchführung von Reparaturen, Durchführung der Reparatur durch die Kommune auf Kosten des Vermieters (Ersatzvornahme).
Es ist zu befürchten, dass die Kommunen außer Ermahnungen und Beratungen des Eigentümers selten Maßnahmen ergreifen werden. Von der Möglichkeit der Kommune, Maßnahmen wie z. B. Reparaturen anzuordnen, deren sofortige Vornahme durchzusetzen oder die Reparaturen auf Kosten des Eigentümers selbst durchführen zu lassen (Ersatzvornahme), wird vermutlich sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, weil dadurch den Kommunen unter Umständen erhebliche Kosten bzw. Kostenrisiken entstehen können.
Vor Erlass einer Anordnung soll der Vermieter unter Fristsetzung zu freiwilliger Abhilfe veranlasst werden; das gilt nicht, wenn Art und Umfang der Missstände es erfordern, dass die Kommune eine Anordnung sofort erlässt.
2.3 Unbewohnbarkeitserklärung und Räumungspflicht
Die Kommune kann Wohnraum für unbewohnbar erklären, wenn
- Anforderungen an die Mindestausstattung nicht erfüllt sind und nicht erfüllt werden können,
- die Beseitigung von Missständen nicht angeordnet werden kann oder
- erhebliche gesundheitliche Schäden für die Bewohner drohen.
Nur wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht, sind Bewohner zur Räumung des für unbewohnbar erklärten Wohnraums verpflichtet.
2.4 Überbelegung und Räumungspflicht
Wohnraum ist überbelegt, wenn für jeden Bewohner eine Wohnfläche weniger als 9 m² und für jedes Kind bis sechs Jahren weniger als 6 m² vorhanden ist (§ 9 WAG).
Die Kommune kann von dem Vermieter oder der Bewohnerschaft die Räumung überbelegter Wohnräume verlangen, bis der Zustand ordnungsgemäßer Belegung erreicht ist. Dabei sind der Zeitpunkt des Einzugs sowie die persönlichen und familiären Verhältnisse zu berücksichtigen. Die Räumung soll erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht.
3. Beratung und Unterstützung durch die Caritas
Caritas kann Menschen, die in menschenunwürdigen Wohnräumen leben, vielfältige Hilfe und Unterstützung bieten von der Begleitung bei der Suche einer angemessenen Wohnung, der Beratung über finanzielle Hilfen (Wohngeld, Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB II oder XII), Beratung über rechtliche Möglichkeiten bei Wohnungsmissständen und Mietwucher (Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe für Klagen gegen den Vermieter).
Sind die Betroffenen selbst nicht in der Lage, sich gegen menschenunwürdige Wohnverhältnisse zu wehren, kann es unabweisbar sein, dass die Caritas-Einrichtung das zuständige Ordnungsamt direkt über Missstände/Überbelegung informiert. Die Information kann anonym erfolgen, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Vermieter die Mieter bedrohen oder schädigen wird, die sich gegen ihn wenden.