Krankenversicherung der Rentner
Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht verpflichtet zu prüfen, ob für die bei ihnen bereits Versicherten durch Anrechnung der drei Jahre pro Kind die Versicherungspflicht in der KVdR eintritt. Privat Krankenversicherte, die durch die Anrechnung krankenversicherungspflichtig werden, sind ihnen in der Regel nicht bekannt. Daher sollten Betroffene bei einer gesetzlichen Krankenkasse einen Antrag auf Prüfung stellen, ob aufgrund der gesetzlichen Neuregelung Krankenversicherungspflicht bereits eingetreten ist bzw. ob und wann diese bei späterer Beantragung der Rente eintreten würde.
1. Voraussetzungen der Krankenversicherungspflicht
der Rentner
Gesetzlich krankenversicherungspflichtig sind Personen, die die
- Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und
- diese Rente beantragt haben,
- wenn sie die Vorversicherungszeit erfüllen
(§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V).
1.1 Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
Renten aus der "gesetzlichen Rentenversicherung" sind grundsätzlich nur Alters- und Erwerbsminderungsrenten sowie Witwen-, Waisen- und Erziehungsrenten nach dem SGB VI (§ 33 SGB VI), sowie die übernommenen Renten der Sozialversicherung der DDR
Renten, die nur auf Beiträgen zur Höherversicherung beruhen, Unfallrenten nach dem SGB VII, Entschädigungs- und Versorgungsrenten nach dem BEG bzw. BVG, Renten berufsständischer Einrichtungen und Renten aus privaten Versicherungen können den Anspruch nicht begründen. Das gilt auch für gesetzliche Renten aus EU/EWR-Staaten oder der Schweiz;1 denn eine von einem ausländischen Träger gezahlte Rente genügt nur, wenn dies in supra- oder internationalen Vereinbarungen festgelegt wurde.
1.2 Antragstellung
Mit der Beantragung der Rente bei der gesetzlichen Rentenversicherung endet die Rahmenfrist, von der abhängt, welche Dauer die Vorversicherungszeiten haben müssen. Deshalb sollte stets vorher abgeklärt werden, ob und ggfs. zu welchem späteren Zeitpunkt die erforderlichen Vorversicherungszeiten erreicht worden sind bzw. werden.
Als Nachweis der Elterneigenschaft kommen beispielsweise Geburtsurkunde, Auszug aus dem Familienbuch, Adoptionsurkunde oder Rentenbescheid in Betracht, jeweils in Fotokopie.
1.3 Vorversicherungszeit
Die Vorversicherungszeit ist erfüllt, wenn der Rentner seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung oder als Familienmitglied nach § 10 SGB V
versichert waren.
Pauschal werden für jedes in der Rahmenfrist geborenes Kind drei Jahre auf die Vorversicherungszeit angerechnet. Eine mehrfache Anrechnung der drei Jahre bei verschiedenen Elternteilen (leibliche Eltern, Adoptiveltern, Stief-und Pflegeeltern) ist möglich. Enkelkinder werden nicht berücksichtigt.
Bei Hinterbliebenen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung des Verstorbenen ableiten, gilt die Vorversicherungszeit nach § 5 Absatz 1 Nr. 11 SGB V bereits dann als erfüllt, wenn der Verstorbene diese erfüllt hatte.
1.3.1 Beginn der Rahmenfrist
Die Rahmenfrist für die Vorversicherungszeit beginnt mit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, auch wenn diese nicht versicherungspflichtig war oder als selbstständige Tätigkeit bzw. im Ausland ausgeübt wurde. Deshalb beginnt die Rahmenfrist auch mit Eintritt in
- ein Beamtenverhältnis,
- den Freiwilligen Wehrdienst,
- ein Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit oder als Berufssoldat,
- den Bundesfreiwilligendienst oder
- eine Beschäftigung nach dem Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten,
- Ableistung eines vorgeschriebenen Praktikums gegen Entgelt (z. B. Berufspraktikum).
Nicht als erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gelten
- Grundwehrdienst und Zivildienst,
- Tätigkeiten nach dem Entwicklungshelfergesetz,
- Beschäftigungen oder Tätigkeiten, die wegen ihrer Geringfügigkeit krankenversicherungsfrei waren oder bei Anwendbarkeit der Vorschriften über die Krankenversicherungsfreiheit von geringfügigen Beschäftigungen oder Tätigkeiten versicherungsfrei beurteilt worden wären,
- Unentgeltliche Beschäftigungen oder selbstständige Tätigkeiten, die zu oder während der wissenschaftlichen Ausbildung ausgeübt worden sind, und
- Ableistung eines vorgeschriebenen Praktikums gegen Entgelt (z. B. Berufspraktikum).
Bei Personen, die wegen ihrer Behinderung eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben konnten, gilt der Beginn der Versicherungspflicht wegen Aufnahme der Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in anderen Einrichtungen als erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (§ 5 Abs. 1 Nrn. 7 und 8; siehe auch § 5 Absatz 1 Nr. 5 und 6 SGB).
Ist keine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden, so soll nach Auffassung der Spitzenverbände der Kranken- und Rentenversicherung der Tag der Eheschließung oder hilfsweise die Vollendung des 18. Lebensjahres, bei Minderjährigen der Tag der Geburt gelten.
1.3.2 Ende der Rahmenfrist
Die Rahmenfrist endet mit der Stellung des Rentenantrags.
Eine verfrühte Rentenantragstellung kann sich nachteilig auswirken, wenn die 9/10-Belegung nur durch weitere versicherungspflichtige Tätigkeit erreicht werden könnte: Nach der Rentenantragstellung bis zum Beginn der Rente zurückgelegte Versicherungszeiten führen nicht zu einer Verlängerung der Rahmenfrist und können auch nicht als Vorversicherungszeit berücksichtigt werden.2
1.3.3 Neun-Zehntel-Belegung
Für die zweite Hälfte der Rahmenfrist wird eine Neun-Zehntel-Belegung mit Mitgliedschaftszeiten bzw. mit Zeiten einer Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung verlangt. Dabei werden volle Kalendermonate zu 30 und das Kalenderjahr zu 365 Tagen gerechnet.
Ausführliche Erläuterungen zur KDVR und Pflegeversicherung enthält das Merkblatt R0815 der Deutschen Rentenversicherung (Stand: 01.01.2018).
Berechnungsbeispiel
Ermittlung der Dauer der Rahmenfrist für eine 1960 geborene Frau Z, die am 01.03.1976 ihre Erwerbstätigkeit aufnahm, diese nach Scheidung wegen der Betreuung von drei Kindern vom 01.07.1992 bis zum 31.12.2004 unterbrach und am 24.07.2018 Erwerbsminderungsrente beantragt.
Jahre |
Monate |
Tage |
1. Berechnung der Dauer der Rahmenfrist |
||
2018 |
07 |
23 |
1976 |
03 |
01 |
42 (Differenz) |
04 (Differenz) | 24 (23 + 01) |
2. Berechnung der Hälfte der Rahmenfrist |
||
42 |
04 |
24 |
: 2 |
: 2 |
: 2 |
21 |
02 |
12 |
3. Ermittlung des Beginns der zweiten Hälfte der Rahmenfrist |
||
1976 |
03 |
01 |
+ 21 |
+ 02 |
+ 12 |
1997 |
05 |
13 |
4. Neun-Zehntel-Belegung |
|||
9/10 von 21 Jahren = |
18 Jahre |
10 Monate |
21 Tage |
9/10 von 02 Monaten |
01 Monat |
24 Tage |
|
18 Jahre |
11 Monate |
64 Tage |
|
sind umgerechnet = |
19 Jahre |
1 Monat |
04 Tage |
Zum Berechnungsergebnis für Frau Z: Zwar erreicht sie die 9/10 Belegung nicht, weil sie in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist nur ca. 13,6 Jahre krankenversicherungspflichtig war.
Jedoch wird seit dem 1. August 2017 auf die Vorversicherungszeit für jedes Kind, Stiefkind und Adoptivkind eine Zeit von drei Jahren angerechnet, so dass sie durch die zusätzlich anrechenbaren 3 x 3 = 9 Jahre die gesetzliche Vorgabe übererfüllt.
1 Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Deutschen Rentenversicherung
Bund vom 02.12.2014, Abschnitt A I 3.
2 Bundessozialgericht, Urteil vom 04.06.2009 - B 12 KR 26/07 R.