Familienpflegezeitgesetz
Übersicht
1. Finanzielle Abfederung der Familienpflegezeit
2. Familienpflegezeit (§ 2)
3. Inanspruchnahme der Familienpflegezeit
4. Unverzinsliches Darlehen an Arbeitgeber zur Aufstockung des
monatlichen Arbeitsentgelts
5. Nachpflegephase - Rückzahlung des Darlehens (§§ 6-9)
6. Kündigungsschutz und Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit
der Vertretung (§ 2 Abs. 3)
7. Sozialversicherung
8. Pflege nach Ablauf der Familienpflegezeit
1. Finanzielle Abfederung der Familienpflegezeit
Nach dem Familienpflegezeitgesetz können Beschäftigte ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 50 Prozent reduzieren, wenn sie einen Angehörigen pflegen.
Sie erhalten während der Zeit der Pflege ihr Arbeitsentgelt für die geleistete Arbeit und können ein Darlehen in Höhe von 50 Prozent des letzten Bruttoentgelts beantragen. Zur Abtragung des Darlehens müssen sie nach dem Ende der Pflege wieder voll arbeiten, bekommen in diesem Fall aber weiterhin nur 75 Prozent des Entgelts, bis das Darlehen wieder getilgt ist.
Kritisiert wird u. a.
- Das Gesetz gilt nur für die Pflege von Angehörigen, denen eine Pflegestufe zuerkannt ist, nicht aber für Angehörige, die wegen Demenz pflegebedürftig sind.
- Die Entgeltausfälle, die infolge der gekürzten Arbeitszeit während der Pflegephase entstehen, hat der Arbeitnehmer letztlich allein zu tragen.
- Die Regelung stellt auf gutverdienende Vollzeitbeschäftigte ab und schließt die große Zahl der Frauen faktisch aus, die sich eine bis zu vierjährige Entgeltreduzierung um 25 Prozent nicht leisten können.
- Die Familienpflege kann die pflegende Person direkt in den Bürgergeld-Bezug führen, wenn der Pflegebedarf nach Ablauf der Pflegezeit fortbesteht (durchschnittliche Dauer der Familienpflege von drei bis acht Jahren).
2. Familienpflegezeit (§ 2)
Familienpflegezeit ist nur förderfähig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die Pflegeperson ist Arbeitnehmer, zu ihrer Ausbildung beschäftigt oder eine arbeitnehmerähnliche Person (§ 7 Abs. 1 PflegeZG).
- Die wöchentliche Arbeitszeit wird bei gleichzeitiger Aufstockung durch den Arbeitgeber bis zu mindestens 15 Stunden für die Dauer von längstens 24 Monaten verringert.
- Ein pflegebedürftiger naher Angehöriger muss zu pflegen sein. Nahe Angehörige im Sinne des Gesetzes sind Eltern, Großeltern und Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Beschäftigten, des Ehegatten oder des Lebenspartners sowie Schwiegerkinder und Enkelkinder, Stiefeltern und Kinder der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
- Der nahe Angehörige muss pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes sein, d. h. muss mindestens die Pflegestufe 1 festgestellt sein (trifft häufig auf Menschen mit geistiger Behinderung oder Demenz nicht zu).
- Die Pflege muss in häuslicher Umgebung erfolgen, im Haushalt des Pflegebedürftigen oder in einem anderen Haushalt, in den der Pflegebedürftige aufgenommen worden ist.
3. Inanspruchnahme der Familienpflegezeit
Der Beschäftigte, der Familienpflegezeit beanspruchen will,
- muss dies dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich ankündigen,
- gleichzeitig erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer von 24 Monaten für Pflege- und Familienpflegezeit die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll und
- die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben (§ 2a Abs. 1 FPfZG).
Arbeitgeber und Beschäftigte haben über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Hierbei hat der Arbeitgeber den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
Der Arbeitgeber wird durch das Gesetz zwar nicht in jedem Fall zum Abschluss einer Vereinbarung über die Familienpflegezeit verpflichtet. Er kann den Antrag aber nicht ohne bzw. ohne ausreichende Begründung ablehnen, sondern hat nach billigem Ermessen zu entscheiden, d. h. er muss die familiären Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen. In aller Regel wird der Arbeitgeber zum Abschluss der Vereinbarung verpflichtet sein, weil die familiären Interessen Vorrang vor den betrieblichen/dienstlichen Interessen haben.
Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten können bei ihrem Arbeitgeber den Abschluss einer Vereinbarung über eine Familienpflegezeit beantragen. Der Arbeitgeber hat den Antrag innerhalb von vier Wochen nach Zugang zu beantworten. Eine Ablehnung des Antrags ist zu begründen. Ein gesetzlicher Anspruch des Beschäftigten auf Familienpflegezeit besteht nicht.
Jedoch kann sich ein Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit aus tariflichen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergeben, beispielsweise für Caritas-Beschäftige aus § 1a Abs. 1 Buchst. b) der Anlage 5 zu den AVR
Für den Anspruch auf Familienpflegezeit ist die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen durch Bescheinigung der Pflegekasse, des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen oder der Privaten Pflege-Pflichtversicherung nachzuweisen (§ 2a Abs. 4 FPfZG).
4. Unverzinsliches Darlehen an Arbeitgeber zur
Aufstockung des monatlichen Arbeitsentgelts
Während der Familienpflegezeit wird das monatliche Arbeitsentgelt vom Arbeitgeber um die Hälfte der Differenz zwischen den pauschalierten monatlichen Nettoentgelten vor und während der Freistellung aufgestockt (§ 3 FPfZG).
Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gewährt dem Arbeitgeber auf Antrag ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen zur Aufstockung des Arbeitsentgelts.
Problematik:
- Berücksichtigt werden nur das regelmäßige Arbeitsentgelt, auch laufend gezahlte Zulagen (Schichtzulagen, Heimzulagen, Pflegezulagen, Schmutzzulagen), nicht aber Einmalzahlungen und andere unregelmäßig anfallende Entgeltbestandteile beispielsweise für gelegentliche Mehrarbeit, Überstunden oder Rufbereitschaft.
- Berücksichtigt wird das regelmäßige Gesamteinkommen der letzten zwölf Kalendermonate vor Beginn der Familienpflegezeit. Das führt zu erheblichen Entgelteinbußen, wenn der Arbeitnehmer zunächst Pflegezeit in Anspruch genommen und die Arbeitszeit reduziert bzw. mit der Arbeit ausgesetzt hat.
- Das Darlehen muss von Beschäftigten vorrangig vor bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen wie Bürgergeld oder Sozialhilfe beantragt werden. Zuflüsse aus dem Darlehen werden als Einkommen berücksichtigt (§ 3 Abs. 6 FPfZG).
5. Nachpflegephase - Rückzahlung des Darlehens
(§§ 6-9)
Die Rückzahlung der Aufstockungsbeträge beginnt in dem Monat, der auf das Ende der Förderfähigkeit der Familienpflegezeit folgt (§ 6 Abs. 2 FPlZG).
Der Arbeitgeber behält den Rückzahlungsbetrag im Rahmen der monatlichen Entgeltabrechnung ein und zahlt das erhaltene Darlehen in monatlichen Raten zurück (§ 3 Abs. 1 Ziff. 1c FPlZG). Unklar ist, ob § 394 BGB die Einbehaltung verbietet, wenn das Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegt.
In Härtefällen, u. a., insbesondere bei Bezug von Arbeitslosengeld, Krankengeld, Bürgergeld oder Sozialhilfe, stundet das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben auf Antrag die Rückzahlung des Darlehens (§ 7 Abs. 1 FPlZG). Die Darlehensschuld erlischt, wenn der Beschäftigte die Sozialleistungen ununterbrochen seit mindestens zwei Jahren nach dem Ende der Freistellung bezieht oder verstirbt (§ 7 Abs. 3 FPlZG).
Endet das Arbeitsverhältnis während der Nachpflegephase durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers mit Zustimmung der zuständigen Behörde, kann der Arbeitgeber von dem Beschäftigten für das noch bestehende negative Wertguthaben einen Ausgleich in Geld verlangen.
6. Kündigungsschutz und Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mit der Vertretung (§ 2 Abs. 3)
Für den Kündigungsschutz und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beschäftigten, der zur Vertretung des Beschäftigten für die Dauer der Familienpflegezeit eingestellt ist, gilt die Regelung in § 6 Pflegezeit entsprechend.
Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis während der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit und der Nachpflegephase nicht kündigen.
In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.
7. Sozialversicherung
Wegen des verminderten Arbeitsentgelts während der Familienpflegezeit entstehen Einbußen bei den Rentenanwartschaften.
Diese werden aber zumindest teilweise ausgeglichen, durch die gleichzeitige Anerkennung von Pflegezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung für den pflegenden Angehörigen (§ 166 Abs. 2 SGB VI). Die von der Pflegeversicherung zu tragenden Beiträge werden entsprechend dem Grad der Pflegebedürftigkeit und dem Umfang des pflegerischen Aufwandes unter Zugrundelegung der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) bestimmt.
In der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung ergeben sich wegen der Entgeltkürzung für den Arbeitnehmer Nachteile, weil beispielsweise die Höhe des Krankengeldes und des Arbeitslosengeldes von der Höhe des vorher erzielten Entgelts abhängig ist.
War ein Arbeitnehmer bisher wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung, kann er sich auch für die Familienpflegezeit und die Nachpflegephase von der Versicherungspflicht befreien lassen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2a SGB V).
8. Pflege nach Ablauf der Familienpflegezeit
Für den nicht seltenen Fall, dass nach dem Ablauf der Pflegezeit von längstens 24 Monaten der Angehörige weiterhin pflegebedürftig ist, bietet das Gesetz keine Lösung. Vielmehr gerät der Beschäftigte in eine schwierige Situation.
Der Aufstockungsbetrag wird vom Arbeitgeber so lange einbehalten, bis das Wertguthaben des Mitarbeiters wieder ausgeglichen ist.
Zwar hat der Beschäftigte die Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, dass er die verkürzte Arbeitszeit beibehält. Jedoch behält der Arbeitgeber in diesem Fall das Recht auf Einbehaltung des Aufstockungsbetrags. Das wird häufig dazu führen, dass der Mitarbeiter mit dem verbleibenden Betrag seinen Lebensunterhalt nicht mehr decken könnte und unter Umständen auf SGB II-Leistungen angewiesen ist.
Vereinfachtes Beispiel: Der Mitarbeiter hat die Arbeitszeit während der Pflegephase von 40 auf 20 Stunden reduziert und erhält statt bisher monatlich 2000 Euro jetzt 1000 Euro Arbeitsentgelt und zusätzlich 500 Euro Aufstockungsbetrag.
Muss er nach dem Ende der Pflegephase die reduzierte Arbeitszeit beibehalten, um den Angehörigen pflegen zu können, behält der Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt in Höhe von 1.000 Euro wöchentlich 500 Euro ein, sodass dem Mitarbeiter noch 500 Euro verbleiben.
Auf Antrag werden dem Beschäftigten zwar die fälligen Rückzahlungsraten zu einem Viertel erlassen (Teildarlehenserlass) und die restliche Darlehensschuld zinslos bis zur Beendigung der häuslichen Pflege jedoch nur dann gestundet, sofern eine besondere Härte vorliegt d. h. wenn der Beschäftigte sich wegen unverschuldeter finanzieller Belastungen vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder zu erwarten ist, dass sie oder er durch die Rückzahlung des Darlehens in der vorgesehenen Form in solche Schwierigkeiten gerät (§ 7 Abs 2 FPfZG).
Der Beitrag wurde im Juni 2024 umfangreich aktualisiert und weicht daher inhaltlich von der gedruckten Fassung der Ausgabe 2/2012 (April 2012) des Recht-Informationsdienstes ab. Zuvor wurde er schon mal im Februar 2018 umfangreich überarbeitet.