Dienst-Fahrrad-Leasing-/Kauf
Im folgenden finden sich Beispiel-Berechnungen zu den Vor- und Nachteilen für Mitarbeiter, Leasing-Unternehmen, gewerbliche Arbeitgeber sowie Caritas-Dienstgeber als Fahrrad-Händler.
Fahrrad-Leasing-Unternehmen behaupten gebetsmühlenartig:
"Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter spart gegenüber einem herkömmlichen Kauf bis zu 40 Prozent".1
In ihren "Vorteilsrechnungen" bieten sie eine Gemengelage von Zahlen an, die von den meisten Mitarbeitern/Kunden weder verstanden noch überprüft werden können.
1. Gesetzliche Grundlagen
Arbeitsrechtlich sind Arbeitgeber verpflichtet, in der Leasing-Vereinbarung die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters klar und eindeutig zu bestimmen und keine Vereinbarungen zu treffen, die für den Mitarbeiter ungünstig und nachteilig sind (§ 107 Abs. 2 GewO; § 307Abs. 1 BGB).
Caritas-Dienstgeber, die Fahrrad-Leasing/Kauf anbieten, werden insoweit zu Fahrrad-Händlern und müssen deshalb außer ihren arbeitsrechtlichen Informationspflichten und Benachteiligungsverboten die gesetzlichen Informationspflichten nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) beachten. Die Verletzung der Vorschriften kann Schadensersatzansprüche auslösen. Irreführende Werbung ist nach § 16 UWG sogar strafbar.
2. Informationspflicht des Arbeit-/Dienstgebers
Für Caritas-Dienstgeber ist "eine angemessene und transparente Kommunikation … Grundbedingung einer vertrauensvollen und wertschätzenden Zusammenarbeit" (Art. 4 Buchst. c) Grundordnung 2023).
Gegen das UWG verstoßen Arbeit-/Dienstgeber, die dem Mitarbeiter eine wesentliche Information vorenthalten, die ihn zum Abschluss eines Leasing-Vertrags veranlassen, den er bei Kenntnis der Information nicht abgeschlossen hätte (§ 5a UWG).
"Wesentlich" ist für den Mitarbeiter beim Fahrrad-Leasing mit dem Ziel des Erwerbs des Fahrrads der "Gesamtpreis". Dieser umfasst die Art der Preisberechnung und alle zusätzlichen Kosten, die voraussichtlich anfallen können (§ 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG). Arbeitgeber haben deshalb ihre Mitarbeiter über deren voraussichtliche Brutto- und Netto-Gesamtbelastung durch die Leasing-Raten und den Restkaufpreis sowie und alle sonstigen Nachteile und Risiken zu informieren.
Die Leasing-Firmen weisen in der Werbung ausschließlich auf die vorteilhafte Steuerbefreiung durch "Entgeltumwandlung" hin, die durch die weitgehende, Lohnsteuer- und Beitragsbefreiung der Leasing-Zahlungen eintritt. Für den Mitarbeiter kommt es aber darauf an, wie sich diese Befreiung für ihn auswirkt, ob er "gegenüber einem herkömmlichen Kauf bis zu 40 Prozent" spart, beispielsweise 800 Euro bei einem Listenpreis von 2000 Euro.
Mitarbeiter werden nicht nur durch die 36 Monatsraten und den Restkaufpreis belastet; denn während des dreijährigen Leasings verringert sich das Netto-Arbeitsentgelt. Auch können Ereignisse eintreten, die eine Fortsetzung des Leasings erschweren oder ausschließen.
2.1 Zusätzliche Nachteile
Tatsächlich entstehen durch das von der Finanzverwaltung zugelassene Leasing-Modell und die Einschaltung gewinnorientierter Leasing-/Kauf- Firmen erhebliche zusätzliche Nachteile für Mitarbeiter:
Stets entstehen weitere Nachteile dadurch, dass sie drei Jahre lang ein um die Leasing-Rate verringertes Arbeitsentgelt erhalten.
Beispiel: Ist eine Monatsrate von 80 Euro brutto vereinbart, würde sich die Jahressonderzahlung dreimal um 68 - 80 Prozent = 160 - 190 Euro und das Weihnachtsgeld um dreimal 80 Euro = 240 Euro verringern. Das wären bei einem Listenpreis des Fahrrads von 2.000 Euro bereits bis zu 12 Prozent zusätzliche Nachteile.
Auch die Höhe zahlreicher Sozialleistungen hängt vom vorher erzielten Arbeitsentgelt ab. Dadurch ergeben sich in jedem Fall weitere Nachteile bei einem späteren Renten-/Zusatzversorgungsbezug.
Grobberechnung: Bei einem Bruttogehalt von 4.000 Euro, einer gesetzlichen und einer Zusatzrente von insgesamt monatlich 2.500 Euro und 40 Jahre = 480 Versicherungsmonaten kann sich die Rente nach derzeitigem Stand monatlich um 5 Euro, jährlich um 60 Euro und bei Durchschnittsbezugsdauer von 20 Jahren um 1.200 Euro verringern. Bei einem Leasing/Kauf mehrerer Fahrräder erhöhen sich die Ausfälle entsprechend.
2.2 Risiken
Bei unvorhersehbarem Lohnausfall während der dreijährigen Leasing-Zeit, beispielsweise infolge längerer Erkrankung, Elternzeit, unbezahltem Urlaub, Pflege von Angehörigen, Kündigung usw. kann die Beibehaltung bzw. der Abbruch des Leasing zu erheblichen Nachteilen führen.
Der Arbeit-/Dienstgeber hat den Mitarbeiter über alle Nachteile und Risiken klar und eindeutig zu informieren. Teilt der Arbeit-/Dienstgeber eine wesentliche Information nicht mit, kann der Mitarbeiter deren Ergänzung verlangen bzw. wenn eine Leasingvereinbarung bereits abgeschlossen ist, Schadensersatz verlangen. Das vorsätzliche Verschweigen wesentlicher Informationen wäre als Betrug strafbar (§ 263 StGB).
3. Unwirksamkeit der Leasingvereinbarung
Unwirksam ist eine Leasing-Vereinbarung, die gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.
Sie verstößt gegen die gesetzliche Regelung in § 107 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie für den Mitarbeiter ungünstig ist. Ungünstig ist die Regelung stets, wenn der Mitarbeiter für den Erwerb des Fahrrads netto mehr als den Listenpreis aufbringen muss, aber auch dann, wenn seine Vorteile niedriger sind als die Vorteile des Arbeit-/Dienstgebers infolge des Wegfalls des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung und Zusatzversicherung.
In den Kostenvergleich sind beim Mitarbeiter nicht nur die 36 Leasing-Zahlungen einschließlich der Kosten für Versicherung und Inspektionen einzubeziehen, sondern auch Nachteile, die in jedem Fall eintreten, sowie Risiken, die sich während des dreijährigen Leasings verwirklichen können (sehen Sie hierzu Abschnitt 2.1 und 2.2).
Auch unklare und lückenhafte Vertragsklauseln können eine Zusatzvereinbarung ganz oder teilweise unwirksam machen (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB). Das gilt beispielsweise, wenn Regelungen über Störfälle fehlen oder es in das Ermessen des Arbeit-/Dienstgebers oder des Leasingunternehmens stellen, ob und wie zu verfahren ist.
4. Erläuterte Beispielberechnung
Die Berechnung im folgenden Beispiel beruht auf den Zahlen, die von Jobrad, dem wohl umsatzstärksten gewerblichen Anbieter von Fahrrad-Leasing-/Kauf im "Fahrradleasingrechner" auf der Webseite angegeben werden.2 Sie können von Dienstgebern und Mitarbeitern nachvollzogen bzw. überprüft werden.
Ein verheirateter Mitarbeiter mit Lohnsteuerklasse 3, Bruttomonatsentgelt 3.000 Euro, zahlt bei Jobrad für ein Fahrrad mit Listenpreis 2.000 Euro 36 Monatsraten x 78,83 Euro = 2.837 + 360 Euro als Restkaufpreis. Das sind ca.3.200 Euro brutto. Er wird allein dadurch in Höhe von 2.200 Euro netto belastet. Außerdem sind für alle sonstigen Nachteile und Risiken mindestens 15 Prozent der Leasing-Zahlungen = 420 Euro zusätzlich anzusetzen. Das ergibt eine Netto-Gesamtbelastung von 2.620 Euro.
Jobrad trägt mit seinen Einnahmen von 3.200 Euro den Listenpreis für das Fahrrad, die Kosten für Versicherung und Inspektionen während der 36 Leasing-Monate sowie - bei Erwerb des Fahrrads durch den Mitarbeiter - die pauschale Lohnsteuer auf den Restkaufpreis. Jobrad erzielt somit einen Bruttogewinn von ca. 900 Euro. Ob ein derartiger Gewinn angemessen ist, lässt sich wegen des Fehlens entsprechender Informationen nicht beurteilen.
Arbeit-/Dienstgeber sparen bei dieser Rechnung den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung (ca. 20 Prozent) und zur Zusatzversorgung (ca. 5 Prozent) in Höhe des Betrags ein, der für die 36 Leasing-Zahlungen in Höhe von 2.838 Euro entrichtet werden müsste. Dadurch ergibt sich für sie ein Vorteil in Höhe von ca. 700 Euro.
5. Beispielberechnungen für Niedrig- und Durchschnittsverdiener aller Lohnsteuerklassen
Tabelle 1: Monatsgehalt brutto 2.000 Euro, Fahrradlistenpreis 2.000 Euro
Lohnsteuerklasse |
I |
II |
III |
IV |
V |
VI |
Alle Beträge in Euro |
||||||
36 Leasingraten á 78,83 Euro brutto |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
36 Leasingraten (netto monatlich) |
1.727 47,98 |
1.872 51,99 |
2.298 63,82 |
1.727 47,98 |
1.322 36,73 |
1.322 36,73 |
Restkaufpreis brutto/netto |
360 |
360 |
360 |
360 |
360 |
360 |
Nettobelastung Summe |
2.087 |
2.232 |
2.658 |
2.087 |
1.682 |
1.682 |
Nachteile + Risiken: 15 Prozent von Leasing netto |
260 |
280 |
345 |
260 |
198 |
330 |
Kaufnachteil netto für Mitarbeiter |
347 |
512 |
1.000 |
347 |
0 |
0 |
Kaufvorteil netto für Mitarbeiter |
0 |
0 |
0 |
0 |
120 |
120 |
Vorteil für Arbeit-/Dienstgeber |
stets ca. 25 Prozent von 2.837 Euro = ca. 700 Euro |
Tabelle 2: Monatsgehalt brutto 4.000 Euro, Fahrradlistenpreis 2.000 Euro
Lohnsteuerklasse |
I |
II |
III |
IV |
V |
VI |
Alle Beträge in Euro |
||||||
36 Leasingraten á 78,83 Euro brutto |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
2.837 |
36 Leasingraten (netto monatlich) |
1.555 43,19 |
1.594 44,27 |
1.708 47,45 |
1.549 43,02 |
1.322 36,73 |
1.322 36,73 |
Restkaufpreis brutto/netto |
360 |
360 |
360 |
360 |
360 |
360 |
Nettobelastung Summe |
1.915 |
1.954 |
2.068 |
1.909 |
1.682 |
1.682 |
Nachteile + Risiken: 15 Prozent von Leasing netto |
233 |
239 |
256 |
232 |
200 |
110 |
Kaufnachteil netto für Mitarbeiter |
148 |
193 |
324 |
141 |
0 |
0 |
Kaufvorteil netto für Mitarbeiter |
0 |
0 |
0 |
0 |
108 |
108 |
Vorteil für Arbeit-/Dienstgeber |
stets ca. 25 Prozent von 2.837 Euro = ca. 700 Euro |
6. Problematik und Lösungsmöglichkeiten
Die weitgehende Lohnsteuerbefreiung der Leasing-Raten führt in der Praxis dazu, dass die Nettobelastung des Mitarbeiters bei niedrigem Arbeitslohn am höchsten ist und sich mit steigendem Arbeitslohn verringert.3
Damit steht die steuerrechtliche Regelung in Gegensatz zum Lohnsteuerrecht, das Niedrigverdiener, Verheiratete und Singles mit Kindern begünstigt.4 Diese sparen nicht "gegenüber dem herkömmlichen Kauf bis zu 40 Prozent," sondern werden um 15 bis 45 Prozent netto mehr belastet als beim Kauf zum Listenpreis. Nur in den Lohnsteuerklassen 5 und 6 kann sich für Mitarbeitende ein meist geringer Vorteil von ca. 5 Prozent ergeben. Der Arbeit-/Dienstgeber erlangt, aber unabhängig von der Höhe des Arbeitslohnes und den familiären Verhältnissen des Mitarbeiters stets einen Vorteil von ca. 35 Prozent des Listenpreises.
Deshalb können Leasing-/Kaufverträge sehr günstig für Arbeit-/Dienstgeber, für Mitarbeitende aber ungünstig und deshalb gesetzwidrig und unwirksam sein (§ 107 Abs. 1 Satz 2 GewO; § 307 Abs. 1 BGB).
Um den Fahrraderwerb ihrer Mitarbeiter rechtlich korrekt zu ermöglichen, haben Arbeit-/Dienstgeber verschiedene Möglichkeiten: Sie können sich einzelvertraglich oder tarifvertraglich verpflichten, dem Mitarbeiter "eine wertgleiche Gegenleistung für eingesparte Sozialversicherungsbeiträge" zu erbringen. Sie können - so manche Caritas-Dienstgeber - beispielsweise einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 15 Euro oder 20 Euro monatlich für die 36 Leasing-Monate zahlen bzw. die Kosten für Versicherung und Inspektion übernehmen.
Da es sich in diesen Fällen um "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für die Überlassung eines betrieblichen Fahrrads" handelt, wären sie nach § 3 Nr. 37 Einkommensteuergesetz lohnsteuer- und beitragsfrei.
1 www.jobrad.org
2 www.jobrad.org/arbeitnehmer/ersparnis-berechnen.html (abgerufen am 26.01.2023)
3 Bund-Länder-Erlass vom 09.01.2020, BStBl. 2020 I S. 174.
4 Die vielschichtige rechtliche Problematik wird hier nicht weiter erörtert.