Eine aufeinander abgestimmte, konsequente Politik gegen Armut fordert der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Dr. Frank Johannes Hensel auf der Caritas-Fachtagung „Armut macht krank" in Düsseldorf.Harald Westbeld
Düsseldorf (cpm) - Eine konzertierte Anstrengung der Landesregierung gegen Armut, hat die Caritas in Nordrhein-Westfalen am Donnerstag in Düsseldorf gefordert. Im Rahmen einer Tagung zum Jahresthema "Armut macht krank", die insbesondere die gesundheitlichen Folgen von Kinderarmut in den Blick nahm, kritisierte der Kölner Diözesancaritasdirektor Dr. Frank Johannes Hensel, dass "stattdessen immer wieder mit kurzfristigen und nicht aufeinander abgestimmten Projekten Lösungen gesucht werden, die längst gefunden sind". Bislang werde die Politik nicht vom Kind aus gedacht". Erforderlich seien ein abgestimmtes Vorgehen und gemeinsame finanzielle Töpfe. Die Caritas schlage der Landesregierung vor, dazu einen Kinderbeauftragten zu ernennen und eine Kinderkommission einzuberufen. Eindeutig belegt sei anhand vieler Studien, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien ein deutlich höheres Gesundheitsrisiko hätten mit oft lebenslangen Auswirkungen. Umgekehrt gelte auch, dass Krankheit arm mache, so Hensel.
Während die Armutsquote bundesweit stagniere, wachse sie in NRW noch, so gelten inzwischen knapp 16 Prozent der Bevölkerung als arm. Jedes fünfte Kind wächst in einer einkommensschwachen Familie auf. Stärker betroffen sind noch die Ruhrgebietsstädte mit Anteilen zwischen 30 und 40 Prozent beim Spitzenreiter Gelsenkirchen. Gesundheitlich schlägt sich das in vermehrten Infektionskrankheiten, Zahnproblemen und vor allem auch einer deutlich erhöhten Quote an psychischen Erkrankungen nieder.
Auch von der Caritas erprobten und immer weiter ausgebauten Frühen Hilfen "längst erwiesen", erklärte Hensel. Bernd Neuendorf, Staatssekretär im NRW-Familienministerium bekräftigte den Willen der Landesregierung, verstärkt in vorbeugende Hilfen zu investieren. Das Problem des Nebeneinanders guter Ansätze solle durch eine bessere Vernetzung angegangen werden. Das werde jetzt in einigen Modellkommunen geprobt.
Seit Oktober neuer Staatssekretär im Ministerium für Kinder, Jugend und Familie und gleich Gast auf der Caritas-Tagung: Bernd Neuendorf (SPD).Harald Westbeld
Armut bleibt trotz des allerorten bekundeten guten Willens für Prof. Dr. med. Gerhard Trabert ein "Randthema". Grund dafür sei unter anderem, dass das Problem immer noch individualisiert werde. Gutes Beispiel dafür sei das Bildungs- und Teilhabepaket, das nur zu einem kleinen Teil bei den Familien ankomme, aber einen Verwaltungsaufwand von über 500 Millionen Euro erfordere. Dagegen stellte Trabert die völlig unzureichenden Anteile im Arbeitslosengeld II für Gesundheitspflege oder Ernährung. Gerade einmal 2,70 Euro stünden einem Kind bis fünf Jahre täglich für Essen zur Verfügung. "Eine gesunde Ernährung ist damit nicht möglich", so der Mediziner, der Gründer und Vorsitzender des Vereins "Armut und Gesundheit" ist und seit langen Jahren wohnungslose und arme Menschen behandelt.
Arm aufzuwachsen und damit umso wahrscheinlicher arm zu bleiben, wirkt sich gravierend auf die Lebenserwartung aus. Prof. em. Dr. Heiner Keupp, Mitverfasser des 13. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung, zeigte den engen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlich erreichbaren Lebensalter und der Schere zwischen arm und reich auf. In Ländern mit großen Ungleichheiten liege die Lebenserwartung insgesamt deutlich niedriger. Deutschland rangiere inzwischen im unteren Feld, deutlich darunter noch die USA
Wahr haben will die Politik diese Zusammenhänge nicht. Für den dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der demnächst veröffentlicht werden soll, sei festgestellt worden, dass ein Drittel der armen Männer das 65. Lebensjahr nicht erreicht. Diese erschreckende Zahl sei aber aus dem Entwurf wieder gestrichen worden," kritisierte Gerhard Trabert.
Im Rahmen ihrer bundesweiten Jahreskampagne "Armut macht krank" weist die Caritas auf die Ausgrenzung armer Menschen und die Folgen für ihre Gesundheit hin. Insbesondere den Kindern lasse "dies keine faire Chance auf ein Aufwachsen in Wohlergehen," sagte Frank Johannes Hensel.