Erzbischof Jean-Claude Hollerich, Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE), beim Europaforum der Caritas in NRWMarkus Lahrmann
Brüssel - Europa ist nach Auffassung des luxemburgischen Erzbischofs Jean-Claude Hollerich (sein Thesenpapier finden Sie hier zum Download) meilenweit von seinen Grundprinzipien Menschenwürde und Solidarität entfernt: "Vor den Grenzen der EU ertrinken Menschen. Es ist völlig unverständlich, dass Politiker das zulassen und sich gleichzeitig auf das christliche Abendland berufen", sagte Hollerich am Dienstag beim Europaforum der Caritas in NRW in Brüssel.
Er forderte die Caritas auf, sich mehr in die Politik der Europäischen Union einzumischen. "Ein Christ kann nicht neutral gegenüber der EU sein", so Hollerich. Jeder Mensch sei unser Nachbar, "egal ob EU-Bürger oder Flüchtling, egal ob Christ oder nicht".
Engagement in der Politik, so Hollerich, sei etwas Edles. "Man ist nicht nur Christ, um seine Seele zu retten. Man muss auch das Diesseits gestalten." Mangelnde Dialogbereitschaft sei einer der Gründe dafür, dass die EU so wenig Akzeptanz finde. "Das allgemeine Unwohlsein über die Politik der EU hängt auch damit zusammen, dass nicht mehr diskutiert wird", sagte Hollerich. Er forderte von der Europäischen Union eine Gemeinwohlorientierung statt einer Verfolgung von Einzelinteressen. "Die EU muss ihren Familiengeist wiederfinden."
Ein halbes Jahr vor den EU-Wahlen im Mai 2019 diskutierten mehr als 60 Vertreterinnen und Vertreter der Caritas in Nordrhein Westfalen beim Europaforum in Brüssel zwei Tage lang über ein "Europa der Teilhabe" und mögliche Wege aus der Krise. Mit dabei waren EU-Parlamentarier und Kirchenvertreter.
Heinz-Josef Kessmann, Sprecher der Diözesan-Caritasdirektoren, erklärte, wirtschaftlicher Wohlstand allein reiche offensichtlich als Klammer für die Europäische Union nicht aus. Deshalb forderte er mehr soziale Gerechtigkeit und Teilhabchancen für Menschen, die sich abgehängt fühlen. "Sonst erleben wir einen Brexit zwei oder drei."