NRW-Politik muss Investitionsstau beenden
Die katholischen und evangelischen Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen betreuen etwa zwei Drittel aller Patienten. Sie erfüllen damit einen christlichen Auftrag. Sie sorgen zu wesentlichen Teilen für die medizinische und pflegerische Betreuung kranker Menschen. Zudem sind die kirchlichen Krankenhäuser ein wesentlicher Baustein der regionalen Gesundheitswirtschaft und damit ein wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor.
Ihre unbestritten wichtigen Aufgaben zu erfüllen, fällt den evangelischen und katholischen Krankenhäusern zunehmend schwer. Es hat sich ein milliardenschwerer Investitionsstau angehäuft. Der jährliche Investitionsbedarf liegt laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI bei 1,5 Milliarden Euro. Die Fördermittel des Landes betragen aber lediglich gut 500 Millionen Euro pro Jahr. So ergibt sich eine Lücke von etwa einer Milliarde Euro jährlich. Sie liegt bei den freigemeinnützigen Krankenhäusern - das sind in NRW vor allem kirchliche Häuser - bei etwa 650 Millionen Euro.
Auch Verbünde und Fusionen kosten Geld
Die abstrakten Zahlen lassen sich übersetzen in anschauliche Schilderungen zur Situation in den Häusern. Dass Eltern ihr Kind nicht gerne in einer Kinderklinik behandeln lassen möchten, die seit 40 Jahren auf ihre Sanierung wartet, leuchtet unmittelbar ein. Aber auch wenn ganze Klinikstandorte geschlossen oder Teilbereiche aufgegeben oder in Nachbarorte verlegt würden, koste das Geld, erklärte Klaus Goedereis, Vorsitzender der Franziskus-Stiftung Münster, auf dem politischen Fachgespräch in Düsseldorf. Dazu eingeladen hatten die Diakonie RWL, das Evangelische und das Katholische Büro NRW sowie die fünf Diözesan-Caritasverbände im Land.
Auch wenn Kliniken Verbünde bilden oder fusionieren, muss modernisiert werden. Und das sei ebenfalls kostspielig, stellte Nils Krog, Vorsitzender des Verbandes Evangelischer Krankenhäuser in Rheinland-Westfalen-Lippe, klar. Insgesamt also gelte, so fasste Goedereis zusammen: "Man muss immer wieder schieben, kann nur die notwendigsten Maßnahmen durchführen, kann nur Kernbereiche sanieren."
Klassische bauliche Mängel und inakzeptable Standards bei der Unterbringung von Patienten, so machten die Krankenhausvertreter deutlich, sind nur eine Seite des Problems. Hinzugekommen sind die Anforderungen des 21. Jahrhunderts, etwa die Millionen an Euros, die in Cybersicherheit investiert werden müssen.
Die Situation sei eigentlich nur noch beklagenswert, so Goedereis. Doch er wolle nicht klagen. Mit ihrem politischen Fachgespräch geht es den kirchlichen Krankenhausvertretern vielmehr darum, "miteinander ins Gespräch zu kommen" und "eine verdichtete Diskussion" zu führen. Gesprächsgrundlage sind Zahlen, Daten, Fakten, Tabellen, Grafiken und Kurven zum Investitionsstau. Gesprächspartner sind die Gesundheitspolitiker des Landes, denn Investitionen in Krankenhäuser sind Ländersache.
Steffens will Kliniken nicht "schlechtreden"
In ihrem Gesprächsbeitrag präsentierte sich NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens als Anhängerin des "wertegebundenen Krankenhauswesens". Schließlich arbeiteten hier Beschäftigte, für die ihr Beruf auch Berufung sei, so die Ministerin. Steffens forderte aber, die Krankenhauslandschaft nicht schlechtzureden. Sie verwies hierzu auf überdurchschnittlich gute Ratingergebnisse. Kein Krankenhaus in NRW müsse Personal entlassen. Zum Kernthema des politischen Fachgesprächs merkte sie an, dass das Land die Investitionsförderung verbessert habe. Dies sei als Signal zu verstehen.
Bitte keine weitere Warteschleife bei Investitionen
Ähnliche Signale setzten die Gesundheits- und Sozialpolitiker von SPD, CDU und FDP, Günter Garbrecht, Peter Preuß und Susanne Schneider. Trotz Landtagswahl und Bundestagswahl werde die Gesundheitspolitik nicht auf null gefahren, erklärten sie. Man könne zwar über alternative Finanzierungsmodelle nachdenken, erhielte dann aber andere Einflussnehmer. Dass es gut geführte Krankenhäuser mit schwarzen Zahlen, engagiertem Personal und zufriedenen Patienten gebe, müsse zur Kenntnis genommen werden. Eine wichtige Frage sei aber auch, warum in direkter Nachbarschaft solch erfolgreicher Kliniken Krankenhäuser in schlimmer Schieflage arbeiteten.
Vonseiten der Politiker wurde in der Diskussion angedeutet, dass das Land NRW bei seinen Investitionen in die Krankenhäuser zumindest zum höheren Bundesdurchschnitt aufschließen könnte. Derzeit liegt es beim Bundesländervergleich auf dem vorletzten Platz. Für die Krankenhausvertreter stellte Jochen Brink schließlich anerkennend fest, "dass der zusätzliche Bedarf bei der Politik angekommen ist".
Seine Kernforderungen stehen aber weiter im Raum. Es dürfe kein Pingpong-Spiel zwischen Land und Bund geben, forderte er. Die Krankenhäuser benötigten ein Sofortprogramm mit sichtbaren Ergebnissen für die Patienten und die Kliniken. Die notwendigen Investitionen dürften nicht in die nächste Warteschleife geschoben werden. "Wir brauchen sofort etwas. Wir brauchen jetzt Geld."
Reinhard van Spankeren
Die kirchlichen Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung der Menschen. Sie engagieren sich für die Patienten, treiben medizinische Entwicklungen voran, bilden Ärzte und Pflegekräfte aus.
Dieses qualitativ hohe Engagement braucht eine solide Finanzierung. Die gesetzliche Grundlage dafür ist klar: Das Land muss die Investitionskosten der Krankenhäuser decken. Das ist keine leichte Aufgabe, und hier gibt es auch Defizite. Ich begrüße es daher sehr, wenn die Beteiligten hierüber ins Gespräch kommen und um eine Lösung ringen. Denn die Finanzierung unserer Krankenhäuser muss auch unter schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen auskömmlich sein. Krankenhausfinanzierung sollte am Menschen ausgerichtet sein - sowohl für die Bedarfe der Kranken als auch mit dem Blick auf das menschlich Leistbare für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus.
Dr. Felix Genn, Bischof von Münster