Erreichbarkeit der Jobcenter
Positiv: Die Mitarbeitenden von Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände können die Jobcenter häufig über Mail und Telefon erreichen. Aus einigen Regionen wurde zurückgemeldet, dass Durchwahlnummern vorliegen oder Teamleitungen oder Amtsleitungen für die Beratungsstellen (im Notfall) erreichbar sind. In einigen wenigen Orten arbeiten die Jobcenter mit den Beratungsstellen und Trägern zusammen und haben gemeinsame "Austauschrunden" oder besuchen in regelmäßigen Abständen die Einrichtungen (z. B. Espelkamp). Viele Träger wünschen sich einen solch regelmäßigen Austausch auch mit ihrem Jobcenter.
"Kunden" haben das Nachsehen
Die Erreichbarkeit für die Leistungsberechtigten (im Jobcenter "Kunden" genannt) gestaltet sich hingegen deutlich schwieriger. Hier wird auf zentrale Hotlines oder die Nutzung von E-Mails verwiesen. Manche Jobcenter verlangen, die App zu nutzen, andere bevorzugen die Briefkästen vor Ort. Nur wenige Jobcenter geben die Telefonnummern der Mitarbeitenden an die Leistungsberechtigten, damit diese einen direkten Kontakt aufnehmen können.
Nur in einigen wenigen Jobcentern gibt es festgelegte Telefonsprechzeiten, in anderen eine zentrale Telefonnummer ohne Angabe von Zeiten der Erreichbarkeit. So wird unter anderem rückgemeldet, dass bei Kontakten über die zentrale Nummer häufig die telefonischen Wartezeiten sehr lang sind und Gespräche nach kurzer Zeit unterbrochen werden. Das macht weitere Anrufe notwendig. Auch laufen Anrufe "ins Leere", da den Leistungsberechtigten zuvor keine Zeiten der Erreichbarkeit mitgeteilt wurden.
Persönliche Gespräche werden nur in Ausnahmefällen und nach Terminvereinbarungen ermöglicht. In Jobcentern, die ein persönliches Gespräch erlauben, gilt häufig die 2G-Regel. In einigen Jobcentern ist der Zugang zur Vorhalle, in der über einen Infoschalter die Abgabe von Unterlagen möglich ist, mit 3G-Vorgabe und Überprüfung durch einen Wachdienst gegeben.
Notfallschalter mit einem direkten Zugang zu einer telefonischen Kurzberatung wurden nur aus dem Rhein-Sieg-Kreis zurückgemeldet. Hier bekommen die Leistungsberechtigten einen Fragebogen ausgehändigt, der nach dem Sofortanliegen und der Dringlichkeit ausgefüllt werden muss und für drohende Energiesperren, drohende Wohnungslosigkeit, Zusicherung zu Kosten der Unterkunft und drohende/eintretende Mittellosigkeit gilt. Dies wird dann ins System aufgenommen und (unter der Voraussetzung, dass alle Unterlagen vollständig vorliegen) ein Rückruf innerhalb von zwei Stunden angekündigt.
Existenzielle Notlagen
Einzelne Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände haben auf die Abfrage zurückgemeldet, dass in Fällen, in denen persönliche Erreichbarkeit des Jobcenters nicht möglich war, bei Personen, die weder über ausreichende Sprachkenntnis noch über digitale Endgeräte und Kenntnisse verfügen, große existenzielle Notlagen entstanden sind. Gerade dieser Personenkreis bedarf dann einer Begleitung durch die Beratungsstellen. Anderenfalls besteht die realistische Gefahr, dass diese Menschen sich isolieren, ihre benötigten Leistungen zu spät beantragen, Unterlagen falsch einreichen und dementsprechend in (finanzielle) Notlagen geraten, die vermieden werden könnten.
Informationen nicht ausreichend
Beratungsstellen verweisen auf eine Überforderung der (potenziellen) Leistungs-empfängerinnen und -empfänger und die nicht auf deren Lebenswirklichkeit ausgerichteten Zugänge der Jobcenter. Auch hat die Abfrage ergeben, dass weder auf den Internetseiten noch in den Jobcentern ausreichende und aktuelle Informationen vorhanden sind.
Fazit: Eine Nicht-Erreichbarkeit ist kein Einzelproblem eines Jobcenters. Vor allem Menschen mit Sprachschwierigkeiten und Menschen, die über keine digitale Kompetenz verfügen oder nicht einmal ein Handy oder einen PC haben, wird der Zugang zum Jobcenter erheblich erschwert. Oft fehlt es an Informationen über Erreichbarkeit und Öffnungszeiten. Die Unterschiede zwischen der Erreichbarkeit durch die Beratungsstellenmitarbeitenden und die Leistungsberechtigten sind verstärkt anzugehen, denn Beratungsstellen sind nicht als Vermittlungsstellen gedacht oder als Vorprüfstelle des Jobcenters.
Dass es teilweise zu Verlusten von Unterlagen kommt, weil Scans "extern" angefertigt werden oder Mailanhänge nicht geöffnet werden können, kann nicht das Problem der Leistungsberechtigten sein und könnte sicherlich durch einen Zugang zum Jobcenter sowie durch persönliche Termine gelöst werden. Dass einige Jobcenter schon mit der Idee spielen, nur noch digital zu arbeiten und keine Gespräche mehr persönlich durchzuführen, ist weder im Sinn des Onlinezugangsgesetzes noch hilfreich, um allen Personenkreisen zu ihren Leistungen zu verhelfen.
Systemischer Fehler
Deutlich wird, dass ein systemischer Fehler vorliegt. Es gibt kein Erreichbarkeitskonzept, welches für alle Jobcenter zumindest in Eckpunkten bindend ist. So bleibt es jedem einzelnen Jobcenter überlassen, ein eigenes Konzept zu entwickeln. Ebenso bleibt es im Belieben der Jobcenter, Kooperationen mit der Trägern zu etablieren. Auch hier fehlt ein Gesamtkonzept. Es gab jedoch auch Jobcenter, die von den Trägern gelobt wurden. Interessant wäre es, mit diesen Jobcentern ins Gespräch zu kommen, Erfahrungswerte auszutauschen und daraus Eckpunkte abzuleiten.
Die Ergebnisse der Abfrage wurden in Gesprächen mit dem MAGS und der Regionalagentur diskutiert, und es ist dabei gelungen, das grundsätzliche Problem zu verdeutlichen und von der Einzelfalldiskussion wegzukommen. Sowohl das MAGS als auch die Regionalagentur haben den Jobcentern die Rückmeldungen aus der Praxis übermittelt und diese gebeten, sich damit auseinanderzusetzen.