Erste Schritte – weitere müssen folgen!
Wenige Bereiche des Sozialrechts werden mit einer solchen Regelmäßigkeit reformiert wie der Bereich der Pflegeversicherung. Immer wieder wurden in der Vergangenheit in kleinen Schritten neue Leistungen eingeführt, Regelungen nachjustiert und Ungerechtigkeiten korrigiert. Tatsächlich hat der aktuelle Reformprozess um das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) das Potenzial, für erhebliche Veränderungen in der Pflegelandschaft zu sorgen.
Da ist zum einen die Verpflichtung für alle Pflegeeinrichtungen, ihre Mitarbeitenden im Bereich Pflege und Betreuung nach Tarif zu entlohnen. Einrichtungen, die bislang keiner Bindung an einen Tarif oder kirchenrechtliche Arbeitsvertragsregelungen unterlagen, müssen nun binnen Jahresfrist entweder einen eigenen Tarifabschluss nachweisen oder aber in Höhe der in der Region vorhandenen Tarifverträge entlohnen. Für die Beschäftigten von privatgewerblichen Einrichtungen ist dies ein großer Fortschritt. Gleichzeitig ist gesichert, dass die Vergütungen der Mitarbeitenden der Caritas, die weiter durchgängig oberhalb des Tarifdurchschnitts liegen werden, weiter von Kostenträgern refinanziert werden müssen. Dies ist wichtig, um das Vergütungsniveau der Caritas halten zu können. Man hätte sich wünschen können, dass sich die Tarifbindung nicht nur auf die Mitarbeitenden im Bereich Pflege und Betreuung beschränkt, aber dies ist ein erster wichtiger Schritt.
Dass der Einstieg in ein wissenschaftliches Instrument der Personalbemessung gemacht wurde, ist ebenfalls ein fundamentaler Schritt, der den Einrichtungen in Sachen Organisation, Personalentwicklung und Personalgewinnung Erhebliches abverlangen wird. Dass aber nun lediglich 40 Prozent des als notwendig erkannten Zuwachses an Personal umgesetzt werden, lässt aufhorchen. Natürlich kann man argumentieren, dass diese erste Stufe, die auch in Nordrhein-Westfalen mit einem deutlichen zusätzlichen Bedarf an Assistenzkräften verbunden ist, erst einmal umgesetzt werden muss. Aber die Vergangenheit lehrt auch, dass ersten Schritten manchmal keine zweiten folgen. Hier wird es immens wichtig sein, die Entscheidungsträger in der Politik daran zu messen, dass weitere Reformen erfolgen und 2025 die Weichen für die nächste Ausbaustufe gestellt werden.
Spätestens dann wird man auch bei der Finanzierung der Pflegeversicherung und bei der Eigenleistung der Betroffenen weitere Schritte gehen müssen. Die beschlossenen Entlastungen wirken unmittelbar. Wenn in den Einrichtungen aber perspektivisch deutlich mehr Beschäftigte für die Bereiche Pflege und Betreuung arbeiten werden und wenn diese bei zahlrei-chen heute noch nicht tarifgebundenen Einrichtungen erfreulicherweise auch besser vergütet werden, wird die Pflege teurer. Das wird politisch nur umsetzbar sein, wenn es nicht ausschließlich auf dem Rücken der Betroffenen abgeladen und gleichzeitig eine langfristige sichere Finanzierung geschaffen wird.