Erfolgsmodell für Selbstbestimmung
Schon in den 90er-Jahren forderten sie echte Mitbestimmung. Damals bereits nannte Robert Lenfers als Vertreter des Deutschen Caritasverbandes die Treffen der Caritas-"Beschäftigtenvertretung" eine "neue Plattform für Selbstbestimmung und Mitwirkung" auf dem Weg zu mehr Mündigkeit und Verselbstständigung der 6000 Menschen mit Behinderungen in Caritas-Werkstätten im Jahr 1990 in NRW
Schon damals ging es den Beschäftigtenvertretungen nicht nur um die Arbeit, sondern auch um Bildung, Freizeitgestaltung und ein faires Entgelt.
Werkstatträte gab es aber erst ab dem Jahr 2001. Damals trat die erste Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) in Kraft. Allerdings durften die Werkstatträte nur mitwirken und nicht mitbestimmen, bis im Jahr 2017 im Zuge der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) die Rechte der Werkstatträte deutlich gestärkt wurden. Seitdem gibt es erst echte Mitbestimmungsrechte.
In der Pandemie waren oft Werkstatträte im Krisenstab
Heute finden wir viele der Forderungen der Beschäftigtenvertretungen aus den 90er Jahren im § 5 Mitwirkung/Mitbestimmung der Caritas-Werkstätten-Mitwirkungsordnung (CWMO) wieder. Bildung findet heute in arbeitsbegleitenden Maßnahmen statt, die in § 5 Werkstättenverordnung (WVO) geregelt sind. Werkstatträte sind ein Erfolgsmodell für die Selbstbestimmung in den Werkstätten.
Heute sind Werkstatträte beteiligt, wenn es um Veränderungen innerhalb der Werkstätten geht. In der Corona-Pandemie mussten Werkstatträte das Hygiene-Schutz-Konzept in den Werkstätten mitunterschreiben. In vielen Werkstätten waren die Werkstatträte im Krisenstab tätig. Das war eine klare Forderung des MAGS in NRW. Genauso verhält es sich mit Gewaltschutz-Konzepten innerhalb der Werkstatt. Werkstatträte kommunizieren heute auf Augenhöhe mit Vertretern von Ministerien und Vertretern der Landschaftsverbände.
Digital weiter organisiert
Die Caritas-Werkstatträte haben sich in der Corona-Pandemie mithilfe digitaler Technik weiter organisiert. In regelmäßigen Videokonferenzen haben sich die Caritas-Werkstatträte ausgetauscht. Auch der Kontakt zu anderen Werkstatträten wie den Werkstatträten NRW, Werkstatträten Niedersachsen und Werkstatträten Deutschland wurde gehalten. Das Netzwerken über die Caritas hinaus ist ein notwendiger Erfahrungsaustausch, der dabei hilft, wichtige Anliegen wie die Diskussion über die Neuausrichtung des Entgelts voranzubringen.
Werkstatträte im Homeoffice: Auch das gibt es heute. Im Zuge der Corona-Pandemie sind einige der Caritas-Werkstatträte, ausgestattet mit Laptop und Diensthandy, ins Homeoffice gegangen. Dort konnten sie ihre Arbeit weiter fortsetzen, Mails beantworten und den Kontakt zu den Kollegen aufrechterhalten.
Als im März 2020 während der Corona-Pandemie das Betretungsverbot in den Werkstätten ausgesprochen wurde und Werkstattbeschäftigte über Monate die Werkstatt nicht mehr betreten durften, war das für viele eine Katastrophe. Die Caritas-Werkstatträte haben sich gemeinsam mit den Werkstatträten NRW massiv beim MAGS NRW und BMAS dafür eingesetzt, dass es auch in dem folgenden Lockdown kein Betretungsverbot mehr gab. Gemeinsam mit den Werkstatträten NRW haben die Caritas Werkstatträte für das Impfen in den Werkstätten geworben.
30 Jahre Caritas-Werkstatträte sind eine Zeit, in der sich die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten zwar verbessert hat, aber das System Werkstatt darf in seiner Entwicklung nicht stehen bleiben. Heute reden wir über Inklusion, das bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen nach der UN-Behindertenrechtskonvention die volle Partizipation in allen Lebensbereichen unserer Gesellschaft haben müssen. Das bezieht sich besonders auf die Beteiligung der Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben. Werkstätten für Menschen mit Behinderungen bieten heute ein breites Angebot an Arbeit, vom Arbeitsplatz in der Gruppe über Außenarbeitsplätze, betriebsintegrierte Arbeitsplätze bis hin zu Integrationsunternehmen. Auch hier sind Werkstatträte beteiligt.
Trotzdem reicht das nicht. Werkstätten zeigen großes Engagement, Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Aber der allgemeine Arbeitsmarkt bleibt vielen verschlossen, da die meisten Unternehmen davor zurückscheuen, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Der allgemeine Arbeitsmarkt ist noch lange nicht offen genug.
Eine weitere Baustelle ist das Entgelt. Bereits in den 90er-Jahren forderte die damalige Beschäftigtenvertretung der Caritas ein faires Entgelt. Diese Diskussion hat seit der schrittweisen Erhöhung des Grundlohns in Werkstätten bis ins Jahr 2023 wieder Fahrt aufgenommen. Die Bundesregierung hat eine Studie in Auftrag gegeben, die das Entgeltsystem in den Werkstätten untersucht. Ziel soll es sein, den Beschäftigten langfristig ein faires Entgelt zu zahlen. Dabei werden Werkstatträte ein wichtiger Gesprächspartner sein, denn nach § 5 CWMO haben sie hier echte Mitbestimmung.