"Nicht mit Armut abfinden"
Nach Untersuchungen liegt die Armutsquote im Ruhrgebiet bei 20 Prozent. Meiwes bezeichnete die Situation in vielen Stadtteilen des Ruhrgebiets als "Sozialfrustration". Das Gefühl, ohne Chancen oder nicht gewollt zu sein, dränge Menschen in die Selbstisolation. "Ganze Bevölkerungsgruppen sind abgehängt und haben aufgegeben. Ein Kreislauf, der sich auf nachfolgende Generationen überträgt", so der Caritasdirektor.
Wichtig ist laut Meiwes der Einsatz für benachteiligte Kinder. Denn jedes vierte Kind im Ruhrbistum wachse in Armut auf. "Wie fast in keiner weiteren Region in Deutschland bestimmen das soziale Milieu und der Wohnort maßgeblich die Bildungschancen von Kindern." Für die Chancengerechtigkeit für Kinder müssten deshalb Bildung, soziale Stadtentwicklung, Stadtplanung und Familienpolitik zusammenwirken.
Angesichts der Flüchtlingssituation warnte Meiwes zudem vor einem Kippen der Stimmung. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Not der einen mit den Sorgen der anderen verglichen wird." Es werde womöglich Auseinandersetzungen um die knappen Ressourcen geben. Deshalb müsse dringend nach Lösungen gesucht werden, damit nicht jede belegte Turnhalle den "derzeit noch herrschenden gesellschaftlichen Konsens" infrage stelle.
nak-Sprecher: "Flüchtlinge nicht für Lohndumping missbrauchen"
Auch die Nationale Armutskonferenz (nak) warnte vor jeder weiteren Verschärfung der politisch bedingten Ungerechtigkeit in der Gesellschaft. Immer mehr Menschen aus unteren Einkommensschichten hätten in zahlreichen Branchen nur noch Zugang zu Minijobs und Teilzeitarbeit, kritisierte Dr. Frank Joh. Hensel, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz und Kölner Diözesan-Caritasdirektor. Da sei es wichtig, dass sich die Große Koalition jetzt auf einen Mindestlohn auch für Flüchtlinge verständigt habe. "Wir dürfen die Flüchtlinge nicht für ein Lohndumping missbrauchen", sagt Hensel.
Deutschland trenne bereits jetzt eine tiefe Kluft: Trotz guter Konjunktur stagnierten seit Jahren die Löhne in den unteren Lohngruppen. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse und Leiharbeit verstärkten diesen Effekt, sodass Arbeit längst kein Garant mehr sei zur Existenzsicherung oder gar für Wohlstand. Auch bei der Vermögensverteilung täten sich Abgründe auf. "Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland verfügen über genauso viel Vermögen wie drei Viertel aller Deutschen zusammen. Die fünf reichsten Personen haben sogar genauso viel wie die unteren 40 Prozent - nämlich sagenhafte 101 Milliarden Euro", so Hensel.
Jedes fünfte Kind in Deutschland wachse in einer einkommensarmen Familie auf. Diese soziale Schieflage wirke sich massiv auf die Bildungs- und Zukunftschancen benachteiligter Kinder aus. In kaum einem anderen europäischen Land sei Bildung so eng an die soziale Herkunft gekoppelt wie in Deutschland. "Es ist überhaupt nicht akzeptabel, dass Kinder so benachteiligt sind und praktisch schon früh und dauerhaft abgehängt werden", so Hensel. Schuld daran seien Versäumnisse und fatale Entscheidungen auf politischer Ebene.