Sexueller Missbrauch und Gewalt
Wir sehen das Leid, das Menschen auch durch Priester und kirchliche Mitarbeiter zugefügt wurde. Es ist schwer zu ertragen, dass gerade Priester solche Verbrechen begehen. Nach unserer Einschätzung hat Kardinal Lehmann in seinem Beitrag "Kirche der Sünder, Kirche der Heiligen" (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. April 2010) sehr gut ausgedrückt, wie sehr die Kirche unter diesen Taten und ihrem eigenen Versagen leidet.
Als katholischer Wohlfahrtsverband stellt die Bochumer Caritas Menschen, die unter Gewalt gelitten haben, ihre professionelle Hilfe ausdrücklich zur Verfügung. Wir nehmen sexuellen Missbrauch und Misshandlungen durch Priester und katholische Erzieher genauso ernst wie sexuelle Übergriffe durch Väter, Brüder, Erzieher, Nachbarn, Mütter, Tanten, Schwestern ...
Wir stehen an der Seite der Betroffenen, die so sehr in ihrem Vertrauen verletzt wurden. Die Caritas garantiert ihnen eine absolut parteiliche Unterstützung und Begleitung, die das Selbstbestimmungsrecht nicht verletzt. Wir sind schweigepflichtgebunden und nur den Rat- und Hilfesuchenden sowie dem Kinderschutz verpflichtet.
Unsere Beratungs- und Hilfsangebote im Überblick:
Die Kinderschutzambulanz von "Neue Wege" ist eine Beratungsstelle für Kinder (Mädchen und Jungen), Jugendliche und Heranwachsende, die Opfer von Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch oder Zeugen häuslicher Gewalt sind. Selbstverständlich ist die Kinderschutzambulanz auch Anlaufstelle für minderjährige und heranwachsende Opfer von Gewalt durch Priester und andere kirchliche Mitarbeiter.
Für Erwachsene, die wegen früher erlittener Gewalt durch Priester und kirchliche Mitarbeiter Hilfe suchen, ist die Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Caritas die richtige Adresse. Gemeinsam wird überlegt, ob die beraterische und therapeutische Begleitung durch die Beratungsstelle die angemessene Hilfe ist oder eventuell eine Psychotherapie sinnvoll scheint.
Einige Richtigstellungen zur Diskussion um sexuellen Missbrauch:
Mädchen und Jungen als Opfer sexueller Gewalt
Durch die aktuellen Berichterstattungen wird noch einmal deutlich, dass auch Jungen Opfer sexueller Gewalt werden. Sie sind genauso ohnmächtig wie Mädchen, wenn Erwachsene oder ältere Jugendliche ihnen Sex aufdrängen. Und sie haben genauso wenig Schuld.
Kinder haben nichts falsch gemacht, wenn Erwachsene Sex von ihnen wollen. Für Jungen, die ja Männer werden wollen, die alles im Griff haben, ist es oft schwer zu ertragen, dass auch sie zum Opfer gemacht werden können. Weder bei Mädchen noch bei Jungen sagt der Missbrauch etwas über das Kind aus. Der Täter / Die Täterin konnte sich Zugriff verschaffen. Das ist alles. Bei sexuellem Missbrauch durch Priester sind deshalb mehr Jungen Opfer, weil Priester sich unauffälliger mit Jungen zurückziehen können, ohne dass ein Beobachter an sexuelle Motive denkt.
Sexueller Missbrauch und Pädophilie
Sexueller Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen hat nur wenig mit Pädophilie und gar nichts mit Homosexualität zu tun. Es ist ein Verbrechen, bei dem die Missbraucher ihr sexuelles Bedürfnis und ihr Bedürfnis nach Macht vermischen und folglich Opfer suchen, bei denen sie ihre Macht spüren können. Die grundlegende sexuelle Orientierung spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Die meisten Missbraucher sind heterosexuell, so wie die meisten Menschen heterosexuell sind.
Pädophilie ist eine Störung der sexuellen Präferenz, bei der Menschen ihre sexuelle Lust nur mit Kindern befriedigen können. Es gibt aber viele Pädophile, die diese Lust nicht ausleben, um keine Kinder zu verletzen. Darum ist es so wichtig, Pädophilie vom sexuellen Missbrauch getrennt zu betrachten. Nur etwa zehn Prozent der Missbraucher sind pädophil.
Sexueller Missbrauch und Zölibat
Sicherlich müssen Priester immer wieder neu mit sich ringen, ihrem Weiheversprechen, zölibatär zu leben, treu zu bleiben. Auch andere Lebenskonzepte (z. B. die Ehe) erfordern Reflexion und Gespräch, Einsatz und aktive Gestaltung, Unterstützung und Entscheidung.
Aber nur Menschen, die ihr Bedürfnis nach Macht sexuell aufladen, missbrauchen. Da es viele Missbraucher gibt, die parallel sexuelle Beziehungen zu Frauen oder Männern unterhalten und trotzdem Kinder sexuell missbrauchen, gibt es keinen Grund zu der Annahme, das Zölibat würde Missbrauch forcieren, weil die Priester sexuell frustriert wären.
Anzeigepflicht
Es erscheint immer wieder verlockend, das Problem der Gewalt gegen Kinder über Strafverfolgung zu lösen. Das Strafverfahren dient aber ausschließlich der Frage, ob ein bestimmter Mensch zweifelsfrei eine bestimmte Straftat begangen hat und wie hoch er dafür bestraft werden sollte. Opfer sind in einem solchen Verfahren nur Zeugen und müssen sogar begleitet werden, um nicht noch zusätzlich Schaden zu nehmen. Strafverfahren dienen weder dem Opferschutz, noch sind sie für das Opfer ein Hilfe. Noch weniger ist es angebracht, Menschen, die bei einem Verdacht keine Anzeige erstatten, selbst unter Strafe zu stellen.
Daher fordern alle Fachleute, die mit Opfern arbeiten, ausreichend niedrigschwellige, kostenlose Beratungs- und Therapieangebote für Opfer sexueller Gewalt zur Verfügung zu stellen - und das auch Jahre nach der Tat. Wenn die Betroffenen dann anzeigen wollen, werden sie dabei begleitet.
Was kann man tun?
Wir brauchen offene Augen und Ohren für Menschen, die über erlittenes Leid reden wollen. Jeder Mensch, der zuhört, ist ein Segen. Es ist schrecklich, wenn niemand hören will, was man erlebt hat. Und wir brauchen Menschen, die den Mut haben, den Mund aufzumachen, wenn sie Leid sehen. Das ist schwer und kann Ärger und Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Aber den Opfern fällt es meist noch schwerer, um Hilfe zu bitten.
Insbesondere für die Lebenswelten, in denen die Kirche Kinder und Jugendliche wie in den Internaten in Obhut nimmt, sind Leitbilder gefragt, die alle Mitarbeiter verpflichten, die Integrität und die Rechte von Minderjährigen unbedingt zu wahren. Es ist ein klares Regelwerk erforderlich, in dem festgelegt ist, wie bei Hinweisen und Verdachtsmomenten zu verfahren ist, damit Gewalt an jungen Menschen nicht verschleiert wird.
Wer es unangemessen findet, die eigenen Beobachtungen direkt den offiziellen Stellen, wie z. B. dem kommunalen Jugendamt, mitzuteilen, dem steht die Beratungs- und Therapiestelle "Neue Wege" der Bochumer Caritas offen. Jeder Mensch, der sich Sorgen macht um ein Kind, dem vielleicht Gewalt zugefügt wird, egal durch wen, der kann sich für einen Erstkontakt vertrauensvoll an "Neue Wege" wenden. Die Mitarbeiter(innen) nehmen alle Sorgen und Beobachtungen ernst. Gemeinsam überlegen wir, was am besten zu tun ist. Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt geworden sind, können sich natürlich auch selbst an "Neue Wege" wenden (per Anruf oder E-Mail).
Neue Wege - Ärztliche und psychosoziale Beratungsstelle gegen Misshandlung,
Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch von Kindern
Alexandrinenstraße 9 · 44791 Bochum
Tel. 0234/50 36 69 · Fax 0234/9 50 30 59
E-Mail: neuewege@caritas-bochum.de
www.neuewege-caritas-bochum.de
Hotline
Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine bundesweite Telefon-Hotline für Opfer sexuellen Missbrauchs eingerichtet. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800 120 1000 sind an drei Tagen in der Woche (dienstags, mittwochs und donnerstags) von 13.00 bis 20.30 Uhr geschulte Beraterinnen und Berater sowie Therapeuten zu erreichen. Sie bieten Hilfe an für Menschen, die im Raum der katholischen Kirche Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Diese können anonym bleiben und entscheiden selbst, welche weiteren Schritte sie gehen wollen. Informationen auch unter www.hilfe-missbrauch.de
Orientierungshilfe
Der Deutsche Caritasverband (DCV) hat Empfehlungen zur Prävention von sexuellem Missbrauch und zum Verhalten bei Missbrauchsfällen herausgegeben. Sie richten sich insbesondere an die Dienste und Einrichtungen der Caritas in der Kinder- und Jugendhilfe und der Behindertenhilfe, aber auch an andere Dienste, in denen besondere Abhängigkeitsverhältnisse bestehen.
Die Empfehlungen enthalten Regelungen zur Prävention sexuellen Missbrauchs, die dazu beitragen sollen, Risiken frühzeitig zu erkennen und sie ansprechen zu können. Dazu gehören eine vorsorgende Personalpolitik, klare Verhaltensregeln für Mitarbeitende und eine Stärkung der Rechte von Schutzbefohlenen bzw. ihrer Angehörigen. Die Empfehlungen fordern einen sensiblen Umgang mit Fragen von Nähe und Distanz in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und behinderten Menschen. Bei Hinweisen auf sexuellen Missbrauch bzw. bei einem begründeten Verdacht stehen das Wohl der Schutzbefohlenen und die konsequente Aufklärung im Zentrum der Empfehlungen. Die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden ist eindeutig geregelt.
Konkrete Handlungsempfehlungen können Interessierte abrufen unter: www.caritas.de/2340.asp