Konferenz zur Zukunft Europas
Seine Idee war, angesichts von Brexit und zunehmenden europafeindlichen Tendenzen, mit breiter Beteiligung der europäischen Bürgerinnen und Bürger über einen Neubeginn in der EU im Sinne von "Freiheit, Schutz und Fortschritt" zu beraten. Ursula von der Leyen griff dieses Anliegen bereits in ihrer Rede als Kandidatin für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin engagiert und positiv auf.
Ende 2019 wurde die Einberufung einer Konferenz zur Zukunft Europas vom Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission in die Wege geleitet. Die Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat dagegen standen dem Vorhaben zunächst zurückhaltend gegenüber, u. a. weil die Mandatierung unklar war.
Bedingt durch den Ausbruch der Corona-Pandemie wurde der ursprünglich für 2020 geplante Start der Konferenz zur Zukunft Europas mit mehreren großen Bürgerversammlungen auf 2021 verschoben und überwiegend auf digitalisierte Formate umgestellt. Inzwischen liegen als Grundlagendokumente eine Mitteilung der EU-Kommission vom 22.01.2020 (siehe hier) sowie eine gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 10.03.2021 vor (siehe hier). Über digitale Plattformen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments sowie Bürgerforen können Bürger_innen und Organisationen ab sofort ihre Ideen zur Zukunft Europas einbringen, an Veranstaltungen teilnehmen oder selbst Veranstaltungen organisieren.
Eine kurze, für mich treffende Aussage zu Rolle und Funktion der Konferenz zur Zukunft Europas steht auf der Homepage der Europäischen Union: "Bei der Konferenz zur Zukunft Europas handelt es sich um von Bürgerinnen und Bürgern getragene Debatten und Diskussionsreihen, bei denen die Menschen aus ganz Europa ihre Ideen austauschen und unsere gemeinsame Zukunft mitgestalten können. Die Konferenz ist die erste ihrer Art: als europaweite Übung in Sachen Demokratie bietet sie ein neues öffentliches Forum für eine offene, inklusive und transparente Bürgerdebatte über zentrale Prioritäten und Herausforderungen."
Zentrales Element der Konferenz zur Zukunft Europas ist das Plenum. Zu den Mitgliedern des Plenums gehört NRW-Europastaatssekretär Dr. Mark Speich (siehe hier und hier). Im Plenum sollen die Ergebnisse von Bürgerforen und (digitalen) Veranstaltungsplattformen diskutiert, ausgewertet und an einen sog. "Exekutivausschuss" weitergeleitet werden. Plenum und Exekutivausschuss sollen auf Grundlage der Ergebnisse der Veranstaltungen und Debatten voraussichtlich im Frühjahr 2022 einen Abschlussbericht, Schlussfolgerungen und Leitlinien verabschieden. Diese sollen zur mittel- und langfristigen Politik (Ziele, Strukturen, Prozesse) der EU beitragen und könnten sogar zu Änderungen der europäischen Verträge führen. Hierfür wäre jedoch ein anschließender, vermutlich langwieriger Vertragsänderungsprozess durch die EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Aus sich heraus hat die Konferenz zur Zukunft Europas weder Gesetzgebungskompetenzen noch exekutive Befugnisse.
Nichtsdestotrotz bietet es sich an, das Konferenzgeschehen für die politische Interessenvertretung zu nutzen. Die Caritas will die EU als Wertegemeinschaft stärken und setzt sich für eine weltoffene, soziale, digitale und nachthaltige EU ein. Dazu hat der Deutsche Caritasverband eine Stellungnahme in die Konferenz eingebracht. Sie eignet sich prima als Anknüpfungspunkt für eigene Beiträge zur Mitgestaltung der diversen Beteiligungsformate in NRW. Die Unterzeichnerin z. B. stellte Thesen in eine Online-Plattform ein und gab Statements bei einem Bürgerdialog des Landtags ab.
Am 29.11. wurden bei einem weiteren Online-Bürgerdialog die Ergebnisse präsentiert und diskutiert. Soziale Themen sollten eher am Rande im Workshop "Wirtschaft" mitbehandelt werden. Doch es kam anders. Mobilität in der beruflichen Bildung, faire Beschäftigungsbedingungen und verbindliche EU-Rahmensetzungen für Mindestlohn und Mindestsicherung bewegten die Teilnehmenden mehr als gedacht. Am Ende schloss das Plenum mit der Botschaft: Die EU braucht eine starke soziale Dimension und beim Sozialen Europa gibt es eindeutig Nachholbedarf!