Tafeln spalten Gesellschaft
Michaela Hofmann und Caritasdirektor Heinz-Josef Kessmann stellen die Tafel-Studie vor.Harald Westbeld
Die Spaltung der Gesellschaft, die sich in den existenzunterstützenden Angeboten fortsetze, "ist für die Caritas in NRW nicht akzeptabel", erklärte der Münsteraner Diözesan-Caritasdirektor Heinz-Josef Kessmann vor der Landespressekonferenz in Düsseldorf.
Existenzsicherung aber sei Aufgabe des Sozialstaats, so Kessmann, und dürfe nicht auf die Armenfürsorge der Wohlfahrtsverbände und der Gesellschaft verschoben werden. Tafeln, Suppenküchen, Kleider- und Möbelshops könnten und dürften als akute konkrete Hilfen in Notsituationen nicht auf Dauer angelegt sein. Allerdings könnten die Einrichtungen nicht schnell abgeschafft werden, sagte Kessmann. Vielmehr sei es erforderlich, sie so weiterzuentwickeln, dass sie auch die "Selbstheilungskräfte" der Armen aktivierten. Laut Kessmann sollten etwa Suppenküchen und Kleiderkammern mit anderen Angeboten der Caritas wie Schuldner- und Erziehungsberatung verknüpft werden. "Wir müssen an den Problemen ansetzen und nicht Symptome kurieren." Gleichzeitig führe das weg von der Essens- oder Kleiderausgabe in Hinterhöfen und hin zu einer Art Sozialkaufhäuser, in denen den Betroffenen "auf Augenhöhe" geholfen und die Teilhabechance von Menschen in Armut gefördert werde.
In Auftrag gegeben war die Studie von den Diözesan-Caritasverbänden in NRW.
Die Studie trägt den Titel "Brauchen wir Tafeln, Suppenküchen und Kleiderkammern?" und liegt als Buch vor. Befragt wurden nach den Worten der stellvertretenden Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Michaela Hofmann, haupt- und ehrenamtliche Helfer sowie regelmäßige Nutzer und "Nutzungsverweigerer" von existenzunterstützenden Angeboten. Den Mitarbeitenden attestiert die Studie eine hohe Verantwortlichkeit für die menschenwürdige Existenz ihrer Mitmenschen. Sie verstünden sich als Ausfallbürgen für die mangelnde sozialstaatliche Absicherung. Ihnen gehe es um konkrete Unterstützung für einzelne in Not geratene Menschen und nicht um politische Arbeit bei der Bekämpfung der Ursachen.
Lebhafte Debatte ausgelöst
Die Tafel-Studie der Caritas hat eine Debatte ausgelöst: Die Vorsitzende der Leichlinger Tafel, Waltraud Simon, weist nach einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers (KStA) die Kritik an den Tafeln zurück. "Was haben die benachteiligten Mitbürger davon, wenn der Politik Versagen vorgeworfen wird?", fragt sie. Die Tafel sei auch ein Treffpunkt, um mal mit jemandem zu reden, "aber wir hören auch zu", berichtet sie.
Lesen Sie hier den ganzen Artikel im Kölner Stadtanzeiger.
Markus Kerckhoff, stellvertretender Vorsitzender der Tafel in Bergisch Gladbach, kann die Thesen in der Caritas-Studie durchaus nachvollziehen: "Als Diskussionsansatz ist die Studie sicherlich sinnvoll. Hartz-IV-Empfänger sind allerdings grundsätzlich mit ihrer Lebenssituation unzufrieden, und es verwundert mich nicht, dass sie den Gang zur Tafel als diskriminierend empfinden."
Karin Wegberg kann es nicht verstehen, dass Menschen sich schämen. "So ist halt das Leben. Die einen haben mehr, die anderen weniger", sagt die Frau und sucht sich an der Theke der Tafel Lebensmittel aus, die für eine Woche den Mittagstisch für sie und ihren Sohn decken.
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Und die Debatte geht weiter: Wolfgang Weilerswist ist nicht nur der Vorsitzende der Mechernicher Tafel, sondern seit Anfang des Jahres auch Sprecher der insgesamt 54 Tafeln im Bezirk Köln, dem vor Detmold, Arnsberg, Düsseldorf und Münster größten Tafel-Bezirk in Nordrhein-Westfalen.
Auch er meint: Das Tafel-Konzept ist keine Dauerlösung.