Chancen in der Pflege aufzeigen
Bei vielen Menschen besteht das Vorurteil, dass die Arbeit mit Senioren und Seniorinnen ausschließlich aus pflegerischen Tätigkeiten besteht. Den wenigsten Menschen ist bewusst, wie vielfältig und abwechslungsreich die Arbeit mit Senioren und Seniorinnen sein kann.
Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelte der Caritasverband Düsseldorf im Mai 2020 in Kooperation mit dem Jobcenter Düsseldorf das Modellprojekt "16 i und Pflege". Im §16i ist im Teilhabechancengesetz das Maßnahmenpaket geregelt, mit dem Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind und Arbeitslosengeld II beziehen, gefördert werden können im Hinblick auf Teilhabe am Arbeitsmarkt.
Mit dem Modellprojekt will die Caritas Düsseldorf die neuen Fördermöglichkeiten des Teilhabechancengesetzes nutzen, Langzeitarbeitslose an die vielfältigen Tätigkeiten im Berufsfeld der Altenpflege (Begleitung, haushaltsnahe Dienste und Verrichtungen, pflegerisch Tätigkeiten) heranzuführen. Hierbei besteht perspektivisch die Möglichkeit, aus der befristeten geförderten Beschäftigung, später in eine unbefristete Anstellung, ohne weitere öffentliche Förderung durch den Caritasverband Düsseldorf übernommen zu werden.
Das Projekt richtet sich an Leistungsbeziehende, die nach § 16 i SGB II förderfähig sind, und ein eintragungsfreies erweitertes Führungszeugnis vorlegen können. Weitere Bedingungen gibt es zunächst nicht. Faktisch verfügt die Mehrzahl der Teilnehmenden aber über eine gewisse Affinität für Senioren und Seniorinnen. Einige von ihnen habe bereits im Rahmen anderer Maßnahmen erfolgreich eine Weiterbildung zum Alltagsbegleiter in der Seniorenbegleitung absolviert.
Aktuell stehen insgesamt bis zu 20 Kooperationsplätze für die sog. "Pflegeassistenten/Pflegeassistentinnen" zur Verfügung. Alle Teilnehmenden erhalten einen Arbeitsvertrag für die Dauer von fünf Jahren und werden entsprechend der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) vergütet; der Caritasverband Düsseldorf übernimmt zudem die öffentlich nicht refinanzierten Kosten des Gehalts, wie zum Beispiel das Weihnachts- und Urlaubsgeld.
In der Caritas Pflegestation werden die neuen Mitarbeitenden planvoll schrittweise an ihr neues Tätigkeitsfeld herangeführt. Das Konzept sieht (wie für Stellen mit Förderung nach § 16 i SGB II üblich) degressive Lohnkostenzuschüsse des Jobcenters vor. Dem entspricht eine wachsende eigenständige Verantwortungsübernahme der Mitarbeitenden. Der Caritasverband gewährleistet hierfür die Umsetzung eines eigens konzipierten Curriculums.
Sukzessive werden in der praktischen Begleitung hier drei Schritte verfolgt:
- Kennenlernen des Praxisfeldes unter Berücksichtigung institutioneller und rechtlicher Rahmenbedingungen und fachlicher Konzepte
- Mitarbeiten bei der umfassenden und geplanten Pflege unter Anleitung
- Selbständige Durchführung haushaltsnaher Tätigkeiten und Übernahme selbstständiger Teilaufgaben in der Pflege bei Menschen in stabilen Pflegesituationen.
Der Caritasverband begleitet den Prozess mit einem wöchentlich dreistündigen Reflexionsgespräch sowie regelmäßigen internen Fortbildungen.
Die Modellstufen sind dabei grob an Jahren orientiert. So geht es im ersten Jahr zunächst um das "Ankommen und Gewöhnen", etwa dem Kennenlernen des Caritasverbandes Düsseldorf, der Teilnahme an institutionellen Pflichtfortbildungen und Schulungen zum Verhalten in fremden Sozialräumen. Im zweiten Jahr lautet das Motto "Verstetigen und Routine gewinnen", im dritten Jahr um die "Vertiefung von Praxiswissen und um das Gewinnen von Sicherheit", im vierten Jahr um "den Ausbau eines praktischen Leistungsumfangs" und im fünften Jahr um "den Übergang in eine nicht geförderte Beschäftigung und weiterführende Qualifizierung". Die Kosten der Weiterbildungen werden durch Caritas und Jobcenter finanziert.
Zudem kommt ein Coaching durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Kooperationspartner Jobcenter. Ziel der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung ist es, das Leistungsvermögen der nunmehr beschäftigten Personen zu steigern, das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren und damit eine dauerhafte Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Modellstufen des Heranführens an das neue Tätigkeitsfeld und Übersicht über degressive Lohnkostenzuschüsse.Grafik: Caritasverband Düsseldorf
Die Teilnehmer sollen durch das Kooperationsmodell und das damit verbundene Förderprogramm dauerhaft beruflich zufrieden situiert werden.
Aus Sicht des Jobcenters Düsseldorf ist das Projekt "16i und Pflege" eine große Herausforderung, die daraus resultiert, dass die Leistungsbeziehenden zunächst davon überzeugt werden müssen, diese große Chance für sich wahrzunehmen. Aber die hohe Verbleibquote (9 von 10 Beschäftigten sind immer noch im Projekt), bestätigen die Richtigkeit des niedrigschwelligen Zugangs und die Qualität der fachlichen Begleitung durch den Caritasverband Düsseldorf. Alle Teilnehmenden erleben in ihrer täglichen Arbeit Wertschätzung und sind nicht zuletzt deshalb offen für neue Aufgaben und Fortbildungen.
Gleichzeitig bedeutet das Projekt auch für die Senioren und Seniorinnen einen erheblichen Zugewinn in ihrer Lebensgestaltung. Dadurch, dass der Caritasverband, dank der längeren Laufzeit der Förderung nach § 16 i-SGB II, mit den Beschäftigten langfristig planen kann, erhalten auch die Senioren und Seniorinnen für sich einen festen Interaktionspartner und können eine sichere Beziehungsebene aufbauen.
Resümee:
Aus Sicht aller Beteiligten ist das Projekt "16i und Pflege" ein voller Erfolg.
- Für das Jobcenter, da es hiermit über eine Maßnahme verfügt, die es Langzeitarbeitslose ermöglicht langfristig unabhängig von staatlicher Unterstützung zu leben.
- Für die Langzeitarbeitslosen und deren Familien, da sie wieder eine Perspektive haben und sie unabhängig von staatlichen Leistungen leben können. Darüber hinaus wird ihr Selbstwertgefühl nachhaltig gestärkt, was wiederum zu weiteren positiven Übertragungseffekten in ihrem sozialen Umfeld führt.
- Für den Caritasverband Düsseldorf e. V., der dadurch ein aktives Instrument hat, um dem Fachkräftemangel im Bereich der Altenpflege aktiv zu begegnen.
- Für Senioren und Seniorinnen, die dadurch mehr Beziehungsstabilität und Betreuungsstabilität erfahren.
- Für die Gesellschaft, die dadurch weiteres Instrumentarium hat, sich aktiv dem demografischen Wandel und damit verbundenen Heraufforderungen aktiv zu stellen.