Neues Alten- und Pflegegesetz beschlossen
Die große Mehrheit der alten Menschen will Zuhause oder im vertrauten Quartier leben. Das Land will daher vor allem die Pflegemöglichkeiten für Menschen in der häuslichen Umgebung verbessern. Dazu setzt die Landesregierung stark auf die Verbesserung von Quartiersangeboten wie Einkaufservice, Besuchsdiensten und Beratungen, um den Eintritt in eine stationäre Unterbringung so lange wie möglich hinauszuzögern. Das könnte dort zu Problemen führen.
Erleichtert wurde beispielsweise die Gründung von "Alten-WGs" als Alternative zum Pflegeheim. Sie werden künftig von den strengen Heimstandards befreit.Das fördert den "Quartiersgedanken".
Wer im Altenheim wohnt, freut sich über Familienbesuch. Ein Einzelzimmer in NRW demnächst Standard sein. © LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW
Bereits heute werden 71 Prozent der 550.000 Pflegebedürftigen zuhause gepflegt. Immer noch wird der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen durch Angehörige versorgt, etwa 130.000 Menschen allerdings mit Unterstützung durch ambulante Pflegedienste. 160.000 Pflegebedürftige leben in einem der 2325 Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen.
Mit dem Pflegegesetz verfolge der Landtag das Ziel "ambulant vor stationär", sagte der SPD-Sozialpolitiker Günter Garbrecht. Das bedeute aber nicht "ambulant statt stationär". In der Diskussion um den Gesetzentwurf hatten die Heimträger (unter ihnen die Caritas) große Bedenken geäußert, ob ihre Investitionen in stationäre Heime wirtschaftlich bleiben.
Mit der Neuregelung soll nämlich auch die Einzelzimmerquote, die schon im alten Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) festgeschrieben worden war, gesteigert werden. Bis 2018 müssen in NRW 80 Prozent der Zimmer als Einzelzimmer angeboten werden. Ab 2018 sind außerdem nur noch direkt vom Zimmer aus zugängliche Einzel- oder maximal von zwei Zimmern aus nutzbare Bäder erlaubt. Gleichzeitig soll die Zahl der Plätze in den Heimen soweit als möglich auf 80 reduziert werden. Von dieser Zielvorgabe sind viele Einrichtungen noch weit entfernt.
Ob der Modernisierungsstau mit dem neuen Pflegegesetz aufgelöst werden kann, ist nach Ansicht von Experten strittig. Denn Investitionen, die sich wirtschaftlich nicht rechnen, werden sich die Träger zweimal überlegen. Ministerin Barbara Steffens (Grüne) ging es vor allem darum, "pflegebedürftige Menschen davor zu schützen, dass sie Renditebeschaffer sind", wie sie mit Blick auf private Heimbetreiber sagte. Auch gemeinnützige Träger wie die Caritas werden bei Neubauten künftig mit den Kommunen verhandeln müssen, bei denen die Letztentscheidung im Hinblick auf die Finanzierung liegt. Das kann vor allem dort zum Nachteil der pflegebedürftigen Menschen ausgehen, wo die Kommunen überschuldet sind.
"Das neue Finanzierungsrecht erschwert die Situation für die Pflege- Einrichtungen der Caritas", sagte der Caritas-Experte Dr. Albert Evertz, der den Gesetzgebungsprozess als Vorsitzender der Kommission Pflegeversicherung der LAG Freie Wohlfahrtspflege intensiv begleitet hatte. "Unsere Einrichtungen müssen noch mehr rechnen. Wahrscheinlich werden Neubauten kaum mehr möglich sein und Bestandseinrichtungen werden geringere Finanzierungsrahmen als bisher haben", warnte er. Nach wie vor sei von erheblichen finanziellen Unsicherheiten und Risiken auszugehen, die das neue Recht nach sich ziehe. Wenn sich - wie prognostiziert - die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 verdoppelt, gleichzeitig durch den Abbau von Doppelzimmern die Zahl der Heimplätze reduziert werden muss, wird schon in wenigen Jahren die Frage neu gestellt, wie die angemessene Versorgung alter Menschen gewährleistet werden kann.