Engagiert für das Gemeinwohl – Pflicht oder Kür?
Lydia Ossmann, Referentin für Engagementförderung beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum KölnFoto: DiCV Köln
Auch Parteien äußern sich hierzu, in der Wohlfahrt und Caritas wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Die Diözesan-Arbeitsgemeinschaft Ehrenamt im DiCV Köln hat im vergangenen Jahr einen spannenden Fachtag hierzu veranstaltet.
Während für die einen ein Pflichtdienst kontraproduktiv ist und dem Grundsatz von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung diametral entgegensteht, sehen andere nur in einer Verpflichtung die Gewähr, dass sich mehr Menschen für das Gemeinwohl einsetzen.
In die Debatte fließen viele Themen und Aspekte ein, z. B. die Hoffnung, damit dem Fachkräfte- und Personalmangel etwas entgegensetzen zu können, Überlegungen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und des Zivildienstes spielen eine Rolle, Nachwuchsprobleme im Katastrophen- und Zivilschutz wollen gelöst werden. Auch die Bewältigung von Krisen und Katastrophen erfordern zivilgesellschaftliches Engagement. Hier sind funktionierende und verlässliche Strukturen notwendig. Auch wächst die Sorge um die Demokratie. Rechte Strömungen in Politik und Gesellschaft nehmen zu. Nur mit einer starken Zivilgesellschaft kann es Antworten auf diese Tendenzen geben, dies kann durch gestärktes Engagement unterstützt werden.
Engagement ist immens wichtig für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Darüber sind sich alle einig.
Unser Fokus sollte daher auf die Frage ausgerichtet sein, wie gesellschaftliche Verantwortung gestärkt werden kann und wie das Bewusstsein für eine starke Zivilgesellschaft angesichts vieler Krisen und Transformationsprozesse wachsen kann.
Der letzte Freiwilligensurvey gibt an, dass sich in Deutschland fast 40 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren ehrenamtlich engagiert. Das sind ca. 30 Mio. Menschen. Von den bisher oder im Moment nicht Engagierten geben ca. 60 Prozent an, dass sie sich grundsätzlich engagieren würden.
Es bleibt noch ein Prozentsatz von ca. 20 Prozent der Bevölkerung, die bisher oder grundsätzlich keinen Bezug zum bürgerschaftlichen Engagement haben.
Doch wie gelingt es, mehr Menschen für ein zivilgesellschaftliches Engagement zu gewinnen? Hilft da ein Pflichtdienst?
Ich meine nein.
- Mit der Forderung eines Pflichtdienstes sind in der öffentlichen Debatte junge Menschen gemeint. Diese engagieren sich jedoch bereits überdurchschnittlich. Im Sinn einer Generationengerechtigkeit sollte sich die Forderung nach Gemeinwohlengagement auf alle Altersgruppen beziehen.
- Mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr und dem Bundesfreiwilligendienst gibt es bewährte Instrumente für ein verlässliches Engagement. Statt einen Pflichtdienst zu fordern, wäre es sinnvoller diese auszubauen und vor allem verlässlich und für die Träger planungssicher zu finanzieren. Die Initiative ‚Freiwilligendienste jetzt!‘ legt mit einem großen Trägerbündnis, u. a. auch der Caritas gute und sinnvolle Vorschläge vor. Einige finden sich in der Position zur Bundestagswahl 2025 www.fwd-staerken.de/petition und auf www.rechtauffreiwilligendienst.de. Dies wäre viel sinnvoller als eine sehr aufwändige Pflichtstruktur aufzubauen und umzusetzen.
- Die Förderung des gemeinwohlorientierten Engagements ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Es sollte zum guten Ton in der Gesellschaft gehören und einfach selbstverständlich sein, dass man sich engagiert. Unternehmen (und einige tun dies bereits) könnten ihren Mitarbeitende Freistellungen für Engagement gewähren. In Personalauswahlverfahren könnte die Ausübung eines Engagements positiv bewertet werden oder karriereförderlich sein.
An guten Ideen mangelt es gewiss nicht. Man muss sie nur umsetzen.