Für die Caritas in NRW sagte der Paderborner Diözesancaritasdirektor Volker Odenbach auf dem Europaforum in Münster eine aktive Beteiligung an der Mitgestaltung eines sozialen Europa zu.
Münster (cpm) - Europas Bürger sind im weltweiten Vergleich glücklich, aber blicken sorgenvoll in die Zukunft. Das hat Roger Liddle, Berater für die EU-Kommission in Brüssel, in einem Bericht über die Soziale Wirklichkeit in Europa festgestellt. Für diesen scheinbaren Widerspruch gibt es Gründe. Vielen geht es gut, aber Globalisierung und demographischer Wandel bedrohen den Wohlstand. Um deren Folgen abzufedern muss aus seiner Sicht Europa sozialer denken und nicht mehr einseitig ökonomisch. Das ist auch Anliegen der Caritas in Nordrhein-Westfalen. Die Erhaltung der gewachsenen sozialen Strukturen und ihre Weiterentwicklung stehen im Mittelpunkt ihres zweitägigen Europa-Forums, das am Mittwoch in Münster begonnen hat.
Die politische Gestalt Europas muss "immer wieder erneuert werden", erklärte Volker Odenbach, Paderborner Diözesancaritasdirektor und Sprecher der Diözesancaritasverbände in NRW. Die Caritas wolle sich aktiv an der Mitgestaltung der Rahmenbedingungen beteiligen. Bei aller Anpassung an europäische Normen müsse dabei an dem in Deutschland bewährten Subsidiaritätsprinzip, nach dem der Staat soziale Aufgaben an freie Träger delegiere, erhalten bleiben. Einer Weiterentwicklung in einem gemeinsamen europäischen Rahmen werde sich die Caritas allerdings nicht verweigern.
Ein Pfund, mit dem die Caritas dabei wuchern kann, wird nach Ansicht von Roger Liddle in Zukunft noch größere Bedeutung gewinnen: "Freiwilliges Engagement wird eine zunehmend bedeutende Rolle in der Entwicklung eines sozialen Europas spielen", sagte Liddle, der einige Jahre als Europaberater Tony Blairs gearbeitet hat.
In seiner Studie für die Europäische Kommission hat Liddle festgestellt, dass insbesondere die Deutschen pessimistisch in die Zukunft schauten, auch wenn sich der Spitzenwert von gerade mal drei Prozent Optimisten seit November letzten Jahres inzwischen verbessert haben dürfe. In der Tat gebe es auch Anlass zu Sorgen. Allgemeines Problem in Europa sei, dass sich der Arbeitsmarkt zu Dienstleistungen entwickle, die auf Wissen gründeten, jedoch die Bildungssysteme damit nicht Schritt hielten. Im Gegenteil sei in einigen Staaten so auch in Deutschland das Bildungsniveau in den letzten Jahren sogar gesunken.
Roger Liddle erwartet eine wachsende Bedeutung des freiwilligen Engagement für die soziale Entwicklung der EU.
Anlass zur Sorge böten auch der demographische Wandel und die soziale Lage alter Menschen und Familien. Zwölf von 72 Millionen Rentnern in der EU seien relativ arm und 18 von 94 Millionen Kindern wüchsen in Armut auf. Für beide Entwicklungen sei es wichtig, die Berufstätigkeit von Frauen unter anderem durch bessere Kinderbetreuung zu fördern, so Liddle.
Es gebe jedoch auch positive Entwicklungen und Lösungsansätze. Beispielsweise biete Europa heute den Menschen mehr Möglichkeiten, unterschiedliche Lebensentwürfe zu verwirklichen. Um die Debatte über den Weg zu einem sozialen Europa anzustoßen, sei es besser voneinander zu lernen als immer neue Gesetze zu erlassen, empfahl Liddle.
Dass sich die soziale Dimension des europäischen Staatenbundes nur langsam entwickelt, führte Andrej Stuchlik von der Freien Universität Berlin unter anderem darauf zurück, dass Sozialpolitik ursprünglich nur als Flankierung der Wirtschaft gedacht war, damit sich der Markt ungehindert entfalten könne. In einem historischen Rückblick zeigte Stuchlik jedoch auf, dass die Sozialpolitik zunehmend von der EU in den Blick genommen werde. Ein Indiz dafür sei, dass im Vertrag von Nizza im Jahr 2000 soziale Grundrechte erstmals verankert worden seien.
Mit weiteren Vorträgen und Diskussionen über die soziale Vielfalt und Sozialdienstleistungen in Europa wird das Europa-Forum bis Donnerstag fortgesetzt. Zusammenfassend wird der münstersche Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann die Konsequenzen für die Caritas in Nordhrein-Westfalen aufzeigen.