Mehr Geld, mehr Chancen?
Qualifizierte Starthilfen können beispielsweise persönliche Ansprache, fundierte Beratung und wertschätzende Begleitung sein.Foto: Achim Pohl
Die Sachlage ist komplex. Im sog. Eingliederungstitel des Bundeshaushalts fehlte lange das nötige Geld, um unterstützende soziale Angebote und beruflich qualifizierende Maßnahmen für Menschen zu finanzieren, die Bürgergeld beziehen. Vielen Arbeitslosen wurden so Chancen genommen. Viele Träger mussten deshalb Angebote einschränken oder gar aufgeben. Als nach dem Aus der Ampel-Regierung im Winter 2024 die Verabschiedung eines ordentlichen Bundeshaushalts für 2025 ausblieb und das Land seither unter "vorläufiger Haushaltsführung" regiert wird, spitzte sich die Lage weiter zu. Arbeitsgelegenheiten standen nur noch in begrenztem Umfang zur Verfügung, Coachings wurden eingestellt, und mancherorts wurden Zuschüsse für arbeitsmarktpolitische Hilfen durch Träger wie die Caritas kurzerhand auf null gesetzt. Einige Soziale Betriebe sahen sich gezwungen, ihre Türen dauerhaft zu schließen. Manche mit Potential und Engagement gestarteten Projekte mussten so schon kurz nach dem Start wieder aufgeben.
"Arbeitsheimat" für Belastete
Wir als Caritas wissen: Die allermeisten Menschen, die Bürgergeld beziehen, wollen arbeiten. Doch in ihren unterschiedlichen, belasteten und prekären Lebenslagen brauchen sie dazu qualifizierte Starthilfen. Qualifizierte Starthilfen können beispielsweise persönliche Ansprache, fundierte Beratung und wertschätzende Begleitung sein. Oder ermutigende Angebote zur Qualifizierung und (Weiter-)Bildung. Eine wichtige Starthilfe ist oft auch ein - manchmal befristeter - Platz in einer öffentlich geförderten Beschäftigung, womöglich in einer geschützten "Arbeitsheimat". Soziale Betriebe wie Soziale Kaufhäuser oder Radstationen sind eine solche "Arbeitsheimat", in die vielfach belastete Menschen ihre Fähigkeiten und Potenziale einbringen können. Gleichzeitig können sie mit einem ökologisch sinnvollen Beitrag zu Wiederverwertung, Reparatur und nachhaltiger Mobilität ihren Beitrag zur Wertschöpfung unserer Gesellschaft leisten.
Wer all dies kaputtspart und Menschen dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausschließt, riskiert nicht nur den Verlust von Potenzial und Wertschöpfung, sondern gefährdet auf Dauer auch den sozialen Zusammenhalt. Sind Hilfen und Angebote erst einmal weg, erfahrene Fachkräfte entlassen, Werkhallen und Räume aufgegeben und Maschinen verkauft, kann man all das nicht von heute auf morgen neu aus dem Boden stampfen, wenn das Geld dann doch wieder fließt.
Letzteres könnte aber nun der Fall sein: Aktuell wird der Bundeshaushalt 2025 endlich im Bundestag beraten, ein Ende der vorläufigen Haushaltsführung ist in Sicht - und schon kündigen erste Jobcenter die Wiederaufnahme der Förderung von Coachings, Hilfen für besonders benachteiligte Jugendliche, Arbeitsgelegenheiten und sogar von längerfristigen Hilfen öffentlich geförderter Beschäftigung an. Und schon wünscht man sich die kaum geschlossenen Einrichtungen und Angebote wieder zurück. Verrückt, oder?
Mittel zweckentfremdet
Die Verantwortung für diese Misere tragen nicht die örtlichen Jobcenter. Auch sie leiden ja seit Jahren unter massivem Geldmangel, der sie zwingt, Mittel aus dem Eingliederungstitel nolens volens zur Finanzierung der Verwaltung zu nutzen. Die gegenseitige Deckungsfähigkeit der beiden Titel im Bundeshaushalt macht das möglich, ja fordert es quasi heraus.
Damit muss endlich Schluss sein! Die Caritas in NRW fordert ein Ende dieser Deckungsfähigkeit zwischen Eingliederungs- und Verwaltungstitel. Gleichzeitig mahnt sie dringend an, dass auch der Verwaltungstitel der Jobcenter angepasst werden muss. Solange dort kein ausreichendes Budget zur Verfügung steht, bleibt die Gefahr bestehen, dass erneut auf Mittel des Eingliederungstitels zurückgegriffen werden muss - und somit die Mittel des Eingliederungstitels nicht ausschließlich für das eingesetzt werden, wofür sie vorgesehen sind: die Förderung arbeitsloser Menschen.
Ein erster Blick nach vorn, auf den Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 2026, gibt viel Anlass zur Hoffnung. Erstmals seit Jahren sollen wieder deutlich mehr Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Eingliederungstitel zur Verfügung stehen. Die Caritas begrüßt dies ausdrücklich. Auch die geplanten erweiterten Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Jahre sind positiv zu bewerten, weil sie insbesondere längerfristige Förderungen erleichtern, auf die gerade langzeitarbeitslose Menschen angewiesen sind.
Dennoch bleiben gravierende strukturelle Herausforderungen, denen sich die Bundesregierung endlich stellen muss. Denn schon zu lange leben in der Arbeitsmarktpolitik engagierte Träger faktisch "von der Hand in den Mund". Gefördert werden nur Maßnahmen und Projekte, und dies zumeist nur mit kurzer Laufzeit. Es gibt keinerlei Strukturförderung für Fach- und Arbeitskräfte, für Lern- und Arbeitsstätten. Wenn eine Einrichtung über Monate nicht belegt wird, muss der Träger sie aufgeben. Um sie ein Jahr später dann doch wieder aufzubauen? Diesen (auch ökonomischen!) Unsinn müssen wir beenden. Je früher wir jetzt den Umstieg auf eine zumindest anteilig solide Strukturfinanzierung in der Arbeitsmarktpolitik wagen, desto besser.