Lösungen nur auf lokaler Ebene
Ralf Nolte, Direktor des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn e. V.
Wir erleben in unserem Alltag täglich, dass Menschen, die Drogen konsumieren, ausgegrenzt und verdrängt werden. Gleichzeitig nehmen die sichtbaren Verelendungserscheinungen von Menschen im öffentlichen Raum wie Armut, Wohnungslosigkeit oder gesundheitliche Probleme zu. Die Zahlen der Drogentodesfälle sind sowohl in NRW als auch bundesweit weiterhin auf besorgniserregend hohem Niveau. Gründe hierfür liegen in veränderten Konsummustern, wie beispielsweise der Zunahme des Konsums von Crack (freie Base des Kokains) oder synthetischer Opioide. Die veränderten Konsummuster stellen die Kommunen, Ordnungsbehörden und Träger der Suchthilfe, aber auch der Wohnungslosenhilfe vor neue Herausforderungen.
Aufenthaltsorte und Hilfen
Oftmals findet als erste Antwort eine Verdrängung der drogengebrauchenden Menschen von öffentlichen Plätzen statt. Das Verdrängen löst die Probleme allerdings nicht. Im Gegenteil, oft verstärkt es die Probleme sogar. Die aktuell oftmals schwierigen Haushaltslagen der Kommunen machen es nicht einfach, langfristige Lösungen zu finden. Auch die Suchthilfe, die zum Großteil kommunal finanziert und nicht regelfinanziert ist, ist bereits jetzt häufig an ihren Kapazitätsgrenzen und kann den bestehenden Anforderungen nicht gerecht werden.
Dabei ist inzwischen nachgewiesen, dass durch Investitionen in die Suchtberatung volkswirtschaftliche Folgekosten in mehr als zehnfacher Höhe eingespart werden können, was die Notwendigkeit einer stabilen und verlässlichen Finanzierung der Suchtberatung unterstreicht.
Es braucht Orte, an denen Menschen mit Substanzkonsumstörungen sein dürfen, und vor allem braucht es passgenaue und zielgerichtete Hilfsangebote vor Ort bei den Menschen. Dabei sind Respekt und die Solidarität mit den Menschen, die oft multiplen Problemlagen ausgesetzt sind, wichtig. Wir als Caritas stellen uns ausdrücklich gemeinsam mit anderen Suchthilfeträgern als Kooperationspartnerin zur Verfügung, um Kommunen bei der Entwicklung lokaler Strategien zu unterstützen.
Neue Handreichung
Die Suchtkooperation NRW hat als landesweite fachliche Koordinierungs- und Bündelungsstelle der Suchthilfe in NRW unter der Mitwirkung der Caritas jüngst die Handreichung "Gemeinsam engagiert vor Ort - Kommunale Lösungen zur Bewältigung von Drogenkonsum im öffentlichen Raum" erarbeitet. Die Handreichung versteht sich dabei als Werkzeugkasten, aus dem Kommunen konkrete Maßnahmen auswählen können - immer abgestimmt auf die konkrete Situation vor Ort.
Niedrigschwellige Hilfen
Beispiele für diese Bausteine sind niedrigschwellige Hilfsangebote zur Schadensminderung, wie Notschlafstellen, Drogenkonsumräume, Drug-Checking-Angebote, bei denen man niedrigschwellig die Inhaltsstoffe von Drogen analysieren lassen kann, medizinische Grundversorgung, soziale Beratung und aufsuchende Arbeit, aber auch eine adäquate Zielgruppenansprache, eine rechtskreisübergreifende Strategie und Planung sowie eine Verknüpfung von Sozialraumgestaltung und Öffentlichkeitsarbeit. Diese Bausteine werden sowohl den betroffenen Menschen als auch dem sozialen Miteinander im öffentlichen Raum gerecht.
Wir als KLAGS möchten nicht, dass Menschen, die ohnehin bereits am Rand stehen, noch weiter in die Unsichtbarkeit gedrängt werden. Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen sind keine Monster, keine Diebe, keine Verbrecher. Wer sie so darstellt, schürt Ängste und Vorurteile und blockiert damit jedwede sachliche Diskussion und humane Lösung.
Ohne Vorurteile und Stigma
Viel wichtiger ist es, die Menschen ohne Vorurteile, stigmafrei in den Blick zu nehmen, ihre Lebenslagen zu verstehen und die bestehenden Angebote anzupassen und zu erweitern. Es braucht frühzeitige Hilfen und ein rechtzeitiges Agieren - bevor der öffentliche Druck durch das offensichtliche Elend der Menschen unausweichlich wird. Es gilt, miteinander gute und pragmatische Lösungen zu gestalten.
Die Caritas ruft daher Städte und Gemeinden auf, den begonnenen Dialog fortzusetzen und gemeinsam mit Suchthilfe, Polizei, Ordnungsbehörden und engagierten Bürgerinnen und Bürgern lokale Strategien zu entwickeln. Nur gemeinsam schaffen wir es, sowohl den Bedürfnissen der betroffenen Menschen gerecht zu werden als auch den öffentlichen Raum für alle lebenswerter zu gestalten.