Kompass nötig
Dr. Oliver Müller, Vorstand für Internationales, Migration und Katastrophenhilfe des Deutschen CaritasverbandesFoto: DCV | Bente Stachowske
Bei den aktuellen und polarisierten Debatten im Wahlkampf dürfen wir den Kompass unserer Grundrechte nicht verlieren. Politische Maßnahmen müssen das Unsicherheitsgefühl der Menschen ernst nehmen, ohne dabei menschenrechtliche und rechtsstaatliche Standards infrage zu stellen. Die Forderungen nach dauerhafter Grenzschließung oder flächendeckender Inhaftierung ausreisepflichtiger Personen stehen nicht nur im Widerspruch zu EU-Recht, sie gefährden unsere demokratischen Werte.
Integration gestalten, statt zu spalten: Wir erleben gerade, wie die Flüchtlingsaufnahme instrumentalisiert wird, um von gesellschaftlichen Herausforderungen wie Wohnraummangel, überlasteten Behörden oder psychischer Gesundheitsversorgung abzulenken.
- Denn Hauptwahlkampfthemen sind nicht, dass in vielen Städten die Mieten so hoch sind, dass sich selbst Normalverdiener kaum noch ein Zuhause leisten können.
- Hauptwahlkampfthema ist nicht, dass bis zum Jahr 2027 rund 728.000 Fachkräfte in Deutschland fehlen könnten. (Quelle: IW 9/2024)
- Hauptwahlkampfthema ist nicht, dass in Deutschland 2,1 Millionen Kinder in Armut leben. (Quelle: Statistisches Bundesamt 7/2024)
Dabei lag die Zahl der Asylanträge in Deutschland 2024 um fast 30 Prozent unter der des Jahres 2023. Migration und Flucht sind immer auch herausfordernd, sind aber nicht die zentralen Probleme unseres Landes - sie werden von demokratiefeindlichen Kräften dazu gemacht, um Ängste zu schüren. Die demokratischen Parteien übernehmen dieses Thema aus Angst, Wählerstimmen zu verlieren, anstatt sich den echten Herausforderungen zu stellen.
Statt nur über Abschiebungen zu sprechen, sollten wir den Fokus auf Integration legen - denn Deutschland braucht Zuwanderung, um demografische und wirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen.
Vorschläge wie dauerhafte Grenzkontrollen oder die Zurückweisung Schutzsuchender sind nicht praktikabel und führen nicht zu mehr Sicherheit. Solche Forderungen schüren Misstrauen in den Staat und tragen nicht zur Lösung bei.
Ich hoffe auf eine pragmatische und menschliche Migrationspolitik, die Chancen bietet, während Schutzbedürftigen geholfen wird.