Wichtiger Schritt zum Ausbau der Beratungsnetzwerke
Moderator Tom Hegermann führte durch die Veranstaltung, an der Markus Temmen, Marie-Luise Tigges, Elisabeth Auchter-Mainz, Kathrin Wiedemann, Monika Brüggenthies, Hülya Gökoz-Corsten, Michaela Hofmann, Susanne Vogeley, Andreas Moorkamp und Jonas Lemli (v. l.) beteiligt waren.Foto: Matthias Cosack
Als Gastgeberin hatte die Caritas in NRW in die Kommende Dortmund Frauen- und Männerberaterinnen und -berater, Mitarbeitende von Frauenhäusern und Gewaltschutzwohnungen und alle, die mit diesen Themen befasst sind, eingeladen.
Gekommen waren mehr als 50 Frauen und Männer aus ganz Nordrhein-Westfalen. Was die Fachtagung "längst überfällig" machte, war die Zusammensetzung dieser Runde. Erstmals in NRW - wahrscheinlich sogar erstmals bundesweit - trafen Mitarbeitende der Caritas, des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM), die in diesem Feld arbeiten, aufeinander. Sie sind teilweise schon seit Jahrzehnten in der Arbeit und leisten Unterstützung - nur eben die einen in der Männerarbeit, die anderen in der Beratung für Frauen.
Prominente Gastrednerin war die ehemalige Kölner Generalstaatsanwältin Elisabeth Auchter-Mainz. 2017 wurde sie Nordrhein-Westfalens erste Opferschutzbeauftragte, gab diese Aufgabe erst Anfang 2023 ab. Auchter-Mainz lieferte eine historische Einordnung der Krisen- und Gewaltentwicklung in Deutschland und bezog dabei Stellung zur heutigen Situation. "Sicher hat sich schon einiges getan, auch bei Polizei und Justiz. Aber es bedarf immer noch einer weiteren Sensibilisierung im Umgang mit Opfern. Natürlich gibt es heute mehr Fortbildungen und Schulungen, aber das reicht leider immer noch nicht aus."
Mit diesen Informationen ging es in die erste von zwei Workshop-Runden, in denen die Teilnehmenden Themen und Fragen diskutierten. Zunächst lernte man sich kennen, tauschte sich über Aufgabengebiete aus und erarbeitete Schnittstellen und Gemeinsamkeiten. Schnell wurde deutlich, wie sehr die Teilnehmenden in ähnlichen Beratungssituationen unterwegs sind. Manches Aha-Gefühl wurde sichtbar. Teilweise wurde in den Pausen weitergearbeitet, so groß war der Austauschbedarf.
Genauso deutlich wurde im zweiten Teil aber auch, woran es bei den meisten fehlt. Michaela Hofmann vom Diözesan-Caritasverband Köln brachte es auf den Punkt: "Wir brauchen mehr Geld, Zeit und Personal." Vor allem die finanzielle Ausgestaltung weg von der Projektfinanzierung, hin zur Regelfinanzierung ist ein entscheidender Faktor. So berichteten die Diplompsychologin Susanne Vogeley und der Krisen- und Gewaltberater Jonas Lemli (beide aus Münster) über ihre Tandemberatung im Schulungskonzept "Basiswissen Männergewalt". Ein ungewöhnlicher Ansatz, der die Zuhörenden zu vielen Fragen motivierte. Nur eine Fortführung dieses Konzeptes wird es nicht geben - es war projektfinanziert.
Großer Diskussionsbedarf
Neben der auskömmlichen Regelfinanzierung der Beratungsstellen stand das Thema "Netzwerk" auf der Agenda ganz oben. Alle Einrichtungen und Beratungsstellen sind gut vernetzt, allerdings noch zu selten geschlechtsübergreifend. Mit der Tagung wurde damit ein wichtiger Schritt getan.
Am Ende des Tages brachte es Moderator Tom Hegermann auf den Punkt: "So informativ und wichtig die Vorträge waren, eigentlich hätten die beiden Workshop-Runden ausgereicht. Schließlich gab es so viel zu besprechen und zu diskutieren."
Die Befürchtung einer der Initiatorinnen der Tagung, Marie-Luise Tigges vom Diözesan-Caritasverband Paderborn, dass es vielleicht Konfliktpotenzial zwischen den beiden Gruppen geben könnte, erwies sich sehr schnell als völlig unbegründet. Im Gegenteil, unisono war die Meinung, dass solche Gespräche und Runden auf jeden Fall einer Fortsetzung bedürfen. "Ich bin begeistert", so ihr Fazit, "wir haben uns intensiv ausgetauscht und viele gute Ideen entwickelt." Monika Brüggenthies vom Diözesan-Caritasverband Münster, ebenfalls an der Planung der Tagung beteiligt, ergänzte: "Es geht nur gemeinsam. Vielleicht erreichen wir dann mehr."
Opferbetreuung
Besonders schutzbedürftige Verletzte haben seit 2017 einen Anspruch auf professionelle Begleitung und Betreuung während des gesamten Strafverfahrens, die sogenannte psychosoziale Prozessbegleitung. Die ehemalige Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz fordert diese Unterstützung grundsätzlich auch für Opfer häuslicher Gewalt. Die Betreuung der Opfer sei immens wichtig, weil die seelische Belastung extrem hoch sei.
Für dringend erforderlich hält die Juristin auch Fortbildungen und Schulungen bei Polizei und Staatsanwaltschaften. "Opfer sind keine Beweismittel. Wir haben immer wieder zu hören bekommen, dass Betroffene zu wenig als Menschen wahrgenommen werden. Schon im Referendariat müssen angehende Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sensibilisiert werden."