Möglichst viele Konflikte lösen
Caritas in NRW: Was ist eigentlich eine Ombudsstelle, und was ist dort Ihre Aufgabe?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Die Ombudsstelle für Pflegeberufeausbildung in NRW wurde auf der Grundlage des Pflegeberufegesetzes eingerichtet, das den Ländern die Möglichkeit eröffnete, eine Schlichtungsstelle in der Pflegeberufeausbildung zu etablieren. NRW hat diese Möglichkeit als erstes Bundesland genutzt. Als eine von zwei Ombudsfrauen übernehme ich die Aufgabe, bei Konflikten zwischen Trägern und Auszubildenden zu vermitteln. Ziel ist es, möglichst viele Konflikte zu lösen, sodass die Ausbildung erfolgreich fortgeführt werden kann. Hierzu müssen die Beteiligten einbezogen werden, neben den Auszubildenden also auch Verantwortliche der Träger der praktischen Ausbildung wie Leitungen und Praxisanleitende, aber auch häufig Lehrende der Pflegeschule. Unterstützt wird die Arbeit der Ombudsfrauen durch die Geschäftsstelle bei der Bezirksregierung Münster. Die Ombudsstelle führt keine Rechtsberatungen durch und ist keine Schlichtungsstelle wie in Ausbildungen nach Berufsbildungsgesetz.
Übrigens wird die Ombudsstelle auch von Auszubildenden der bisherigen Ausbildungen oder der Pflegehilfe (Pflegefachassistenz) angefragt. Wir sind da eigentlich nicht zuständig, helfen aber, wo immer möglich.
Caritas in NRW: Mit welchen Konflikten zwischen Auszubildenden und Ausbildungsstellen sind Sie befasst?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Die Konflikte sind sehr unterschiedlich. Meistens wenden sich die Auszubildenden an die Ombudsstelle, in einigen Fällen aber auch Träger der Ausbildung. In den "einfachen" Fällen geht es um Urlaubsgewährung in Pflichteinsätzen, fehlende Vergütungszuschläge bei externen Einsätzen, unregelmäßige Gehaltszahlungen oder zu hohe Fehlzeiten. Letzteres war durch die Coronapandemie häufiger der Fall. Manchmal lassen sich mit der Ausbildungssituation unzufriedene Auszubildende beraten, ob, wie und wo sie die Ausbildung fortsetzen können. Sie klären die Situation dann oft selbst. Solche Konflikte lassen sich oft in wenigen Gesprächen entschärfen.
Aufwendiger sind die Fälle, in denen der Ausbildungsvertrag gekündigt werden soll oder wurde oder ein Auflösungsvertrag vorgelegt wird. Hier sprechen wir mit allen Beteiligten, um uns ein Bild zu machen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. In den meisten Fällen konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, die allerdings nicht immer die Fortführung der Ausbildung bedeutet, sondern beispielsweise auch einen Wechsel in die Pflegefachassistenz. So können diese jungen Menschen zunächst einen Abschluss erreichen und später dennoch in die dreijährige Ausbildung wechseln.
Unrechtmäßig gekündigt
Fatal für eine Auszubildende war es, als die Prüfung der Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung unzureichend durchgeführt wurde und ihr - in diesem Fall unrechtmäßig - gekündigt wurde. Hier konnte die Ausbildung nach Klärung durch die Ombudsstelle wieder aufgenommen werden.
Auch die Anerkennung ausländischer Zeugnisse spielte in einer weiteren Frage eine Rolle. Hier sind die manchmal langen Zeiten bis zur Anerkennung ein Problem.
Während in manchen Fällen Ausbildungsträger noch Verbesserungspotentzial in der Ausbildungsqualität, beispielsweise bei der Praxisanleitung, haben, fördern andere ihre Auszubildenden fast über das Maß hinaus. Hier hätte eine Beendigung der Ausbildung in der Probezeit wahrscheinlich viel Frust und investierte Energie erspart.
Immer häufiger zeigt es sich, dass Auszubildende über die Lösung des Konfliktes hinaus längerfristige Begleitung z. B. durch Seniorexperten benötigen, die sie auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen.
Neu für mich in der Ombudsarbeit ist, dass die Präsenz der Auszubildenden auf Social-Media-Kanälen negative Auswirkungen haben kann. So sollte einer Auszubildenden zum Ende des zweiten Ausbildungsjahres gekündigt werden, da sie ein Video auf TikTok eingestellt hatte. Sie stellte die Frage, was wohl geschähe, wenn alle kündigten. Nach meiner Einschätzung war das Video kein Kündigungsgrund, allerdings trug die Auszubildende ihre Dienstkleidung. Es konnte erreicht werden, dass die Kündigung nicht ausgesprochen wurde.
Caritas in NRW: Mit wie vielen Fällen hat die Ombudsstelle im Jahr zu tun?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Vom Start der Ombudsstelle bis Juni 2021 haben wir acht Beratungen durchgeführt, von Juli 2021 bis Juni 2022 fast 50 Beratungen. Gut zehn Anfragen konnten von der Geschäftsstelle geklärt werden, insbesondere wenn schon ein arbeitsrechtliches Verfahren eingeleitet wurde oder angenommen wurde, dass vorher die Schlichtungsstelle analog zum Berufsbildungsgesetz eingeschaltet werden musste. Vielen Trägern war und ist - trotz mehrfacher Informationen durch die Geschäftsstelle und das MAGS - die Ombudsstelle nicht bekannt.
Caritas in NRW: Die Ombudsstelle soll also auch zur Verbesserung der Qualität der neuen Pflegeberufeausbildung beitragen. Wie leistet die Stelle das?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Die Ombudsstelle berichtet dem MAGS einmal jährlich über ihre Arbeit. Dabei ist es wichtig, dass wir gegenüber dem MAGS keine Informationen geben, die auf den Träger, die Pflegeschule oder Einsatzpartner des konkreten Falles schließen lassen können.
Der Bericht wird aktuell erstellt, in einem gemeinsamen Jahresgespräch im MAGS beraten und wird dann auch im Internet verfügbar sein. Wichtig war mir von Beginn an, dass die Erkenntnisse der Ombudsarbeit in die Weiterentwicklung der Ausbildungsqualität eingebracht werden.
Das MAGS hat die Ombudsstelle in das Begleitgremium zur Umsetzung der Pflegeausbildung auf Landesebene eingeladen. Hier können wir immer einen aktuellen Bericht geben und so die Vertreterinnen und Vertreter der Trägerverbände für Verbesserungen sensibilisieren. Auch mit den Bezirksregierungen als Aufsichtsbehörden für die Pflegeausbildung sind wir im Kontakt. Die Unterstützung durch das MAGS ist immer da und für uns auch wichtig.
Caritas in NRW: In der Corona-Zeit war die Pflege immens belastet, aber auch im Fokus der Öffentlichkeit. Wie hat sich das ausgewirkt?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Während der Corona-Zeit mussten die Pflegeschulen auf Distanzunterricht umstellen, in der Pflegepraxis mussten manche Einsätze neu koordiniert werden. Direkt mein erster Fall hatte mit diesen Auswirkungen zu tun: Eine Auszubildende stand vor der Kündigung, da sie nicht an dem verpflichtenden Unterricht teilnahm und so Teile der Ausbildung versäumte. Hier wurden verbindliche Absprachen getroffen und seitens der Pflegeschule angeboten, allein einen Schulraum für die Bearbeitung zu nutzen. Es scheint so, dass sich alle viel überlegt haben, gute Ausbildungsbedingungen trotz dieser Einschränkungen zu bieten. Bei uns kamen wenige Anfragen, die in den coronabedingten Veränderungen begründet waren.
Caritas in NRW: Sie sind selbst gelernte Krankenschwester und haben als Abteilungsleiterin für Gesundheit, Pflege und Alter beim Diözesan-Caritasverband lange für die generalistische Pflegeausbildung gekämpft. Die ist nun realisiert. In diesem Jahr gibt es mehr als 19000 Auszubildende für die Pflege in Krankenhäusern und Altenheimen sowie in der ambulanten Pflege. Hat sich dieser Weg aus Ihrer Sicht bewährt?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Ja, die Entscheidung für eine generalistische Pflegeausbildung war richtig und hat sich nach meiner Einschätzung auch bewährt. Gerade in der Corona-Zeit sind mir Situationen bekannt, in denen Altenhilfeträger benachbarten Krankenhäusern angeboten haben, sie personell zu unterstützen, da sie selbst nicht das volle Pflegeangebot fahren konnten. Ein solcher Wechsel wäre nicht möglich, wenn die grundlegenden fachlichen Unterschiede in den verschiedenen Sektoren so groß sind wie von Manchem behauptet wurde. Die Vereinigung der bisherigen drei Ausbildungen in einer neuen generalistischen Ausbildung war da nur konsequent.
Auch der Zulauf zu der Pflegeausbildung, der angesichts des Nachwuchsmangels in allen Ausbildungsberufen sehr deutlich ist, zeigt, dass der Beruf in dieser Ausrichtung für junge Menschen attraktiv ist.
Caritas in NRW: Die Ombudsstelle ist ein weiterer Beitrag, den Stellenwert und die Wertschätzung des Pflegepersonals zu erhöhen. Was müsste darüber hinaus geleistet werden?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Die Einrichtung der Ombudsstelle macht deutlich, dass dem Land NRW sehr daran gelegen ist, eine begonnene Pflegeausbildung zu einem erfolgreichen Abschluss bringen zu können, und dass häufig auch auf Missverständnissen beruhende Konflikte nicht zum Abbruch führen.
Verbessert werden können natürlich Arbeits- und damit auch Ausbildungsbedingungen in der Pflege - hier zeigt sich, ob ein Beruf tatsächlich wertgeschätzt wird. Hier ist der Gesetzgeber, aber auch jeder einzelne Träger gefragt - z. B. garantierte Arbeitszeiten - und kann etwas tun. Auch sollte hochschulische Ausbildung stärker gefördert und die Kompetenzen der Absolventinnen und Absolventen genutzt werden. Die Fachkommission hat "Standardisierte Module zum Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Aufgaben" entwickelt, deren Nutzung auch einen Beitrag zur Anerkennung der Kompetenz des Pflegeberufs leistet. Aber auch hier scheint es keinen wirklich schnellen und konsequente Umsetzungsprozess zu geben. Wie während der Corona-Zeit in vielen Feldern deutlich wurde, verwendet Deutschland viel Zeit und Energie auf Bürokratie und versäumt dadurch, positive Effekte nutzbar zu machen.
Dass die Profession Pflege in entscheidende politische und fachliche Entwicklungen selbstverständlich mit Stimmrecht eingebunden werden muss, versteht sich von selbst.
Letztendlich ist es aber auch wichtig, dass die Berufsangehörigen selbst sich für die Entwicklung und den Stellenwert ihres Berufes stark machen. Es reicht halt nicht, wenn man von anderen gelobt wird, man muss auch selbst den Wert des Berufes für die Gesellschaft deutlich und hörbar formulieren, sowie die Bedingungen aktiv mitgestalten. Hier freue ich mich, dass in NRW die Wahlen für die Pflegekammer im Herbst anstehen und ich hoffe, dass die Wichtigkeit dieser beruflichen Selbstverwaltung von noch mehr professionell Pflegenden erkannt wird und sie die Arbeit aktiv unterstützen.
Caritas in NRW: Sie selbst sind im Ruhestand und leisten die Arbeit in der Ombudsstelle ehrenamtlich. Wie blicken Sie mit dem Abstand und der Gelassenheit der Pensionärin auf den Fachkräftemangel und die Zukunft der Pflege?
Brigitte von Germeten-Ortmann: Meine Grundausrichtung war und ist Zuversicht, verbunden mit einer realistischen Einschätzung der Situation.
So werden wir den schon begonnenen Fachkraftmangel nicht durch Beklagen kompensieren, sondern müssen kluge Antworten finden. Dabei wird geschaut werden müssen, dass professionell Pflegende das tun können, wozu sie ausgebildet wurden, andere Aufgaben verlagert werden und Bürokratie auf das Minimum reduziert wird. Dies bedarf einer guten Steuerung, damit der personenorientierte Pflegeprozess weiterhin gesichert ist und des Vertrauens, dass die Pflegefachfrauen und -männer ihren Beruf verantwortungsvoll ausführen.
Die Fragen stellte Markus Lahrmann.
www.brms.nrw.de/go/ombudsstelle