Existenzen bedroht
Bereits jetzt suchen zahlreiche Betroffene die Beratungsstellen der Caritas auf, weil sie ihre Energierechnung nicht begleichen können und Strom- und Gassperren drohen.
Die Caritas hält dagegen: Menschen dürfen durch die hohen Energiepreise nicht in existenzielle Not geraten", betont Dominique Hopfenzitz, Diözesan-Caritasdirektor für die Diözese Münster. Der Jurist appelliert deshalb an die Sozialleistungsbehörden, die gestiegenen Energiepreise zu berücksichtigen und das Recht korrekt anzuwenden. "Die Behörden können erst dann die Übernahme von Heizkosten verweigern, wenn Menschen nachweislich zu viel heizen", sagt Hopfenzitz. Es dürfe nicht sein, dass nur die Kosten des Vorjahres übernommen würden, wenn die Heizkosten allerorten explodierten. "Sonst werden Menschen im Sozialleistungsbezug und einkommensarme Haushalte ihre Wohnungen verlieren, oder sie sitzen im Winter im Kalten", warnt der Caritasdirektor.
Härtefallfonds gefordert
Bei einer sich zuspitzenden Energiekrise in Deutschland werde das zeitweise Aussetzen von Strom- und Gassperren bei Weitem nicht ausreichen, erklärt Dr. Frank Johannes Hensel, Kölner Diözesan-Caritasdirektor. "Was wir brauchen, ist ein Härtefallfonds, der Menschen mit geringem Einkommen davor bewahrt, in den Verzug mit Strom- oder Gasrechnungen zu kommen", sagt er.
Dazu müssten staatliche Stellen wie Jobcenter oder Sozialämter die Situation betroffener Haushalte prüfen und dann entscheiden, ob eine Kostenübernahme erfolgen könne. Ein befristetes Verbot von Strom- und Gassperren bei Zahlungsverzug für Haushalte mit geringem Einkommen, wie es Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) in Aussicht gestellt habe, greife noch deutlich zu kurz.
Das Gleiche gelte für einen Kündigungsschutz, falls Mieterinnen und Mieter im Herbst oder Winter ihre Heizkosten nicht mehr begleichen könnten. "Wie sollen Leute mit kleinen Einkommen da wieder herauskommen und Rücklagen bilden, wenn zugleich die Preise in neue Rekordhöhen steigen?", fragt Hensel. Eine sichere Grundversorgung mit Energie gehöre zu den elementaren Bedürfnissen.
Die Übernahme ausstehender Mieten oder Nebenkosten sei in Härtefällen sehr wichtig, damit Menschen nicht immer tiefer abrutschten. Hensel: "Stellen Sie sich vor, Sie erhalten die Strom- oder Gasrechnung, und es geht auf einmal darum, ob Sie und Ihre Kinder im Dunkeln und Kalten sitzen und Speisen überhaupt noch warm zubereitet werden können."
"In Nordrhein-Westfalen ist derzeit jeder Sechste von Einkommensarmut bedroht", weiß Ute Cappenberg, Referentin für Schuldner- und Insolvenzberatung beim Diözesan-Caritasverband in Münster. "Aus den Sozial- und Schuldnerberatungen im Bistum kommen zahlreiche Rückmeldungen, dass Familien Überschuldung und Wohnungsverlust fürchten müssen, weil sie die Energie- und Lebenshaltungskosten nicht aufbringen können", berichtet Cappenberg. Das Problem werde sich zum Winter hin verschärfen. "Die steigenden Energiekosten werden dazu führen, dass noch viel mehr Menschen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Diese Menschen möchte die Caritas ermutigen, ihre Ansprüche auf Leistungen des Staates tatsächlich wahrzunehmen."
Darüber hinaus fordert die Caritas auf Bundesebene zusätzliche staatliche Hilfen und eine kontinuierliche Anhebung der Regelsätze.
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