Corona lässt das Wir-Gefühl in der Gesellschaft schwinden
Der Beitrag der Medien, der Politik und kultureller Institutionen zum Zusammenhalt in der Pandemie wird dagegen eher gering bewertet. Das ergab eine von forsa durchgeführte repräsentative Befragung, die der Deutsche Caritasverband in Auftrag gegeben hat.
Demnach meinen 37 Prozent der Befragten, der gesellschaftliche Zusammenhalt habe in der Pandemie "deutlich" gelitten. Nur fünf Prozent sagen, er habe "deutlich zugenommen". 35 Prozent finden, er habe "etwas abgenommen", und 20 Prozent, er habe "etwas zugenommen".
"Die Zahlen bestätigen, was unsere Kolleginnen und Kollegen in den Diensten und Einrichtungen erleben. Es gibt großartige Momente gelebter Solidarität und viele Beispiele für ein Zusammenrücken in der Pandemie. Insgesamt überwiegt aber das Gefühl, dass das ‚Wir‘ in der Pandemie erheblich leidet", kommentiert Caritas- Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa die Ergebnisse. "Die ständige Bedrohung durch das Virus und die Notwendigkeit, Abstand zu halten, haben die Kräfte erschöpft und das Miteinander in Mitleidenschaft gezogen."
Die Signale aus der Praxis seien besorgniserregend: "Viele Pflegekräfte sind ausgebrannt. Sozialarbeiterinnen verzweifeln im Angesicht von Jugendlichen mit Essstörungen und Kindern mit Angststörungen. Unsere Beratungsstellen sind überlaufen, viele Klientinnen und Klienten wissen nicht weiter", so Welskop-Deffaa. Hinzu komme, dass "die Frage, wie das Virus am besten zu bekämpfen ist, zu Unfrieden und Spannungen in Kollegen- und Freundeskreisen führt".
Politik bei jungen Menschen abgeschlagen
Auf die Frage, welche Personen oder Organisationen den gesellschaftlichen Zusammenhalt befördern, antworten 67 Prozent, dass "Vereine und Verbände, in denen Menschen sich ehrenamtlich für andere engagieren können", dies "stark" oder "sehr stark" tun. An zweiter Stelle finden sich "Anbieter von sozialen Hilfen" mit einer Zustimmung von 60 Prozent. "Kulturelle Orte" (21 Prozent), "soziale Medien und soziale Netzwerke" (24 Prozent) und die Politik (31 Prozent) werden deutlich weniger als Zusammenhaltstifter erfahren. Bildungseinrichtungen (47 Prozent) und klassische Medien (33 Prozent) liegen dazwischen.
Als Alarmsignal wertet die Caritas, dass wenig junge Menschen einen positiven Beitrag der Politik zur Stärkung des Zusammenhalts sehen. "Offenkundig hat Politik bei jungen Menschen ein Vertrauenskapital verspielt, weil sich diese von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie belastet oder vergessen fühlen", so Welskop-Deffaa. Von den befragten 14- bis 29-Jährigen werten lediglich 17 Prozent den Beitrag der Politik zum gesellschaftlichen Zusammenhalt als "wichtig" "Die Ergebnisse sind in dem Jahr, in dem der Deutsche Caritasverband sein 125-jähriges Jubiläum feiert, für uns ein starker Ansporn", so die Caritas-Präsidentin. Die Jubiläumskampagne des Deutschen Caritasverbandes #DasMachenWirGemeinsam will zeigen: Gemeinsam in alten und neuen Allianzen lassen sich soziale Gräben überspringen und soziale Ungerechtigkeiten überwinden.