Zur Armutssituation in NRW
Seit 2004 legt die Landesregierung in jeder Legislaturperiode einen Sozialbericht, als Armuts- und Reichtumsbericht konzipiert, vor. Alle fünf bislang erschienenen Berichte führen vor Augen, wie die soziale Lage der Bürgerinnen und Bürger in NRW ist. Und die ist für viele Menschen stabil schlecht und wird sich aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht nur verschlechtern, sondern auch die Anzahl der Menschen in die Höhe treiben, die arm oder dem Armutsrisiko ausgesetzt sind.
2018 waren 16,6 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung von relativer Einkommensarmut betroffen. Damit lag die Armutsrisikoquote um 0,4 Prozentpunkte höher als im Jahr 2014. Von 2006 bis 2017 gestiegen. Nachdem sie im Jahr 2017 mit 17,2 Prozent einen Höhepunkt erreicht hatte, ist von 2017 auf 2018 ein Rückgang von 0,6 Prozentpunkten zu verzeichnen.
Die Ungleichheit der Vermögensverteilung ist groß und übersteigt bei Weitem die Ungleichheit der Einkommensverteilung. Sie lag 2018 in etwa auf dem Niveau des Jahres 2013. Im Jahr 2018 verfügten die vermögendsten 20 Prozent über 70,8 Prozent des ermittelten Nettogesamtvermögens, und die vermögendsten zehn Prozent hielten 51,2 Prozent des Gesamtvermögens. Im Jahr 2013 lagen die entsprechenden Anteile bei 70,7 Prozent und 50,2 Prozent.
Vermögensungleichheit wächst
- Vermögenslos waren 19 Prozent (2013: 19,3 Prozent), und diese verfügten über weniger als 100 Euro, weitere 12,6 Prozent verfügten über weniger als 5.000 Euro.
- 12,7 Prozent verfügten über ein negatives Pro-Kopf-Vermögen, d. h., die Schulden überstiegen das Guthaben um mehr als 100 Euro. 2013 waren es 11,8 Prozent.
- Die Ungleichheit der Lohnverteilung ist leicht gestiegen. Der Abstand zwischen den Bruttolöhnen der Führungskräfte und von Ungelernten betrug das 3,6-Fache (2014 das 3,5-Fache). Teilzeitbeschäftigte erhalten einen durchschnittlichen Stundenlohn von 19,98 Euro. Dieser liegt 21,8 Prozent unter dem von Vollzeitbeschäftigten (25,58 Euro).
- Besonders besorgniserregend - und auch dies ist nicht neu - ist die Anzahl der Kinder, die in Armut aufwachsen. Mehr als jedes fünfte minderjährige Kind lebte in einem einkommensarmen Haushalt (22,6 Prozent).
Bei all diesen Zahlen ist festzustellen, dass sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch nicht berücksichtigen.
Große regionale Unterschiede
Die Armutsquoten im Land sind sehr unterschiedlich verteilt: Arbeitslosigkeit und Armutsquoten sind z. B. im Kreis Olpe sehr niedrig (5,3 Prozent) und liegen bei 22,3 Prozent in Gelsenkirchen. Daraus kann abgeleitet werden, dass in bestimmten Stadtteilen jedes zweite Kind in einem einkommensarmen Haushalt aufwächst und weniger Chancen auf Bildung, Gesundheit, angemessenes Wohnen und Teilhabe hat.
Schwerpunkt Wohnen
Zum Schwerpunktthema "Wohnen" zeigt der Sozialbericht auf:
- Auf angespannten Wohnungsmärkten finden einkommensarme Haushalte kaum noch Angebote im günstigen Preissegment.
- Der sozial gebundene Wohnungsbestand geht gegenüber dem gesamten Wohnungsbestand zurück.
- Die Wohnkostenbelastung ist im unteren Einkommensdrittel am höchsten: Wohnkosten stellen einen relevanten Ausgabeposten der Privathaushalte dar. Der Spielraum, diese Kosten an die jeweilige Einkommenssituation anzupassen, ist begrenzt, dies besonders in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Die durchschnittliche Bruttowarmmiete betrug 2018 613 Euro, ohne Leistungsbezieher 629 Euro bzw. 30,9 Prozent. Die durchschnittliche Bruttowarmmiete in angespannten Wohnungsmärkten ohne Kosten der Unterkunft (KdU) lag bei 742 Euro. Die Mieterhaushalte ohne KdU, die zum unteren Einkommensdrittelgehören, wendeten in den angespannten Wohnungsmärkten 48,3 Prozent ihres Einkommens für die Miete auf. Auch in stabilen Kreisen liegt dies bei 40 Prozent und bei entspannten Wohnungsmärkten bei 39,1 Prozent.
- Bei einem Fünftel der Mieterhaushalte ohne KdU kann von einer Wohnkostenüberlastung ausgegangen werden, weil die Wohnkosten mehr als zwei Fünftel des Haushaltsnettoeinkommens übersteigen. In den stark angespannten und wachsenden Wohngebieten trifft dies auf 61,9 Prozent der Mieterhaushalte im unteren Einkommensdrittel zu und führt dazu, dass das Einkommen unter dem sozioökonomischen Existenzminimum liegt.
Was folgt daraus? Wohnen ist ein Menschenrecht. Deswegen darf Wohnraum auch keine marktwirtschaftliche Spekulationsgröße sein, die für wenige Profit bedeutet und für viele ein Leben am Existenzminimum.
www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/initiativen/armen-eine-stimme-geben