Mehr Erziehungshilfe statt Erziehungskontrolle gefordert
Ein entsprechender Beschluss des Bundesrates, mehr Kontrolle im künftigen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) zu verankern, verhindere vielmehr die vertrauensvolle Mitwirkung von Familien und Jugendlichen in Krisen. Diese könnten Sorge haben, dass bei Offenbarung einer Schwäche gleich das Jugendamt wegen "Kindeswohlgefährdung" eingeschaltet werden müsse, kritisiert die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Einrichtungen und Dienste der Erziehung und Beratung im Bistum Essen (AGkE).
"Der Kinderschutz steht für uns alle an erster Stelle. Mit der im Gesetzentwurf gewünschten ‚Gefahrenabwehr‘ wird man keinen Zugang mehr zu Familien finden. Das kann zur Folge haben, dass die Kinder erst recht keinen Schutz bekommen", sagt Stefan Hesse, Caritasdirektor in Altena-Lüdenscheid und Vorsitzender der AGkE im Bistum Essen. Es gebe ein gutes System der fachlichen multiprofessionellen Zusammenarbeit, das sicherlich weiter ausgebaut werden müsse. "Aber nur so kann man schrittweise Hilfe und Schutz miteinander abstimmen", so Hesse.
Rückhalt bekommt die AGkE im Bistum Essen auch in einer vorausgegangenen ausführlichen Stellungnahme des Bundesverbandes der katholischen Erziehungshilfen (BVkE). Der BVkE nennt drei prägnante Beispiele, um sichtbar zu machen, dass beratende und erzieherische Hilfen für die ganze Familie erst den Boden für eine Mitwirkung beim Jugendamt bereiten:
- "Für einen alleinerziehenden Vater, der sich nach einer Trennung an eine Erziehungsberatungsstelle wendet, da er aufgrund einer depressiven Verstimmung erhebliche Schwierigkeiten mit der Versorgung seiner drei Kinder hat, kann es zum Schutz notwendig sein, mit ihm in der Beratungsstelle den Weg zur erforderlichen Inanspruchnahme von Hilfe beim Jugendamt zu erarbeiten.
- Wenn eine Jugendliche einer Schulsozialarbeiterin gegenüber anvertraut, dass sie von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht wird, und entschieden hinzufügt, dass sie alles abstreiten werde, wenn die Schulsozialarbeiterin dies jemand anderem erzählt, muss es möglich sein, vor der erforderlichen Einschaltung des Jugendamts mit ihr zu erarbeiten, wie sie diesen Weg mitgehen kann.
- Eine Schwangere wendet sich an eine Schwangerschaftsberatungsstelle, weil sie verzweifelt ist. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung sieht sie erhebliche Schwierigkeiten bei der Erziehung ihres zweijährigen Sohnes und hat Angst, dass sie völlig überfordert sein werde, wenn ein weiteres Kind hinzukomme. Sie will lieber abtreiben, bevor das Jugendamt ihr den Sohn wegnimmt. Die Schwangerschaftsberatungsstelle arbeitet mit der schwangeren Mutter an den Ängsten vor dem Jugendamt, um die erforderliche Einbeziehung zu ermöglichen."
CDE