Frauen besonders gefährdet
Der schnelle Kick im Alltag kann beim Onlineglücksspiel zu gefährlichem Suchtverhalten führen.Foto: © PantherMedia/AlexShadyuk
Kinderbetreuung, Homeoffice, Wäschewaschen, Kochen - es seien immer noch Frauen, die zu Hause den Großteil der Arbeiten erledigten. "Spielaffine Frauen suchen beim Onlineglücksspiel Entspannung. Das lässt sich ganz leicht in den Alltag integrieren. Sie sind deshalb eine wichtige Zielgruppe für Onlineglücksspiel-Anbieter", so Verhoeven. Doch auch die kurzen Spiele zwischendurch könnten der Einstieg zu süchtigem Spielverhalten sein. Genaue Zahlen gebe es nicht. Verhoeven schätzt aber, dass 90 Prozent der Anruferinnen sich wegen einer Onlineglücksspiel-Problematik melden.
Das Spielen online habe dabei besonders hohes Suchtpotenzial: "Es ist 24 Stunden am Tag an praktisch jedem Ort verfügbar, es kann in schneller Spielfolge mit hohen Einsätzen gespielt werden, und das Gefühl für Geldverlust und eine soziale Kontrolle fehlen völlig", so Verhoeven.
Neuer Glücksspielstaatsvertrag
Bisher war ein Großteil der Onlineglücksspiel-Angebote in Deutschland ein Schwarzmarkt. "Spielerschutz, Jugendschutz - Fehlanzeige", sagt sie. Deshalb begrüßt die Leiterin der Fachstelle die Legalisierung und die Einführung eines Spielerschutzes ausdrücklich. Zum 1. Juli 2021 sollen die digitalen Varianten von Poker und Roulette sowie von Sportwetten in Deutschland legalisiert werden. Kritisch sieht sie aber die Art der Umsetzung. Geplant ist beispielsweise ein monatlicher Maximaleinsatz von 1.000 Euro. Doch es gebe wohl nur wenige Hilfesuchende in der Neusser Fachstelle, die es sich leisten könnten, monatlich einen so hohen Betrag zu verspielen, sagt Verhoeven.
Außerdem macht sie sich für ein anbieterübergreifendes Sperrsystem in deutscher Sprache stark, bei dem man sich selbst oder andere sperren lassen kann. Dieses sei im neuen Staatsvertrag nicht weit genug konkretisiert worden. Spielen über das eigene Limit werde mit so einem System unterbunden. Diese klaren Grenzen brauche es, denn: "Spielsucht bedeutet ja gerade, dass man sein Spielverhalten selbst nicht mehr regulieren kann", so Verhoeven.
Grundsätzlich wachse der gesamte Glücksspielmarkt seit Jahren. In Neuss hat sich zum Beispiel die Zahl der aufgestellten Spielhallen-Automaten seit dem Jahr 2006 mehr als verdoppelt (2006: 140, 2018: 295). Die Einnahmen haben sich im selben Zeitraum auf fast 9,5 Millionen Euro sogar beinahe vervierfacht. Wie stark das Wachstum des Onlineglücksspiels ist, lässt sich dabei nur schwer ermitteln. Ein Anstieg der Anfragen sei seit der Pandemie aber eindeutig feststellbar - auch bei den Männern.
"Beschlossen wurde der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) schon 2020, doch erst jetzt erfolgte tatsächlich die fristgerechte Ratifizierung in allen 16 Landtagen - nach zähem Ringen um einheitliche Lösungen. Es ist auch nicht der erste Staatsvertrag seiner Art, aber der mit der weitreichendsten Liberalisierung. Ein Kernziel des GlüStV 2021 ist nämlich die Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs in überwachte und regulierte Bahnen, also nicht mehr dessen größtmögliche Eindämmung.
Nach der Liberalisierung von Sportwetten bereits Anfang 2020 dürfen nun zusätzliche Genehmigungen für private Glücksspielangebote im Internet erteilt werden, namentlich für virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele. Vir-tuelle Automatenspiele und Online-Poker können künftig in allen Bundesländern und für eine unbegrenzte Anzahl von privaten Anbietern erlaubt werden.