Wenn Vormünder ihre Mündel nicht sehen können
Die Jugendlichen wissen nicht, wie es in den nächsten Monaten weitergeht", erklärt Susanne Smolen, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Dortmund-Hörde, der zusammen mit dem SkF Dortmund zurzeit rund 70 Vormundschaften vor allem von minderjährigen Flüchtlingen führt. Normalerweise würden sich alle Beteiligten an einen Tisch mit dem oder der Jugendlichen setzen und über Wünsche, Vorstellungen und Fördermaßnahmen sprechen - Vormund, Jugendamt und Pflegefamilie oder Vertreter der Jugendhilfeeinrichtung, in der die oder der Jugendliche lebt. Coronabedingt sei dies zurzeit kaum möglich. "Vieles bleibt liegen, keiner fühlt sich zuständig, es fehlt der Austausch", sagt Susanne Smolen.
Vormundschaftsvereine geraten in finanzielle Schwierigkeiten
Das beklagt auch Ralf Jackenkroll-Küdde vom SkF Hagen, Vormund für 32 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sieben und 18 Jahren. "Da gibt es wichtige Fragen zu klären, wenn etwa eine therapeutische Begleitung verlängert werden muss." Normalerweise geschehe dies zweimal jährlich mit dem Aufstellen eines Hilfeplans. Doch die Jugendhilfeeinrichtungen, in denen die meisten seiner Mündel oder Pfleglinge leben, hatten sich zeitweise komplett abgeschottet. Die nötigen Besuche seien erst langsam wieder möglich, Telefonate aber kein wirklicher Ersatz, sagt er. Als vom Familiengericht bestellter Vormund muss er anstelle der Eltern, denen etwa die Verantwortung vom Jugendamt entzogen wurde, Entscheidungen für das körperliche und seelische Wohl der Kinder und Jugendlichen treffen, sie also auch regelmäßig sehen. Mit seinen Mündeln in Pflegefamilien war der Kontakt immerhin einfacher: "Da haben wir uns meist mit Abstand und Mundschutz im Garten getroffen."
Die Corona-Krise hat auch schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für die vormundschaftsführenden Vereine, die gemeinnützig und ohne Gewinnstreben arbeiten. "Wir haben finanzielle Einbußen von mehr als 60 Prozent", sagt Michael Gebauer, Geschäftsführer des SkF Hagen. Weil die Vormünder ihre Kontakte minutiös mit der Justizkasse und teilweise mit den Jugendämtern abrechnen, wirkt sich der fehlende Kontakt zu den Mündeln und Pfleglingen massiv auf die Einkünfte aus. "Das ist existenzbedrohend", sagt Gebauer, zumal die Vergütungen, die im Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz festgelegt sind, schon bisher nicht kostendeckend waren. "Seit Jahren ist Unterfinanzierung die Regel", sagt Paul Krane-Naumann, Geschäftsführer der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe im Erzbistum Paderborn. Möglich bleibt die Arbeit vielerorts nur, weil Kommunen Zuschüsse geben.
14 Vormundschaftsvereine im Bereich des Erzbistums Paderborn führen rund 400 Vormundschaften und etwa 150 Pflegschaften, bei denen die Vormünder nur einen Teil der rechtlichen Verantwortung übernehmen. Die Vormundschaftsvereine unterstützen und beraten zudem ehrenamtliche Vormünder, die sich vor allem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge engagieren.
Als Vormund für einen Verein statt für ein Jugendamt tätig zu sein, sieht Ralf Jackenkroll-Küdde als einen großen Vorteil. "Dadurch komme ich nicht in Gewissenskonflikte, wenn ich zum Wohl des Kindes etwa gerichtlich gegen eine Entscheidung des Jugendamtes vorgehen muss." Zudem könne er unbelastet vom für die Familie zumeist schmerzhaften Entzug des Sorgerechts durch das Jugendamt auftreten.
cpd