Streit um Flüchtlingshilfe
Deutscher Caritasverband / Harald Oppitz, KNA
Anfang Oktober gab das NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) die Neuregelung des Förderprogramms "Soziale Beratung von Geflüchteten" bekannt. Danach müssten die Wohlfahrtsverbände ab Januar 2021 in der Flüchtlingsberatung in den Landesunterkünften bis zu 15.000 Euro je bewilligte Vollzeitstelle selbst einbringen. Das Land NRW vermindert einfach seinen Finanzierungsanteil an diesen Personalkosten in beträchtlichem Ausmaß.
"Damit wird das gute Zusammenwirken der Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Flüchtlingsinitiativen mit dem Ministerium ernsthaft gefährdet", kritisiert der Vorsitzende der LAG Freie Wohlfahrtspflege, Dr. Frank Johannes Hensel. Er forderte die Landesregierung auf, gemeinsam mit den engagierten Kräften in der Arbeit vor Ort die Förderprogrammatik so zu gestalten, dass funktionierende Beratungsstrukturen für geflüchtete Menschen gesichert werden können.
Tarifgebundene Träger haben das Nachsehen
Fachlich greift die Neuregelung zu kurz. So steht beispielsweise die standortübergreifende Fachbegleitung in der Asylverfahrensberatung oder bei Beschwerdestellen auf der Kippe. Würde sie wegfallen, wäre die Qualität der Beratung deutlich gefährdet. Wenn diese wichtige Vermittlungsaufgabe zwischen Flüchtlingen und Behörden infrage gestellt wird, hat das ungute Auswirkungen auf eine gelingende Integration und damit den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Um langjährig eingesetztes und entsprechend erfahrenes Personal weiterbeschäftigen zu können, müssen die Träger bis zu 15.000 Euro Eigenmittel pro Vollzeitstelle einsetzen. "Wenn gemeinnützige Organisationen diese Eigenmittel nicht aufbringen können, führt das zwangsläufig dazu, dass sie ihre Beratungsfachkräfte mit langjähriger Berufserfahrung und hoher Expertise nicht weiterbeschäftigen können", sagt Ahmad Omeirate, Diözesan-Referent für Migration, Integration und Flucht im Caritasverband für das Bistum Essen. Denn Fachkräfte mit hoher fachlicher Qualifikation seien unter diesen Bedingungen nicht mehr bezahlbar, sie würden quasi in die Arbeitslosigkeit geschickt. Hinzu kommt, dass mit den neuen Förderhöchstsätzen tarifgebundene Träger im Vergleich zu untertariflich beschäftigenden Arbeitgebern deutlich benachteiligt werden.
"Für die Qualität der Beratung in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen ist es fatal, wenn künftig Anbieter mit Dumpingpreisen den Auftrag zur Flüchtlingsberatung erhalten", so Omeirate. Langfristig habe das auch Auswirkungen auf andere, ohnehin bereits überlastete Migrationsdienste, auf die die Ratsuchenden zurückgreifen könnten: "Wir betrachten es als humanitäre Verpflichtung, Geflüchteten Beratung anbieten zu können, die sich mit gesundheitlichen und psychischen Problemen in einem fremden Land in einer sozialen Ausnahmesituation befinden und Rahmenbedingungen zur Bewältigung ihres Alltags unzureichend kennen oder einschätzen können."
"Das Integrationsministerium vollzieht einen Paradigmenwechsel weg von einer gemeinsamen Arbeit auf Augenhöhe, hin zu einem direktiven Umsetzungsverständnis", kritisiert auch Henric Peeters, Caritasdirektor und Liga-Vorsitzender in Düsseldorf. Damit wäre dann auch die - bislang gerne angeführte - Unabhängigkeit der Beratung nachhaltig gefährdet.
Demgegenüber betont ein Sprecher des Ministeriums, die Förderung der sozialen Beratung von Flüchtlingen habe "nach wie vor einen hohen Stellenwert". Das Fördervolumen werde mit dem neuen Haushalt von 30 auf 35 Millionen Euro sogar erhöht. Er gestand allerdings ein, dass das Verfahren mit der Umstellung der Finanzierung stärker als bisher für neue Träger geöffnet werden solle.